Tichys Einblick
Industrie zeigt sich besorgt

Chinas Antwort auf die EU-Zölle: Ein drohender Handelskrieg?

Die Strafzölle der EU auf E-Autos aus China, die ab November gelten sollen, haben weitreichende Folgen für die Hersteller. Wird China mit Gegenmaßnahmen reagieren? Deutsche Unternehmer, vor allem in der Autoindustrie, warnen und sprechen sich gegen die Zölle aus. Auch Ungarn kündigt ein Veto an. Von Hannes Märtin

Wang Wentao, chinesischer Handelsminister.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Ng Han Guan

China und die EU befinden sich seit Monaten in einem intensiven Handelskonflikt, in dem Brüssel Peking unfaire Subventionen und eine Verzerrung des Wettbewerbs vorwirft. Angesichts Chinas aggressiver Expansionsstrategie im Bereich der E-Mobilität stimmte Anfang Oktober die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten für die Einführung zusätzlicher Zölle auf E-Autos aus China.

Doch die Frage bleibt: Wie wird sich dieser Handelsstreit weiterentwickeln? Stehen wir möglicherweise vor einem neuen Kapitel der Eskalation, in dem China mit harten Gegenmaßnahmen reagieren wird?

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Bei der Abstimmung in Brüssel, Anfang Oktober, konnte sich keine ausreichende Mehrheit gegen diese Zölle bilden. Obwohl Deutschland gegen die Maßnahmen stimmte, reichte dies nicht aus, um deren Einführung zu verhindern. Zehn EU-Staaten befürworteten die Zölle, darunter etwa Frankreich und Italien, während zwölf sich enthielten und fünf dagegen stimmten, darunter Ungarn und Malta.

Die von der EU beschlossenen Zölle auf Elektroautos aus China sollen ab November 2024 in Kraft treten und könnten bis zu 35,3 Prozent betragen, zusätzlich zu den bereits bestehenden Importzöllen von 10 Prozent. Diese neuen Zölle haben weitreichende Folgen für verschiedene Hersteller.

Erwähnenswert: Auch deutsche Automobilhersteller wie BMW und Volkswagen, die in China produzieren und ihre Fahrzeuge nach Europa exportieren, sehen sich zusätzlichen Zollaufschlägen gegenüber.

Da chinesische Elektroautos derzeit im Durchschnitt etwa 20 Prozent günstiger angeboten werden als ihre europäischen Pendants, werden die neuen Zölle dazu beitragen, die Preisunterschiede zu reduzieren.

Kurzfristig könnte dies zwar den Absatz europäischer Elektroautos auf dem europäischen Markt ankurbeln, da Verbraucher weniger geneigt wären, zu den preiswerteren chinesischen Modellen zu greifen. Langfristig jedoch werden die altbekannten Herausforderungen der Elektromobilität weiterhin bestehen bleiben.

Eine sinnvolle Lösung für die Automobilbranche, insbesondere in Deutschland, kann einzig durch das Revidieren der EU-Klimaziele und der Flottengrenzwerte sowie durch die Wiederbelebung der Verbrenner-Produktion erreicht werden. Die bestehenden Wettbewerbsnachteile im Bereich der Elektromobilität sind schlichtweg zu gravierend.

Zusätzlich trägt die Energiepolitik der Ampelregierung dazu bei, dass Deutschland nicht in der Lage ist, eine effiziente und kostengünstige Energieversorgung sicherzustellen. Unter diesen Umständen ist fraglich, wie eine Automobilindustrie, die vollständig auf Elektromobilität setzt, überhaupt erfolgreich funktionieren kann.

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Hinzu kommt, dass sich die deutsche Automobilindustrie nun ernsthaften Bedenken hinsichtlich möglicher Gegenmaßnahmen aus Peking gegenüber sieht. Als Reaktion auf die von der Europäischen Union erhobenen Zölle auf E-Autos aus China könnte die Volksrepublik im Gegenzug nun nämlich mit eigenen Zöllen auf Elektro- und Verbrennerfahrzeuge aus europäischen Ländern drohen.

Eine derartige Maßnahme hätte gravierende Auswirkungen auf Unternehmen wie VW, Mercedes BMW & Co, da die deutschen Hersteller im Jahr 2023 etwa 34,3 Prozent ihres Gesamtabsatzes durch Verkäufe in China erzielten. Diese Zahl illustriert eindrücklich die fundamentale Bedeutung des chinesischen Marktes für die deutsche Automobilindustrie.

