Tichys Einblick
Erst der Anfang

Jetzt kommt die Finanznot bei den Kommunen und damit direkt bei den Bürgern an

In den letzten Jahren hat sich die finanzielle Situation der deutschen Kommunen dramatisch verschlechtert. Eine Kombination aus steigenden Sozialausgaben, fehlenden Einnahme aus der Grunderwerbssteuer, den kostspieligen Investitionen in erneuerbare Energien und einem chronischen Investitionsrückstand prägt diese Entwicklung. Von Hannes Märtin

picture alliance / dpa | Uwe Anspach

Im Jahr 2023 mussten die Kommunen erstmals seit 2011 wieder ein Gesamtdefizit von 6,8 Milliarden Euro hinnehmen. Zwischen 2012 und 2022 gelang es den Kommunen noch, durchweg Überschüsse zu erzielen.

Die Ursachen für diese Misere sind vielschichtig, doch ein Haupttreiber sind die explodierenden Sozialausgaben: Diese stiegen im Jahr 2023 um satte 11,7 % auf insgesamt 76 Milliarden Euro. Insbesondere der Anstieg der Regelsätze für das Bürgergeld belasten die kommunalen Haushalte erheblich.

Auch Mindereinnahmen bei der Grunderwerbsteuer stellen eine erhebliche Belastung für die Kommunen dar. Im Jahr 2023 sind diese Einnahmen dramatisch eingebrochen und verzeichneten einen Rückgang von 25,9 % im Vergleich zum Vorjahr. Damit sanken die Gesamteinnahmen von 2,24 Milliarden Euro auf 1,66 Milliarden Euro – das niedrigste Niveau seit 2016.

Die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten, die mit der wirtschaftlichen Krise einhergehen, haben die Nachfrage nach Immobilien deutlich verringert. Hinzu kommt der rasante Anstieg der Bauzinsen seit der Zinswende 2022, der viele potenzielle Käufer abschreckt und den ohnehin angespannten Wohnungsmarkt weiter unter Druck setzt.

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Darüber hinaus wird die finanzielle Situation der Kommunen durch die kostspielige
Umstellung auf erneuerbare Energien sowie durch überspitzte Investitionen in den
Klimaschutz weiter strapaziert.

Besonders kostenintensiv sind dabei der Ausbau von Windparks, Solaranlagen und Biomassekraftwerken, die Installation von Photovoltaikanlagen auf öffentlichen Gebäuden sowie die Umrüstung des Nahverkehrs, etwa durch den Erwerb von Elektro-Bussen und den Aufbau der nötigen Ladeinfrastruktur. Hinzu kommt die Entwicklung neuer Energie- und Klimaschutzkonzepte. Viele Kommunen sind damit stark überfordert.

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Der Physiker André Thess schätzte zu Beginn des Jahres, dass die vollständige Umstellung Deutschlands auf erneuerbare Energien langfristig Kosten in Höhe von etwa 10 Billionen Euro nach sich ziehen könnte, was rund 100.000 Euro pro Kopf entspräche. Thess, ein angesehener Experte auf dem Gebiet der Energiespeicherung, warnt eindringlich vor den finanziellen Folgen der grünen Transformation und bezeichnet die Pläne der Regierung als absolut realitätsfern.

Zusätzlich zeigt eine Analyse des norwegischen Professors Jan Emblemsvog, dass die Investitionen in erneuerbare Energien im Rahmen der deutschen Energiewende bis jetzt bereits über 600 Milliarden Euro betragen haben. Emblemsvog argumentiert, dass der Bau neuer Kernkraftwerke, anstelle des Ausbaus von Solar- und Windenergie, potenziell 330 Milliarden Euro weniger gekostet hätte als die grüne Transformation wie wir sie aktuell sehen.

Unabhängig davon, welcher Studie man den Vorzug gibt, wird deutlich, dass die Energiewende mit enormen finanziellen Belastungen einhergeht, die nicht nur die Gesamtwirtschaft, sondern auch die Kommunen erheblich belasten. Letztlich tragen die Steuerzahler die Last dieser politischen Entscheidungen.

Ironischerweise hat der Umbau der Energieversorgung auf unzuverlässige und ineffiziente Quellen wie Wind- und Solarenergie nicht nur immense Kosten verursacht und die Energiepreise in die Höhe getrieben. Paradoxerweise schadet dieser dabei sogar der Umwelt.

