„Die Szene dauert nur ein paar Sekunden, sie ist drei Jahre alt – aber sie macht der CDU schwer zu schaffen“, schreibt die Süddeutsche über die Siegesfeier der CDU nach der Bundestagswahl 2013. Eigentlich ging es um die Siegesfeier jener Bundestagswahl, die jetzt der Keim zur Niederlage sein könnte.
Merkel stellt die Fahne zur Seite
Die Bilder gingen damals durch alle Nachrichtensendungen, und mit ihnen eine kurze Sequenz in dem Video von der Siegesfeier. In der nimmt Angela Merkel ihrem damaligen Generalsekretär Hermann Gröhe ein Deutschland-Fähnchen aus der Hand und entfernt es von der Bühne.
„Merkel, eine „Anti-Deutsche“?, will die SZ wissen. Natürlich nicht. Die SZ zitiert Generalsekretär Peter Tauber mit einer geradezu wunderbaren Erklärung: Merkel „wollte an diesem Abend nicht, dass die CDU die Deutschlandfahne schwingt, um ihren Triumph zu feiern. Zwischen Staat und Partei muss man eine Grenze ziehen. Sie wollte nicht den Eindruck erwecken, die CDU reiße sich nun das Land unter den Nagel.“
Es ist mit dieser Fahnensequenz so, als habe sich Merkel selbst einen „falschen Hering“ umgehängt – so nennt die Propagandakunst die Technik, jemanden zu verleumden, so absurd auch immer der Vorwurf sein mag. Etwas Geruch bleibt hängen. So auch bei Merkel. Tatsächlich hat sie viel getan, um das zu bestätigen, der „falsche Hering“ bekommt Junge.
Der „falsche Hering“ der Kanzlerin
In einer Debatte über Migranten sagte sie, „diejenigen, die schon länger hier sind.“ Der Geruch wurde stärker. Vom „Volk“ oder gar dem „Deutschen Volk“ spricht keiner mehr. Es erscheint irgendwie peinlich, unangenehm. Helmut Kohl hatte keine Scheu vor Deutschland; häufig sprach er von „In diesem unserem Land“, „Indula“, nannten Spötter das Kohl-Land. „Deutsche, wir können stolz sein auf unser Land“ ließ Willy Brandt 1972 plakatieren und holte das beste Wahlergebnis für die SPD ever: 45,8 Prozent. Später sagte er angesichts der einstürzenden Mauer: „Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört.“
Und jetzt also diejenigen, die schon länger hier sind.
Ist man erst skeptisch, wird man auch weiter fündig bei der Heringsssuche.
Angela Merkel, gemäß ihrer Amtsbezeichnung Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, hat anläßlich des Wahlkampfauftakts in Stralsund wieder einen dieser Super-Sätze gesagt. „Das Volk ist jeder, der in diesem Land lebt.“ Gerd Held kritisiert diese Aussage als „Worte aus dem globalen Nirgendwo“, die den Bezug zum Staatsvolk verloren hätten. Wieder versuchte die Pressestelle, das Kanzlerzinnenwort zu relativieren; sie habe es in Abgrenzung zu Pegida formuliert, die den Slogan der DDR-Bürgerrechtsewegung „Wir sind das Volk“ geklaut habe.
Geld Held glaubt ihr nicht: Helds Fazit: „Merkels Worte verraten, dass sie ihren Vertrag mit dem Volk längst innerlich gekündigt hat. Ihr Verhältnis zu Deutschland ist nicht mehr verlässlich.“ Und im Netz werden unterschiedlichste Fotos von Staatsempfängen verbreitet, in denen Merkel meist neben einem winzigen oder gar keinem Fähnchen sitzt, während der Gastgeber oder Gast riesige Fahnen der anderen Nation aufziehen lässt. Und ihre Staatsministerin für Integration lässt die Forderung nach einem Wahlrecht für Migranten auf kommunaler Ebene verbreiten, das im NRW-Landtag schon die 2. Lesung erreicht hat. Wie falsch ist der Hering da noch?