Erste Anzeichen einer Gegenreaktion von Seiten Chinas stehen bereits im Raum. Zunächst äußerte das chinesische Handelsministerium scharfe Kritik an der Ankündigung der EU-Strafzölle. Außerdem warf das chinesische Außenministerium der EU vor, protektionistische Maßnahmen zu ergreifen. In diesem Kontext hat China bereits eine Untersuchung zu europäischen Milchprodukten eingeleitet, was als möglicher erster Schritt in Richtung Vergeltungsmaßnahmen interpretiert werden könnte. Während konkrete Maßnahmen in Bezug auf die Automobilindustrie derzeit noch ausstehen, sind die Handelsbeziehungen zwischen China und dem kollektiven Westen gespaltener denn je.

BMW-Chef Oliver Zipse betonte, dass die zusätzlichen Zölle auf chinesische E-Autos den global tätigen deutschen Unternehmen erheblichen Schaden zufügen würden und „einen Handelskonflikt heraufbeschwören könnten, der am Ende nur Verlierer kennt“.

Auch Ola Källenius, der Vorstandsvorsitzende der Mercedes-Benz Gruppe, sprach sich zuletzt gegen die Zölle aus. Gegenüber der Bild-Zeitung akzentuierte er: „Wir brauchen mehr Freihandel statt neuer Handelshemmnisse. Deshalb ist eine Lösung wichtig, die sowohl der EU als auch China gerecht wird“. Darüber hinaus führt Källenius aus: „Die Verhandlungen dafür brauchen Zeit. Um sie nicht zu gefährden, sollte die EU die Vollstreckung der geplanten Zölle verschieben.“

Ebenfalls besorgt äußerte sich Tanja Gönner, die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Deutschen Industrie. Sie stellte klar, dass die Entscheidung zu den Zöllen auf keinen Fall das Ende der Gespräche bedeuten dürfe. Sie forderte beide Seiten eindringlich auf, die Verhandlungen fortzusetzen, um einen eskalierenden Handelskonflikt zu verhindern.

Im Angesicht der bevorstehenden Zölle auf Elektroautos aus China zeichnet sich ein beunruhigendes Szenario ab, welches die – ohnehin schon angeschlagenen – Handelsbeziehungen zwischen der EU und China weiter belastet. Während die EU versucht, ihre Automobilindustrie durch protektionistische Maßnahmen zu schützen, wird die Frage nach der langfristigen Wirksamkeit dieser Strategie immer drängender.

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Der Weg zu einer sinnvollen Lösung für beide Seiten erfordert ein Umdenken und eine stärkere Kooperation, statt sich in einer Spirale von Zöllen und Sanktionen zu verlieren. Nur durch offene Gespräche und eine gemeinsame Vision kann die Zukunft der Automobilindustrie vorangetrieben werden.

Das China von Zöllen verschont wird, liegt insbesondere auch im Interesse von Ungarn. Diese Motivation gründet sich vornehmlich auf den engen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Ungarn und China sowie der Ansiedlung von Unternehmen wie BYD in der ungarischen Industrie. Ungarn hat sich in den letzten Jahren intensiv auf die Elektromobilität konzentriert und sich damit in eine Abhängigkeit von China begeben, wofür das Land nun die Konsequenzen zu tragen hat.

BYD hat bereits ein Werk zur Herstellung von Elektrobussen in Debrecen eröffnet und plant nun eine weitere Investition im dreistelligen Millionenbereich für die Errichtung einer neuen Produktionsstätte für Elektroautos in Südungarn. Ungarns Außenminister Péter Szijjártó hat angekündigt, dass Ungarn ein Veto gegen die Einführung der Zölle einlegen wird. Er bezeichnete diese als „schädlich und gefährlich“ für die europäische Wirtschaft und argumentierte, dass sie auch den ungarischen Automobilsektor erheblich negativ beeinflussen würden.

Szijjártó betonte darüber hinaus die Notwendigkeit einer zivilisierten und respektvollen Zusammenarbeit mit China und wies darauf hin, dass viele westeuropäische Automobilhersteller enge Verbindungen zum chinesischen Markt pflegen. Das stimmt, schließlich wird ein erheblicher Teil der Nachfrage auch gegenüber deutschen Automobilkonzernen durch den chinesischen Markt gedeckt.

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