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Der Grund ist simpel: Da erneuerbare Energien den Energiebedarf nicht zuverlässig decken können, müssen Kohlekraftwerke verstärkt betrieben werden. Hätte man verstärkt auf die Nutzung der Atomkraftwerke gesetzt, wäre dieser Widerspruch vermeidbar gewesen. Deutschland hätte einen CO2-armen, kostengünstigen und gleichzeitig effizienten Energiemix haben können – und das ganz ohne den Rückgriff auf umweltschädliche Kohlekraftwerke.

Neben den bereits genannten Ursachen spielt auch der marode Zustand der deutschen Infrastruktur eine entscheidende Rolle in der finanziellen Misere der Kommunen. Der Investitionsrückstand der Kommunen beläuft sich mittlerweile auf gewaltige 186 Milliarden Euro und stellt eine enorme Erschwerung, vor allem für die Bürger dar.

Der Investitionsrückstand im Schulbereich ist dabei besonders alarmierend: Im Jahr 2021 lag dieser bundesweit bei 45,6 Milliarden Euro. Schulgebäude gehören neben Straßen und Verwaltungsgebäuden zu den drei größten kommunalen Bedarfsfeldern. Rund 17 % der Kommunen melden einen gravierenden Rückstand bei ihren Schulgebäuden.

Die Folgen dieser jahrelangen Vernachlässigung sind unübersehbar: Neben den maroden Schulgebäuden, gehört auch eine größtenteils veraltete Ausstattung mittlerweile zum alltäglichen Schulbetrieb. Diese Missstände gefährden die Qualität der deutschen Bildung, und rauben den Schülern die Möglichkeit, einen angemessenen Bildungsstandard zu genießen. Letztlich wird damit die Zukunft einer ganzen Generation aufs Spiel gesetzt.

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Auch die Verkehrsinfrastruktur leidet unter einem dramatischen Investitionsstau, der sich in den letzten Jahren massiv verschärft hat. Während der Investitionsrückstand im Jahr 2011 noch bei 25 Milliarden Euro lag, hat er sich bis 2023 auf beachtliche 48 Milliarden Euro fast verdoppelt.

Aus dem KfW-Kommunalpanel für das Jahr 2023 geht hervor, dass nur 37 % der
Kommunen in den vergangenen fünf Jahren überhaupt in der Lage waren, die notwendige Instandhaltung ihrer Verkehrswege weitgehend sicherzustellen. Zudem blicken 50 % der Kommunen mit Sorge in die Zukunft und erwarten eine weitere Zunahme des Investitionsrückstands in den kommenden Jahren.

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Die Finanznot der Kommunen wird den Alltag vieler Bürger daher in Zukunft wohl noch deutlich mehr belasten. Zahlreiche Gemeinden sehen sich schon jetzt gezwungen, ihre Dienstleistungen erheblich zu reduzieren. Angebote wie Bibliotheken, Schwimmbäder und kulturelle Einrichtungen drohen stark eingeschränkt oder gar komplett geschlossen zu werden.

Darüber hinaus könnten auch die sozialen Leistungen, die viele Kommunen bislang freiwillig angeboten haben, wie die Jugendarbeit und die Betreuung älterer Menschen, zunehmend unter Kürzungen leiden.

Doch das ist erst der Anfang: Bürger müssen bei Behördengängen oder der Nutzung kommunaler Einrichtungen oft mit längeren Wartezeiten rechnen und geplante Neubauten oder Erweiterungen von Kindertagesstätten stehen auf der Kippe.

Nebenbei müssen die Bürger für Dienstleistungen wie Müllabfuhr oder Parkplätze tiefer in die Tasche greifen. Einige Städte sehen sich sogar gezwungen, die Straßenbeleuchtung zu reduzieren.

Um Energiekosten zu senken, schalten bereits einige Kommunen nachts jede zweite Straßenlaterne ab. Weimar hat beispielsweise die Beleuchtungszeiten angepasst, indem die Straßenlaternen in der Sommerzeit 30 Minuten später eingeschaltet und früher abgeschaltet werden.

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Die verheerenden Auswirkungen auf die Kommunen äußern sich bereits jetzt anhand einiger Fälle sehr deutlich. Ein besonders prägnantes Beispiel bietet der Landkreis München. Wie Kreiskämmerer Felix Heinrich im Finanzausschuss am Montagnachmittag ausführte, beträgt das Defizit im Verwaltungshaushalt aktuell satte 90,3 Millionen Euro.

Die stark steigenden Ausgaben belasten den Haushalt des Landkreises enorm.