Reden, um nichts zu sagen
Sind Merkels seltsam peinliche Fahnenaktionen, ihre verdrucksten Formulierungen nun Zufall einer rhetorisch nur mäßig begabten Kanzlerin, wie ihre Anhänger verlegen behaupten? Dagegen spricht, dass Angela Merkel eigentlich die Kunst beherrscht, nichts zu sagen. Ihre Reden sind Aneinanderreihungen aufgepumpter Plattitüden, die sich sich in Luft auflösen, wenn man sie bewerten will. Für einen Kanzler oder eine Kanzlerin ist das übrigens nicht das Schlechteste – so werden Festlegungen vermieden, die Gegenreaktionen auslösen. Merkel will sich nicht festlegen lassen; reden, um nichts zu sagen, gehört zu den Standardkünsten eines Politikers. Auch Merkel ist sich ihrer Sprache sehr wohl bewusst und ebenso ihrer gezielten Nicht-Aussagen. Das gilt auch für ihre Reden zur Nation. Sie will sich nicht mit „Links“ anlegen mit Begriffen, die sie in diesem Milieu für provozierend hält. „No Border, no Nation“, sehr weit hat es dieser Slogan gebracht und Merkel passt sich an. Sie schafft damit aber „Rechts“ Misstrauen. Das fällt ihr jetzt im Wahlkampf auf die Füße. Denn nach ihrer Logik hat die CDU die Wahlen bei jungen Frauen in den Großstädten zu gewinnen. Dabei verliert sie dummerweise neuerdings ihre konservativen Stammwähler.
In den Wäldern Sachsens
Ihr freundliches Gesicht nach „Links“ war immer kombiniert mit Missachtung, und brutaler Ausgrenzung des konservativen Parteiflügels – es ist kein Wunder, dass die Gründung der AfD praktisch ausschließlich durch frühere CDU-Miglieder Gauland, Bernd Lucke und Konrad Adam erfolgte, auch Frauke Petry war mit von der Partei. Mit der AfD hat sich aber genau dort ein Block von Modernisierungsgegnern des Merkelkurses gebildet. Viele wählten mit immer noch lauterem Zähneknirschen CDU, andere flüchteten in die Wahlenthaltung. Es ist ein harter Block der Merkel-Gegner um die AfD, der mit schnoddrigen, berlinernden Sprüchen der Kanzlerin nicht zu knacken ist. Jetzt rächt sich, dass Merkel ihre „Flüchtlingspolitik“ genannte Migrationspolitk mit einer Politik der Ausgrenzung jeder noch so vagen Kritik durchsetzte: Wer einmal „Pack“ genannt wird, ist danach immer „Pack“ und stellt fest, dass in Dunkeldeutschland die Bevölkerung rapide wächst. In den dunklen Wäldern Sachsens treffen sich die Stämme der Energiewende-Gegner und der sogenannten Modernisierungsverlierer, die letzten Kirchengebundenen mit frustrierten Mittelständlern, Kritiker der Migrantionspolitik und solche, die an zwei Sorten Klos für Männer und Frauen durchaus festhalten wollen und ein Indianerkostüm noch nicht für gelebten „Rassismus“ halten. Und die Wälder Sachsens werden immer größer und bevölkern sich. „Von der linkslastigen Regierung aus betrachtet beginnt rechts schon dort, wo kürzlich noch die bürgerliche Mitte war. Während linkspopulistisch mit einer 80-Prozent-Mehrheit regiert wird, warnt diese 80-Prozent-Regierung vor ‚Rechtspopulisten'“, spottet Gertrud Höhler.
Die CDU im Schulz-Schock
Diese Ablehnung und Missachtung des konservativen Teils der Wähler wird jetzt Merkels Problem. Denn „Links“ kassiert Martin Schulz jene Stimmen, die bisher der CDU zuflogen, die unter Merkel so weit „Links“ rückte, bis sie mit der SPD der Prägung Gerd Schröders fast deckungsgleich war. Was jetzt „Links“ fehlt, ist „Rechts“ aber nicht zu holen. Die CDU ist im Schulz-Schock. Das spüren auch viele Mitglieder der CDU. Die einstige Kanzlerwahlpartei beginnt sich „Rechts“ aufzudröseln. Zunächst war es nur der konservative „Berliner Kreis“; neuerdings kommt ein „konservativer Aufbruch“ dazu. Die Merkel-Gegner in der Partei beginnen sich zu vernetzen.
Die Liberal-konservativen Reformer , wie ALFA jetzt heißt, suchen Verbündete in der CDU. Schnellen Zulauf erhalten „Konrads Erben“, eine quicklebendige Parteigruppe. Die bedient sich stark sozialer Medien, die für die CDU insgesamt ein Rotes Tuch sind und zu denen Peter Tauber keinen Zugang gefunden hat außer seinem persönlichen, meist peinlichem Twitter-Account, wofür er sich allerdings schon hypermodern vorkommt. Auch Merkels Büchsenspanner Peter Altmaier twittert – neuerdings sogar konservativ.
Die Konservativen regen sich – und die Parteispitze hat es noch gar nicht so richtig gemerkt, dass die CDU plötzlich wieder eine Partei mit zwei Flügeln ist. Und jetzt also Schwarz-Rot-Goldene Fahnen auf den Plakaten? Könnte sein, dass es als Wahlkampf-Gag wahrgenommen wird, als Mimikri. Aber kommt diese Plakatserie wirklich – oder wird sie von der Kanzlerin höchstpersönlich abgehängt?