Tichys Einblick
Zuliefererindustrie

ZF Friedrichshafen im Schatten der Krise – Werksschließungen und Massenentlassungen drohen

Die Automobilkrise hat sich inzwischen erheblich auf die Zuliefererindustrie ausgeweitet. ZF Friedrichshafen hatte daraufhin bereits im Juli drastische Stellenkürzungen angekündigt. Nun macht der Konzern ernst und droht mit großangelegten Werksschließungen in ganz Deutschland.

IMAGO / Funke Foto Services

Die gesamte Automobilindustrie sieht sich der anspruchsvollen Herausforderung der grünen Transformation gegenüber, wobei Zulieferer wie ZF aufgrund ihrer starken Abhängigkeit von den Aufträgen der Automobilhersteller besonders stark betroffen sind. Darüber hinaus hat sich der Konzern aus Friedrichshafen in den vergangenen Jahren durch zahlreiche Zukäufe und Investitionen in neue Technologien erheblich verschuldet und sieht sich jährlich mit Zinszahlungen von über einer halben Milliarde Euro konfrontiert.

Um die Dimensionen dieser Investitionen zu verdeutlichen: Im Jahr 2015 übernahm ZF den amerikanischen Zulieferer TRW für stolze 13,5 Milliarden Euro. Eine weitere bedeutende Übernahme war der Erwerb von Wabco, für rund 7 Milliarden Euro.

Angesichts dieser Krise hatte sich das hochverschuldete Unternehmen erst im Frühjahr einem strengen Sparprogramm unterworfen. In diesem und im kommenden Jahr sollen die Kosten weltweit um etwa sechs Milliarden Euro gesenkt werden, wie im Februar bekannt gegeben wurde. Im Juli kündigte CEO Holger Klein daraufhin an, bis Ende 2028 in Deutschland zwischen 11.000 und 14.000 Stellen abzubauen. Derzeit beschäftigt das Unternehmen rund 54.000 Mitarbeiter in Deutschland.

Diese Maßnahme beinhaltet die Bündelung von Standorten und die Straffung von Strukturen, was auch Verkäufe von Sparten und die Schließungen von Werken zur Folge haben wird. Laut einem Bericht der Wirtschaftswoche sollen die Schließungen der ZF-Werke in Gelsenkirchen, Damme und Eitorf bereits in trockenen Tüchern sein.

Das ZF-Werk in Gelsenkirchen im Stadtteil Schalke wird zum Ende des Jahres 2024 geschlossen. Rund 200 Mitarbeiter, die sich auf die Herstellung von Pkw-Lenkungen, hydraulischen Lenkungen und Kabelsets spezialisiert haben, sind davon betroffen. Für die Standorte in Damme und Eitorf hingegen liegen bislang weder genaue Informationen über die Anzahl der betroffenen Arbeitsplätze noch über die exakten Schließungsdaten vor.

Die Situation beim Automobilzulieferer ZF spitzte sich jedoch zuletzt noch weiter zu. Erst vor zehn Tagen korrigierte das Unternehmen seine Jahresprognose drastisch nach unten: Für das Jahr 2024 wird nun nur noch ein Umsatz zwischen 42,5 und 43,5 Milliarden Euro erwartet. Im vergangenen Jahr konnte ZF noch einen Umsatz von über 46,6 Milliarden Euro verzeichnen, was einem Rückgang von etwa 6,5 Prozent entspricht.

Diese Anpassung der Prognose ist vor allem auf den Rückgang der Bestellungen von Automobilherstellern zurückzuführen, die selbst mit den Problemen im Bereich der Elektromobilität zu kämpfen haben.

Außerdem ist jetzt klar, die Zahl der Werksschließungen könnte den bisher erwarteten Rahmen deutlich sprengen. „Es gibt eine Liste von Werken, die möglichst schnell geschlossen werden sollen“, bestätigt ZF-Gesamtbetriebsratschef Achim Dietrich im Interview mit dem Handelsblatt. Über ein Drittel der deutschen Produktionsstätten steht dabei im Fokus dieser Maßnahmen.

Er warnt zudem davor, dass das Ausmaß des angekündigten Stellenabbaus nicht nur theoretische Zahlen sind, sondern reale Abbauziele der Unternehmensspitze darstellen. Dietrich geht sogar von einem möglichen Abbau von bis zu 18.000 Arbeitsplätzen aus.

In Bezug auf die Schließungen Eitorf und Gelsenkirchen fordert Dietrich den Erhalt dieser Standorte und schlägt mögliche Kooperationen mit Investoren vor, um auf diese Weise Arbeitsplätze zu sichern. Außerdem drängt der Betriebsratschef darauf, dass die IG Metall einen Tarifvertrag aushandelt, der den Beschäftigten während der Transformation Sicherheit bietet.

Doch nicht nur ZF befindet sich in dieser angespannten Situation, auch andere Automobilzulieferer sehen sich mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert.

 

Continental ist ein gutes Beispiel hierfür: Der Konzern plant seit geraumer Zeit, sich zunehmend vom Zuliefergeschäft abzuwenden und verstärkt auf das deutlich profitablere Reifengeschäft zu konzentrieren. Aufgrund des dramatischen Nachfrageeinbruchs im Bereich der E-Autos – welche im August in Deutschland im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um fast 70 Prozent zurückging – beabsichtigt der Konzern seine Zulieferersparte abzutrennen. Die Automobilsparte des Konzerns soll bis Ende 2025 vom Reifengeschäft getrennt werden und als separates Unternehmen an die Börse gehen.

Noch gravierender ist die Lage bei Recaro. Der renommierte schwäbische Autositzhersteller hatte erst vor kurzem Insolvenz anmelden müssen. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten von Recaro sind ebenfalls auf die Herausforderungen zurückzuführen, die mit der Umstellung auf die E-Mobilität einhergehen – ein Thema, das die gesamte deutsche Automobilbranche betrifft.

Neben dem weltweiten Rückgang der Nachfrage nach Elektroautos, insbesondere im Hinblick auf China, spielen auch die strengen EU-Richtlinien, die festgelegten Flottengrenzwerte sowie das angestrebte Verbot von Verbrennungsmotoren eine entscheidende Rolle. Darüber hinaus belasteten die enormen Standortkosten, geprägt von hohen steuerlichen Abgaben, erdrückender Bürokratie und vor allem den exorbitanten Energiekosten in Deutschland, die Situation von Recaro erheblich.

Die deutsche Wirtschaftspolitik ist eng mit den Regulierungen aus Brüssel verknüpft und trägt erheblich zur alarmierenden Zunahme von Insolvenzen und Stellenstreichungen bei. Auch der desolate Zustand der heimischen Automobilindustrie sowie anderer Branchen ist eine direkte Folge dieser Politik.

Es scheint, als würde kein Unternehmen, das auch nur ansatzweise mit dem Automobil-Sektor verbunden ist, von den verheerenden Folgen der Krise verschont bleiben. Immer deutlicher wird, dass die gegenwärtige Lage keineswegs mehr als vorübergehende Notsituation betrachtet werden kann. – Deutschland steuert unaufhaltsam auf eine tiefgreifende Rezession zu.

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