Landrat Christoph Göbel benennt die Hauptursache dieser Misere unmissverständlich: „Die katastrophalen Zustände der deutschen Wirtschaft treiben die Kommunen in diese finanzielle Schieflage.“ Göbel prangert die wirtschaftspolitischen Fehlentscheidungen der Bundesregierung als wesentliche Verursacher der dramatischen Haushaltslage an: „Die Effekte schlagen auf uns nieder.“

Zustimmung erhält er vom früheren CSU-Landtagsabgeordneten Ernst Weidenbusch, der ebenfalls der Ansicht ist, dass die verfehlte Wirtschaftspolitik der Ampelkoalition in Berlin dazu führt, dass überall in Deutschland finanzielle Mittel fehlen. Letztlich sei es der Steuerzahler, der die Konsequenzen dieser Fehlentscheidungen zu tragen habe.

In Tübingen zeichnet sich ein ähnlich besorgniserregendes Bild der Haushaltslage für das Jahr 2024 ab. Auch die Stadt am Neckar, sieht sich mit einem massiven Defizit konfrontiert, das sie zwingt, Kredite in Höhe von 40 Millionen Euro aufzunehmen, um essenzielle Investitionen zu tätigen.

Boris Palmer hatte zuletzt in der Talkshow von Markus Lanz die schwerwiegende finanzielle Situation Tübingens thematisiert und auf das gigantische Haushaltsloch hingewiesen. Er bezeichnete die Stadt am Neckar als „Sanierungsfall“, obwohl diese bis vor zwei Jahren noch als prosperierend galt.

Um das Defizit zu beseitigen, fordert Palmer die Einführung drastischer Maßnahmen, die die Bürger erheblich belasten könnten. Dazu zählen beispielsweise die Verdopplung der Grundsteuer für alle, die Streichung jeder zweiten Busfahrt sowie die Schließung eines Theaters und eines Hallenbads.

Als Ursachen für die finanzielle Schieflage nannte Palmer unter anderem die steigenden Ausgaben für Flüchtlinge und die explodierenden Sozialkosten, insbesondere im Hinblick auf das Bürgergeld – während die Einnahmen weiter stagnieren.

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Auch die Lage im Ruhrgebiet ist alarmierend. Zahlreiche Städte in dieser Region kämpfen mit exorbitanten Schulden, wobei Essen für das Jahr 2024 ein gigantisches Haushaltsdefizit von rund 131 Millionen Euro verzeichnet.

Die finanzielle Lage der Kommunen in Nordrhein-Westfalen hat sich in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert. Eine umfassende Umfrage, an der alle Städte in NRW teilnahmen, zeigt, dass viele Gemeinden ihre finanziellen Perspektiven bis 2028 als schlecht oder sogar sehr schlecht einschätzen. Für die meisten Städte und Gemeinden bleibt ein ausgeglichener Haushalt in den kommenden fünf Jahren unerreichbar.

Die letzten finanziellen Rücklagen der Kommunen sind nahezu aufgebraucht, und es droht die Gefahr, dass weitere Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen in die Überschuldung rutschen.

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Die Finanznot der deutschen Kommunen ist längst keine temporäre Krise mehr, sondern das Resultat jahrelanger politischer Fehlentscheidungen, die nun direkt das Leben der Bürger belastet. Während die Kommunen mit steigenden Sozialausgaben und einer desolaten Infrastruktur kämpfen, bleibt die notwendige Unterstützung durch Bund und Länder aus. Statt gezielt zu helfen, greift die Bundesregierung weiterhin in die ohnehin strapazierten Kassen der Länder und Kommunen, um eigene Haushaltslücken zu stopfen oder kostspielige Projekte wie die Krankenhausreform voranzutreiben.

Der Kostendruck auf die Bürger wächst, während notwendige Dienstleistungen wie Schulen, Kitas und kulturelle Einrichtungen zunehmend eingeschränkt werden müssen. Ein grundlegender Politikwechsel ist erforderlich, um den finanziellen Spielraum der Kommunen zu erweitern und die drängenden Herausforderungen tatsächlich anzugehen.

Solange die Entscheidungsträger nicht bereit sind, die Realität der kommunalen Not zu akzeptieren und entsprechend zu handeln, könnte sich die soziale und wirtschaftliche Stabilität der Regionen sogar noch weiter verschlimmern. Wie weit muss es noch kommen, bis Deutschland endlich aufwacht?

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