Machen wir ganz kurz eine klitzekleine Zeitreise: Es ist Mittwoch, der 19. September 1951, da verleiht der damalige Bundespräsident Theodor Heuss dem Bergmann Franz Brandl das allererste „Bundesverdienstkreuz am Bande“ der noch jungen Bundesrepublik Deutschland.
Der Kumpel aus Nentershausen in Ost-Hessen war Heimatvertriebener und Spätheimkehrer – ein vom Krieg und insgesamt vom Schicksal gezeichneter Mann also. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich denkbar hart und schwer im Kupferbergwerk Sontra. Dort entdeckte er eines Tages in etwa 300 Metern Tiefe einen Wassereinbruch. Doch anstatt sich – wie fast alle anderen – im schwierigen und mühevollen Aufstieg aus dem überfluteten und einsturzgefährdeten Schacht selbst in Sicherheit zu bringen, kehrte er um und rettete zwei Kameraden das Leben.
Ein Vorbild an Menschlichkeit. Ein Mann, der Zusammenhalt lebte. Ein Held.
Springen wir zurück in die Gegenwart. Da hat der heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dasselbe „Bundesverdienstkreuz am Bande“ an die Hochschullehrerin Alena Buyx verliehen. Krieg und Vertreibung kennt die 47-Jährige nur aus dem Geschichtsbuch. Sie stammt aus einem wohlhabenden Elternhaus und hat ihr Leben lang ausschließlich an akademischen Einrichtungen gearbeitet – also auf Kosten des Steuerzahlers. Die einzige Industrie, die sie aus eigener Erfahrung kennt, ist die staatsgläubige und regierungsergebene Belehrungsbranche.
Groß geworden ist die gebürtige Osnabrückerin als mediale Hilfskraft von Angela Merkel in der Corona-Zeit. Die Kanzlerin hatte dafür gesorgt, dass eine ganze Reihe von dubiosen Beratungsgremien von willigen Anhängern und vor allem Anhängerinnen geleitet wurden: Die „NoCovid“-Extremistin Melanie Brinkmann im Corona-Beraterstab der Kanzlerin gehörte ebenso dazu wie Alena Buyx an der Spitze des „Deutschen Ethikrats“.
Dort erfüllte sie die ihr zugedachte Aufgabe:
Sie lieferte wissenschaftlich anmutenden Begleitschutz für jede noch so abwegige Corona-Maßnahme der Merkel-Regierung. Dabei machte sie keine Gefangenen: Buyx ließ zu, dass aus ihrem „Rat“ gefordert wurde, Ungeimpfte auf den Intensivstationen nicht mehr zu behandeln – denn die seien an ihrem Zustand ja selbst schuld. Nach dieser Logik hätte man dann allerdings auch Rauchern mit Lungenleiden die medizinische Versorgung verweigern müssen. Oder Selbstmördern, deren Suizidversuch fehlgeschlagen war. Oder Freizeitfußballern mit verstauchtem Knöchel.
Die extreme inhaltliche Schwäche und philosophische Absurdität ihrer Argumentation hielt Buyx nicht davon ab, immer neue Unglaublichkeiten nachzuschieben: Im Juni 2021 schwärmte sie vor einem Millionenpublikum bei Markus Lanz von den Corona-Impfstoffen: „Das ist ja so ein elegantes Verfahren. (…) Die zerfallen, dann werden die abgebaut, dann sind die weg. Die kann man nach zwei Wochen überhaupt nicht mehr nachweisen im Körper.“
Leider erwies sich das wenig später als, nun ja, fundamental falsch. Tatsächlich können die sogenannten Spike-Proteine der Impfstoffe sogar in die Muttermilch übergehen. Diese Vermutung, aus der schnell eine gesicherte Erkenntnis wurde, hatten Buyx und ihr „Ethikrat“ zuvor vehement als absurd diffamiert.
Buyx genoss das Scheinwerferlicht und die öffentliche Aufmerksamkeit sichtlich immer mehr. Auch die Gelegenheit, medienwirksam auf den heutigen Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft einzuprügeln, ließ Frau Professorin nicht ungenutzt. Joshua Kimmich hatte ja erklärt, dass er lieber noch etwas abwarten wollte mit der Impfung. Das lief aber voll gegen die Regierungslinie, Kimmich wurde daraufhin öffentlich geradezu vernichtet. Auch hier erfüllte Buyx ihren Auftrag: Es sei „extrem unwahrscheinlich, dass da irgendwelche Langzeitfolgen entstehen“, sagte sie.
