Tichys Einblick
KAMPAGNE GEGEN ISRAEL

„Gute Juden, schlechte Juden“

Unsere Medien lieben die jüdischen Kronzeugen gegen Israel. Noam Chomsky, Judith Butler, David Grossman oder Meron Mendel werden in den Vordergrund gerückt. Auch israelische Wissenschaftler, Künstler und Schriftsteller profilieren sich im Ausland gern mit heftiger Kritik an ihrem Staat.

Kein Land hat mehr Feinde als Israel. Kein Volk ist verhasster als das jüdische Volk. Keine Religionsgemeinschaft leidet mehr unter Verfolgung, Diskriminierung und Verleumdung als die der Juden.

Sie werden seit Jahrtausenden, zuweilen grausam und mörderisch, verfolgt; sie haben auch heute die überwältigende Mehrheit der Völkergemeinschaft gegen sich. Todfeinde vor allem in der islamischen Welt haben sich ihre Vernichtung auf die Fahnen geschrieben. Dennoch ist es den Juden gegen alle Widerstände gelungen, einen eigenen, wehrhaften, militärisch gefürchteten und ökonomisch blühenden Staat zu etablieren und diesen seit 76 Jahren gegen Armeen und Terroristen, gegen Judenhass und Missgunst in aller Welt zu verteidigen.

Im winzig kleinen Israel – kaum größer als Hessen – leben heute weniger als die Hälfte der etwa 15 Millionen Juden weltweit. Seit der Staatsgründung 1948 kämpft Israel immer wieder um seine Existenz. Dabei gibt es keineswegs nur Feinde von außen. Wie schon seit jeher gibt es jüdische Kronzeugen gegen das jüdische Volk; selbst die Nazis nutzten bei ihrem Vernichtungsfeldzug gegen die Juden jüdische Kollaborateure.

In den 1920ern gab es sogar jüdische Intellektuelle wie den österreichischen Philosophen Arthur Trebitsch, die als glühende Antisemiten galten. Das Phänomen des jüdischen Selbsthasses erklärte der deutsche Philosoph Theodor Lessing (1872–1933) mit den jahrhundertealten Verfolgungs- und Diskriminierungserfahrungen des jüdischen Volkes, dem „erniedrigenden Selbstgefühl lange Versklavter“.

Um gesellschaftlich akzeptiert zu werden, versuchten Juden sich vor allem Anfang des 20.  Jahrhunderts bestmöglich anzupassen und zu assimilieren; in Deutschland wollten sie deutscher sein als die Deutschen, versuchten oft, sich mit der Kritik am Judentum als wahre Nationalgesinnte zu profilieren. Der liberale Politiker Walter Rathenau (1867–1922) stritt als Außenminister nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg für die Interessen Deutschlands. Der entschiedene Antizionist empfahl seinen jüdischen Landsleuten eine „Anartung“ an die Deutschen und radikale Anpassung. 1922 wurde er von rechtsradikalen Antisemiten ermordet. So gut wie alle Anstrengungen von Juden in der europäischen Diaspora um gesellschaftlichen Respekt waren zum Scheitern verurteilt.

Eine Richtigstellung
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Die prominenten Juden und Israelis, die sich heute als scharfzüngige „Kritiker“ Israels profilieren, weisen jeden Vorwurf von Judenfeindlichkeit weit von sich; aber die zuweilen leidenschaftliche Positionierung gegen den jüdischen Staat, dem nach Diaspora und Holocaust einzig sicheren Zufluchtsort der Juden und zweifellos ihre Heimat seit biblischen Zeiten, kann allerdings schwerlich anders interpretiert werden als mit antisemitischen Motiven.

„Ein antizionistischer Jude ist tendenziell ein Antisemit“, betonte der heutige „Welt“-Kolumnist und Betreiber des Weblogs „Achse des Guten“ Henryk M. Broder schon 1986. Der Antizionismus sei für Nichtjuden wie für Juden nur eine Ausrede, „ihren Antisemitismus in einer politisch aseptischen Form präsentieren zu können“.

Der Publizist bewirkte 2007 die Bestätigung durch ein deutsches Gericht, dass es auch einen jüdischen Antisemitismus gibt. Broder hatte den Autor und Holocaust-Überlebenden Hajo Meyer des Antisemitismus beschuldigt. Meyer verglich die Politik Israels mit der der Nationalsozialisten und verteidigte die These, die Juden hätten es „auf die Weltherrschaft“ abgesehen.

