Tichys Einblick
Torhüterin im Bremserhaus

Ganz neue Ideen: Faeser will bei Sicherheitsrisiken sofort abschieben

Nancy Faeser will „zügig“ Kopien des EU-Rechts anfertigen und sich so als bemühte Innenpolitikerin zeigen. Sie bleibt dabei, was sie ist: eine Defensivspielerin ohne eigene Initiative in den wichtigen Fragen von Asyl, Migration und Grenzschutz. Im roten Bremen wachsen die verbundenen Probleme.

Nancy Faeser bei einer Pressekonferenz zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität und zur Änderung des Sprengstoffgesetzes im Bundesministerium des Innern und für Heimat. Berlin, 02.10.2024

picture alliance / Geisler-Fotopress | Bernd Elmenthaler

Es ist ihr früh eingefallen. Ein Dreivierteljahr nach dem EU-Beschluss zu einem neuen Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS), das auch selbst – sogar nach der vollen Umsetzung – eine zwiespältige Chimäre bleiben dürfte, will Innenministerin Nancy Faeser (SPD) das neue EU-Asylsystem „zügig“ in nationales Recht umsetzen. Das heißt: Sie will dem EU-Recht ein nationales Recht hinzufügen, das sie schon längst auch ganz allein in den Bundestag hätte einbringen können. Aber eigenständiges Handeln ist nicht ihre Stärke.

So soll irgendwann auch an deutschen Flughäfen die 20-Prozent-Regel gelten: Asylbewerber aus Ländern mit geringer Anerkennungsquote (unter 20 Prozent) werden dann in einem Schnellverfahren abgehandelt. Aber es gilt, wie gesagt: Man hätte das längst tun können, und zwar lange vor dem EU-Kompromiss, den man selbst verdünnt hat, wenn man nur gewollt hätte. Im übrigen wird das Faeser-Vorhaben derzeit noch „geprüft und mit der EU-Kommission beraten“. Eigenständiges Handeln bleibt also ausgeschlossen. Es geht um Politik als Reaktionsmodus auf äußere Reize.

Zudem soll in Fällen, in denen „Sicherheits- oder Ordnungsrisiken bestehen“, dem ausreisepflichtigen Ausländer künftig keine Frist mehr zur freiwilligen Ausreise gesetzt werden. Stattdessen soll die sofortige Abschiebung erfolgen, wie die FAZ https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/faeser-legt-gesetzentwuerfe-zu-eu-asylreform-vor-110043075.html berichtet. Gewiss mit dem gewohnten ‚Erfolg‘, der manchmal bei Null liegt, zumal wenn ein ausreisepflichtiger Asylant die Tricks aus dem „Handbook Germany“ der Bundesregierung beherzigt und sich schreiend auf den Boden wirft (TE berichtete). Und nun müsste man eben nur noch nachfragen, was genau Faesers BMI als „Sicherheits- oder Ordnungsrisiko“ ansieht.

Derzeit werden EU-weit nur knapp ein Fünftel der Ausreisepflichtigen auch abgeschoben (18 Prozent). In Deutschland liegt dieser Wert noch niedriger, bei etwa elf Prozent im ersten Halbjahr 2024 (83.182 abgelehnte oder formell erledigte Asylanträge gegenüber 9.465 Abschiebungen).

Bremen stimmt sehr laut ins Klagelied der Kommunen ein

In den Kommunen, Landkreisen und Ländern ist man schon seit einiger Zeit weiter in der Analyse, weil man die Probleme selbst erleben und (vielleicht auch) lösen muss, die andere (im Bund) schaffen. Besonders ausgeprägt ist das in einem Stadtstaat wie Bremen, wo die rot-grün-rote Koalition neuerdings den Asylnotstand als ein Thema entdeckt hat, das auf der Straße herumliegt. Zur Schul-, Kita- und Wohnungskrise kommen noch ungemütlichere Probleme hinzu: „Wir haben seit Sommer 2023 einen massiven Anstieg von Raubüberfällen, den wir eindeutig zuordnen können“, klagt Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) nun sehr laut sein Leid im Weserkurier laut der Welt.

