Es sind erstaunliche Erklärungen, die TE vorliegen, was am Freitag im Ältestenrat des Bundestags geschah. Zur Debatte stand das antiisraelische Posting von Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoguz. Die Sitzung fand auf Antrag der CDU/CSU-Fraktion statt. Wie TE erfahren hat, zeigte sich die Union dabei unversöhnlich. Sie forderte unmissverständlich den Rücktritt der ehemaligen Migrationsbeauftragten. Sie spreche, so heißt es aus gut unterrichteter Quelle, „nicht mehr für den Bundestag“.
In ihrem Plädoyer habe sich Özoguz nicht anders verteidigt als auch in ihren öffentlichen Stellungnahmen, die sie lediglich über Social Media und ihr Büro ausrichten ließ. Sie habe unterstrichen, dass sie Menschen zusammenführen und nicht spalten wolle. Der SPD habe diese Entschuldigung ausgereicht, die Grünen seien dem beigesprungen. Laut Bundestagspräsidentin Bärbel Bas sei „alles gesagt“.
Besonders pikant ist allerdings das Urteil von Wolfgang Kubicki (FDP), der in seiner Funktion als Bundestagsvizepräsident gesagt haben soll, dass das von Özoguz verbreitete Posting zwar „unappetitlich“ gewesen sei. Es falle aber unter die Meinungsfreiheit. Die Sache sei „erledigt“. Bei der CDU sorgte das für Empörung: Kubicki habe mit dieser Aussage alles noch schlimmer gemacht.
Stephan Brandner von der AfD warf ein, dass er sich als Ausschussvorsitzender auch entschuldigt habe, aber dennoch seinen Posten nach einem Abberufungsantrag habe räumen müssen. Eine Abwahl der Bundestagsvizepräsidentin sei aber nicht möglich, hieß es im Ältestenrat. Das habe jedoch für den Rechtsausschuss auch gegolten, dem der AfD-Politiker angehört hatte, entgegnete dieser – eine Abwahl müsse also möglich sein, wenn es keinen Rücktritt gebe. Hendrik Hoppenstedt (CDU) stimmte dieser Darstellung zu.
Laut Geschäftsordnung sind Bundestagspräsident und Stellvertreter für eine ganze Legislaturperiode gewählt. Das Thema bekam erst im letzten Jahr zusätzliche Brisanz, weil der Linkspartei im Bundestag mittlerweile der Fraktionsstatus fehlt. Diese hätte also bei einer Wahl im Bundestag kein Anrecht auf den Sitz des Vizepräsidenten. Bundestagsverwaltung und Ältestenrat unterstrichen aber den Passus, dass das Amt eine ganze Legislatur bei der Person verbleibt, womit Petra Pau im Amt verbleiben konnte.
Die Ältestenratssitzung hat Özoguz zwar überstanden. Doch die Empörung ebbt nicht ab. Auch Tage danach fordern immer neue Stimme ihren Rücktritt.
Allen voran geht der israelische Botschafter Ron Prosor. „Frau Özoguz will ‚Brücken in der Gesellschaft‘ bauen, aber im Netz macht sie Stimmung gegen den einzigen jüdischen Staat“, sagte Prosor der Bild-Zeitung. „Es wäre wünschenswert, wenn sie uns allen erklärt, was sie wirklich meint, wenn sie von Zionismus spricht. Nach ihren wiederholten Entgleisungen muss sie jetzt Farbe bekennen.“
Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Hamburg, Philipp Stricharz, bekräftigte die Kritik. Dem Hamburger Abendblatt sagte er: „Frau Özoguz betreibt gezielten Populismus, gerichtet an Wähler, die Israel hassen.“ Die Entschuldigung der Hamburger Bundestagsabgeordneten sei nicht glaubhaft. „In unseren diskriminierungssensiblen, woken, gendernden, klimafreundlichen und multikulti-bewegten Zeiten kaufe ich es Frau Özoguz nicht ab, dass es sich um ein Versehen handelt.“ Eine erneute Aufstellung als Bundestagskandidatin käme für ihn „nicht in Frage“.
Während es bei den Ampelpartnern Grüne und FDP zumindest ein paar kritische Stimmen gibt, halten sich die Sozialdemokraten bedeckt. Von den Parteispitzen Saskia Esken und Lars Klingbeil gibt es immer noch kein Statement. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz schweigt wie so häufig. Dafür meldete sich SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich.
„Diese Entschuldigung war auch dringend nötig, weil man nicht auf das Leid der Zivilbevölkerung in Gaza mit einer Darstellung hinweisen darf, die von einer rassistischen und antisemitischen Seite kommt, die immer wieder Hass schürt“, so Mützenich. „Das war ein Fehler und dazu hat sich Frau Özoguz auch bekannt.“
Damit bildet Mützenich die offizielle SPD-Position ab. Es gibt nichts mehr zu sagen und zu tun, Frau Özoguz hat sich schließlich entschuldigt. Im Umkehrschluss muss man konstatieren: Wenn sich die SPD hinter Özoguz stellt, dann muss sie sich auch die Kritik gefallen lassen, die Özoguz trifft.
Etwa, dass sie islamisches Gedankengut duldet, und antiisraelische Äußerungen ein Kavaliersdelikt sind. Dass sie antiisraelische Ausfälle in den eigenen Reihen ohne Konsequenzen verstreichen lässt. Und dass sie sich deshalb den Vorwurf gefallen lassen muss, dass die Solidarität mit Israel bei ihr machtpolitische Verhandlungssache ist. Wie hatte noch ein führender SPD-Politiker einst gesagt: „Der Kampf gegen Antisemitismus ist Aufgabe einer jeden und eines jeden in Deutschland. Viel zu leicht wird heute gesagt, der Antisemitismus hat in unserer Gesellschaft keinen Platz.“
Der SPD-Politiker war Bundeskanzler Olaf Scholz. In seiner eigenen Partei wird mit zweierlei Maß gemessen. Oder der Kanzler hat auch diese Aussage wieder längst vergessen.