Da waren die Beschwerden von zahllosen Impfgeschädigten schon längst bekannt.
Mittlerweile hat sich der Wind in Sachen Corona bekanntlich gedreht. Jetzt bläst er Buyx von vorne kräftig ins Gesicht. Wenig überraschend, warnt sie nun eindringlich vor einer allzu detaillierten Aufarbeitung der Corona-Zeit. Denn dann müsste sie wohl mit einiger Berechtigung erwarten, dass es statt unschuldigen Ungeimpften diesmal ihr an den Kragen geht.
Sichtlich entgeistert fragte sich jüngst die „Berliner Zeitung“, wie eine studierte Ärztin, eine angebliche Wissenschaftlerin, eine Professorin gar, in entscheidenden Momenten so falschliegen konnte. Die wahrscheinlichste Antwort ist: Alena Buyx gehört zur Generation Durchlauferhitzer.
Deutschland erlebt den Aufstieg von begabten Blendern mit narzisstischen Zügen. Deren akademische Leistungen sind überschaubar, dagegen ist ihr Ehrgeiz so gigantisch wie ihr Opportunismus und ihr Selbstdarstellungsbedürfnis. In der bleiernen Merkel-Zeit ist dieser Typus geradezu herangezüchtet worden, jetzt ist er gereift und drängt seit ein paar Jahren ganz nach vorne.
Allerdings scheint diese Generation ihren Zenit auch schon wieder überschritten zu haben: Ricarda Lang musste ihren Stuhl inzwischen ebenso wieder räumen wie Omid Nouripour. Emilia Fester ging selbst ihren eigenen Grünen irgendwann so auf die Nerven, dass die 26-Jährige von ihrer Partei nur noch auf einen aussichtslosen Listenplatz gewählt wurde und im kommenden Jahr absehbar (und völlig zurecht) wieder aus dem Bundestag fliegt. Und Annalena Baerbock fliegt zwar noch im Bundeswehr-Jet um die Welt, aber auch das wohl nicht mehr allzu lange.
Trotzdem bekommt Alena Buyx jetzt noch schnell mal das Bundesverdienstkreuz. Warum?
Preisverleihungen sind in Deutschland mittlerweile insgesamt eine recht traurige Angelegenheit. Ganz oben auf der Liste der Rohrkrepierer steht zunächst das, was sich bei uns „Journalismus“ nennt. Den Pulitzer-Preis in den USA gewinnt man, wie Carl Bernstein und Bob Woodward, wenn man tatsächlich kriminelle Machenschaften aufdeckt und danach ein Präsident zurücktritt. Einen Reporter-Preis in Deutschland gewinnt man, wie Claas Relotius, wenn man beim „Spiegel“ Geschichten erfindet und die eigene Redaktionsleitung angestrengt wegguckt.
Auch hier schreitet der Irrsinn voran. Während Relotius seine Preise einheimste und seine Betrügereien zumindest erst danach aufflogen, war bei Jan Böhmermann sogar gerichtlich schon bekannt, dass er Fake News verbreitet. In vollem Bewusstsein seiner Fantasiegeschichten wurde ihm trotzdem der Deutsche Fernsehpreis verliehen, und er hat ihn natürlich angenommen. Mehr will man über den Preis, die Jury und Böhmermann dann auch gar nicht wissen. Muss man auch nicht.
Gleich nach der journalistischen kommt die staatliche Auszeichnungsindustrie.
Hier wie dort verleiht eine geschlossene Gesellschaft Preise an sich selbst. In beiden Fällen handelt es sich also letztlich um ein recht schamloses Eigenlob. Bei den Journalisten heißen die Preise „Awards“, im Staatswesen heißen sie „Orden“. Ansonsten gibt es kaum einen Unterschied. Pompös verliehen werden sie alle, und die Preis- bzw. Ordensträger sind heutzutage überall gleich fragwürdig.