Die meisten dieser Taten gehen demnach „auf das Konto von jungen Männern aus Nordafrika“, wie auch in TE berichtet. Dieses spezifische Bremer Problem gibt es also seit mehr als einem Jahr. Doch die Bundes-SPD hat darauf praktisch nicht reagiert. Geht es sie nichts an, welche Probleme an der Weser, sicher auch an Rhein und Elbe bestehen?

Die Bremer Roten, Grünen und Linken waren freilich auch lange nicht als Gegner, sondern als phrenetische Befürworter der Asylmigration bekannt. Die hanseatische Liberalität und Freigiebigkeit galt auch und vor allem für die Neuankömmlinge. Die nahen Grenzen zu den Niederlanden, nach Belgien und Frankreich taten ein übriges. Banden mit ursprünglicher Herkunft aus Nordafrika haben sich im Bundesland Bremen ausgebreitet. Noch nicht ganz klar ist aber, ob und inwieweit Mäurer ein Einzelkämpfer in den linken Fraktionen ist, die den Senat stützen.

Faeser als Torhüterin im Bremserhaus

Nun liest man wieder viel von einer „Überforderungsdebatte auf dem Rücken“ der Zuwanderer (Schulsenatorin Sascha Aulepp) und von „Zuwanderung als „humanitäre Verpflichtung“, „Herausforderung“ und „Chance für die wirtschaftliche und soziale Zukunft unseres Bundeslandes“ (Sozialsenatorin Claudia Schilling). Nur gut, dass es immer die weichen Ressorts sind, aus denen derart profunde wirtschaftswissenschaftliche Analysen kommen.

Aber solche Worte verlieren in dem Maße rapide an Glaubwürdigkeit, in dem die Migrationsdebatte auf dem Rücken der Staatsbürger und Steuerzahler geführt wird. Bürgermeister Andreas Bovenschulte meint aber dann doch, dass „Bremen und Bremerhaven wie fast alle Städte in Deutschland bei der Aufnahme und Integration von geflüchteten Menschen vor sehr großen Herausforderungen stehen“. Um dieses Problem zu „bewältigen“, verlangt Bovenschulte eine „konsequentere Steuerung und Verteilung von Zuwanderung“ – was auch immer das heißen mag. Denn wo sollen die Zuwanderer denn hin, wenn sie einmal „da sind“? Eine wirkliche Steuerung könnte nur in jenem konsequenten Schutz der Grenzen bestehen, den Nancy Faeser verweigert. Die Reaktion der Senatorinnen zeigt aber auch, dass das Wohlwollen gegenüber den Zuwanderern noch im Senat vorhanden ist. Und das lockt weitere Kostgänger nach Bremen.

Faeser will derweil „deutlich machen, dass nicht alle Asylbewerber, die in die EU kommen, nur bei uns in Deutschland aufgenommen werden können“. Auch das sind ganz neue (Block-) Flötentöne der Ministerin. Noch bei der Aushandlung des GEAS konnte es für Faeser und Außenministerin Baerbock nicht genug Ausnahmen von jenen Regeln geben, die andere EU-Mitglieder sich für die Außengrenzen wünschten. Sie sollte folglich konkreter werden, wenn sie etwas „deutlich machen“ will.

Faeser wird auch weiterhin, wo immer es geht, im Bremserhaus sitzen. Das ist der Platz am Ende eines Zugs, der fürs Verlangsamen und Stoppen zuständig ist. Dabei wird sie in rhetorischen Ausfällen so tun, als ob sie sehr bemüht bei der Arbeit wäre. In Wahrheit scheut Faeser aber in Migrations-, Asyl- und Grenzschutzfragen jede Initiative, spielt rein defensiv. Und das scheint ihre zweigeteilte Aufgabe als Innenministerin in diesem Bundeskabinett: Torhüterin im Bremserhaus.

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