Bis zum 10. Januar 2024 kannte nur ein relativ kleiner Kreis in Deutschland den Juristen Ulrich Vosgerau. Der Staatsrechtler führte zwar schon Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, unterrichtete als Privatdozent an der Universität Köln, hielt Vorträge und verfasste Artikel, unter anderem für TE. Aber er tauchte weder in der „Tagesschau“ auf noch beschäftigen sich etablierte Medien ausführlich mit ihm. Und das nicht immer aus freien Stücken. Denn eine ganze Reihe von journalistischen Größen zog der Anwalt inzwischen vor Gericht, und das erfolgreich. Ulrich Vosgerau gilt deshalb vielen als Gegner, mit dem man sich besser nicht anlegt.
Als der Staatsrechtler am 25. November 2023 zu einem Treffen von Unternehmern, AfD-Politikern, CDU-Mitgliedern und politisch Interessierten im Potsdamer Landhaus Adlon fuhr, bei dem auch der Anführer der österreichischen Identitären Martin Sellner sein Buch „Regimechange von rechts“ und sein Konzept von „Remigration“ vorstellte, kam er nicht auf die Idee, dass ihn dieser Tag – genauer gesagt, die einige Wochen Berichterstattung darüber und deren Folgen – sein Leben ziemlich durchschütteln würden. Damals, als die Plattform „Correctiv“ im Januar 2024 so tat, als besäße sie heimliche Tonmitschnitte des gesamten Treffens, sei sein erster Gedanke gewesen, so erzählt er es im Rückblick: „Sollte das jemand aufgenommen haben – kein Problem. Denn alles, was dort erzählt wurde, war völlig legal, nicht besonders spektakulär, und vor allem nicht peinlich.“
Vosgerau selbst hielt einen Vortrag über das Briefwahlrecht, in dem er vor allem über die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu dem Thema referierte. Was hielt er von Sellners Remigrationsvortrag? „Das, wer er dort sagte, unterschied sich, was die Abschiebung Ausreisepflichtiger angeht, ja überhaupt nicht von der Ankündigung des Kanzlers im Spiegel: ‚Wir müssen im großen Stil abschieben‘“, meint Vosgerau. „Und Sellners Vorstellungen, beispielsweise auf kriminelle Clanmitglieder mit deutschem Pass polizeilichen Verfolgungsdruck auszuüben, sodass sie freiwillig gehen, blieb weit hinter dem zurück, was Bundesinnenministerin Nancy Faeser vorgeschlagen hatte. Die wollte sogar nichtkriminelle Clanmitglieder mit deutschem Pass abschieben, und militanten Israel-Hassern die Staatsbürgerschaft bis zu zehn Jahren rückwirkend entziehen.“
Am 10. Januar 2024 las Vosgerau wie einige Hunderttausend in ganz Deutschland, dass an diesem Novembertag am Ufer des Lehnitzsees etwas ganz anderes stattgefunden haben sollte: Eine Art zweite Wannseekonferenz, ein „Geheimtreffen“, in dem eine klandestine Runde darüber beratschlagten, „wie Menschen aufgrund rassistischer Kriterien aus Deutschland vertrieben werden können – egal, ob sie einen deutschen Pass haben oder nicht“. So jedenfalls schrieb es ein Autorenkollektiv der teils staatlich finanzierten Plattform „Correctiv“: In Potsdam sei ein „Masterplan Remigration“ besprochen worden, eine Blaupause für die Vertreibung von Millionen Menschen mit Migrationsgeschichte inklusive deutscher Staatsbürger. Auch der Begriff „Deportation“ erschien in dem Artikel. Zwar nur in einem historischen Bezug, nicht als Aussage irgendeines Beteiligten der Runde in Potsdam, sondern als sorgfältig gesetztes Triggerwort, genauso wie die Chiffre „Wannseekonferenz“.
Nach der Veröffentlichung brach ein orchestrierter Empörungssturm über die Bundesrepublik herein, mit kolportagehaften Nacherzählungen des „Correctiv“-Stücks in anderen Medien (SPIEGEL: „Deportationsgipfel“), Kundgebungen in allen Großstädten, Tagesschau-Bericht und Wortmeldungen aller Spitzenpolitiker vom Bundeskanzler abwärts. Vosgerau, seit vielen Jahren Mitglied der CDU, sah sich auf einmal als Mitglied einer Verschwörertruppe porträtiert, die in der geistigen Nachfolge des Reichssicherhauptamts Millionen Bürger aus der Gesellschaft entfernen wollte. Als er am Morgen dieses 10. Januar die „Correctiv“-Geschichte las, erzählt er, sei sein erster Gedanke gewesen: „das gibt Ärger.“ Nur das Ausmaß konnte er sich damals noch nicht ganz vorstellen.
Jedenfalls beschloss er schon kurz nach diesem 10. Januar, nicht den Kopf einzuziehen, nicht reumütig bei den Medien um Milde zu bitten, sondern sich zu wehren. Als Einzelner gegen ein mit Millionen durchfinanziertes Medienhaus, gegen den Apparat der Öffentlich-Rechtlichen und die etablierten Medien, gegen fast den gesamten Berliner Politbetrieb, zu dem auch seine eigene Partei gehörte. Mit anderen Worten: gegen einen XXL-Gegner. „Mir war klar, dass auf der anderen Seite ein übermächtiger Apparat steht. Aber auch, dass es schlichtweg keine Lösung ist, sich wegzuducken. Denn je mehr man das tut, desto mehr wird man gejagt. Ich hatte mir damals gesagt: die einzige Chance, das Konzept von ‚Correctiv“ kaputtzumachen, liegt darin, einfach stehenzubleiben.“
Die komplette Geschichte über Ulrich Vosgerau und seinem erfolgreichen Feldzug lesen Sie im neuen Heft von „Tichys Einblick“.
Und eine wichtige Ergänzung erfahren Sie hier: Obwohl der Jurist mittlerweile vor Gericht mehrfach siegte, braucht er Unterstützung. Denn die Anwaltskosten müssen auch nach einem Sieg vom Prozessgegner nur bis zu einer bestimmten Grenze übernommen werden. Das bedeutet: Auch wenn jemand im juristischen Kampf Sieg auf Sieg einfährt, summieren sich die Anwaltsrechnungen schnell auf einen Betrag, den ein Einzelner kaum noch stemmen kann. Vosgerau kämpft nicht (nur) für sich – sondern gegen eine staatlich mitfinanzierte Plattform und deren Verbündete, die mit ihrer Manipulation das ganze Land in ihre Richtung treiben wollten. Dass ihr Plan nicht wie erwartet aufging, ist vor allem das Verdienst des Staatsrechtlers.
Sie können hier seinen juristischen Kampf unterstützen, der noch nicht beendet ist.