Es ist schade, dass Menschen mit echten Verdiensten um das Land, die mal völlig zurecht mit einem Bundesverdienstkreuz geehrt wurden, jetzt dabei zusehen müssen, wie diese einstmals völlig zurecht respektable Auszeichnung inzwischen auch noch dem letzten Dödel hinterhergeworfen wird. Das war ja nicht immer so.
Von Franz Brandl 1951 zu Alena Buyx 2024: Was ist da zwischendurch passiert?
Die finale Phase im Ansehens- und Bedeutungsverlust des Bundesverdienstkreuzes hat einen Namen: Frank-Walter Steinmeier. Der 68-Jährige ist ideologisch wie menschlich eine der anerkannt unangenehmsten Figuren, die der deutsche Politikbetrieb nach dem Zweiten Weltkrieg hervorgebracht hat.
Steinmeier ist ein Intrigant. Unvergessen bleibt, wie er im September 2008 den damaligen SPD-Chef Kurt Beck absägte, um sich selbst als Spitzenkandidat für die Bundestagswahl zu inthronisieren. Dass er dann das bis dahin historisch schlechteste Wahlergebnis eines sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten holte, dürfte ihm egal gewesen sein: Er rettete sich in die Große Koalition, machte Angela Merkel zur Kanzlerin, und die machte ihn im Gegenzug zum Außenminister.
Steinmeier ist anmaßend. Man kann gegen den Ex-SPD-Vorsitzenden Martin Schulz ja vieles sagen – aber als er die Bundestagswahl 2013 krachend verlor, reagierte er persönlich ehrenhaft und politisch verantwortungsvoll: Er wollte die Sozialdemokraten in die Opposition führen. Steinmeier hatte etwas dagegen.
Wenige Monate zuvor hatte Merkel ihren Ex-Außenminister zum Bundespräsidenten gekungelt. Und wieder zahlte Steinmeier zurück: Aus dem Schloss Bellevue heraus trieb er die SPD in eine neuerliche Große Koalition – obwohl der Bundespräsident bei der Bildung einer Bundesregierung nach dem Grundgesetz nun wirklich keine Rolle spielen soll. Doch Steinmeier sicherte Merkel dadurch eine weitere relativ ruhige Kanzlerschaft. Win-win nennen das die Angelsachsen, und Verfassungen werden ja sowieso überschätzt.
Steinmeier ist ein Opportunist: Mehrere Jahrzehnte verbrachte er als Büchsenspanner erst für Gerhard Schröder, dann für Angela Merkel – was er sich von beiden mit verschiedenen Staatsämtern jeweils gut entlohnen ließ.
Seit er nun ohne politisch Vorgesetzten im Schloss Bellevue sitzt und eigene Einfälle haben müsste, zeigt sich, dass das Amt zu groß ist für ihn.
Steinmeiers Politikverständnis definiert sich von oben. Der geschätzte Kollege Alexander Wendt hat eindrucksvoll dargestellt, wie in den Büchern von „Frank-Spalter“ mit Händen zu greifen ist, dass der Mann die Gesellschaft immer nur vom Staat her denkt, von der Verwaltung, von der Bürokratie. Für den aktuellen Bundespräsidenten ist der Bürger im Wortsinn ein Untertan: Objekt paternalistischer Zwangsfürsorge oder Befehlsempfänger, oder beides. Für Steinmeier sind die wichtigsten Menschen im Staat nicht die einfachen Bürger, sondern diejenigen, die den Staat vertreten: die politische Klasse. Dazu gehören auch alle, die die staatlichen Organe unterstützen.
Menschen wie Alena Buyx.
Sie stand stets auf und an der Seite der Macht. Dafür bekommt sie jetzt einen Staatsorden – so wie vorher schon die Maßnahmenliebhaberin Mai Thi Nguyen-Kim vom ZDF und der berüchtigte Christian Drosten von der Charité. Nicht mehr auf die individuelle Leistung für die Gesellschaft kommt es an, sondern allein auf die nachgewiesene Nützlichkeit für den Staatsapparat.
35 Jahre nach dem Mauerfall fällt das Land zurück in einen Obrigkeitswahn, den nur wenige nochmal für möglich gehalten hätten. Dass der Bundespräsident des wiedervereinigten Deutschlands nun Orden verteilt an unkritische Mitläufer statt an mutige Lebensretter:
Das ist vielleicht die traurigste Botschaft an diesem Jahrestag der Deutschen Einheit.