„Sich selbst hassende Juden“

Sogar Organisationen, die sich als jüdisch oder israelisch bezeichnen, profilieren sich oft mit radikaler Israel-Kritik. Alan Dershowitz, emeritierter Harvard-Rechtsprofessor, spricht von den „sich selbst hassenden Juden“, die es vor allem unter amerikanischen Intellektuellen gebe.

Ein bemerkenswertes propagandistisches Kunststück gelingt dem US-Milliardär George Soros. Neben seinem Feldzug für eine woke, grün-sozialistische Welt unterstützt der 93-Jährige massiv Organisationen, die Israel vehement kritisieren und zuweilen mit antisemitischen Gruppen kooperieren: Wer aber den „Philanthropen“ kritisiert, den beschimpft der gebürtige Ungar mit jüdischen Wurzeln schnell als „antisemitisch“.

Organisationen wie New Israel Fund, J Street oder Jewish Voice for Peace (JVP), allesamt von Soros unterstützt, dienen vor allem der Delegitimierung Israels unter einem jüdischen Deckmantel. Soros finanziert zudem – meist über seine Open Society Foundation – viele arabische und muslimische Gruppen wie die Al-Haq oder die Arab American Association.

Für den konservativen israelischen Publizisten Daniel Greenfield erklärt die problematische Familiengeschichte von Soros am besten dessen „Krieg gegen die Juden“: Sein Vater war in der Nazizeit massiv an der Enteignung von Juden beteiligt.

Auch dank der propalästinensischen Aktivitäten von Soros ist die Unterstützung Israels durch die etwa sechs Millionen Juden in den USA weniger selbstverständlich als früher. Umfragen zeigen, dass das Existenzrecht Israels für die große Mehrheit der US-Juden wesentlich ist, dass es aber auch, insbesondere bei der Jugend, zunehmend Israel-kritische Stimmen gibt.

Opfer in Gaza als Propagandamaterial
Die Hamas ist der Feind der Palästinenser
Eine offen propalästinensische Position vertritt die JVP-Aktivistin Alice Rothchild (76), die sich als „sich selbst hassende Jüdin“ bezeichnet. Sie rühmt die „sozialen Taten“ der Hamas, auch wenn diese in Wirklichkeit enorme Summen an internationalen Hilfsgeldern für ihren Terrorkampf abzweigte. Auch die Parole „From the River to the Sea“ (vom Jordan bis zum Mittelmeer), die eine Auslöschung Israels impliziert, irritiert Rothchild und ihre Freunde kaum. Die „Jüdische Rundschau“ hat die JVP, die sich brüstet, „Juden für den Frieden“ zu vereinen, wohl zu Recht als eine „antiisraelischen Hassgruppe“ beschimpft.

Auch die jüdische Gender-„Philosophin“ Judith Butler (68) gilt als Israel-Hasserin. Für das Idol der weltweiten Queer-Bewegung ist ein jüdischer Staat überflüssig. Sie plädiert für einen „jüdischen Widerstand gegen den Zionismus“, das sei „Teil einer progressiven jüdischen Tradition“. Diese Argumentation scheint genauso kraus, wirr und realitätsfremd zu sein wie wohl das gesamte Werk Butlers. Nach dem 7. Oktober 2023 bezweifelte Butler sogar israelische Zeugenaussagen über das Hamas-Massaker; dabei belegten vor allem Videos islamistischer Terroristen die Morde, Folterungen und Vergewaltigungen.

Verständnis für barbarische Mörder

Verständnis für die barbarischen Taten der Hamas und des Islamischen Dschihad zeigte auch der Politologe Norman Finkelstein. Der Autor des Buches über die „Holocaust-Industrie“ (erschienen 2000), in dem er Israel beschuldigt, den Holocaust „politisch auszunutzen“, gilt seit Langem als verlässliche Quelle für die Delegitimierung Israels.

Unmittelbar nach dem 7. Oktober lobte Finkelstein den „heldenhaften Widerstand“ der Palästinenser. „Was sollten die Menschen in Gaza denn tun?“, fragte Finkelstein rhetorisch und rechtfertigte damit kaum verhohlen das grauenvolle Massaker. Auch Finkelsteins Mentor, der Star-Linguist und Politik-Bestseller-Autor Noam Chomsky, bekommt seit Jahrzehnten mit seiner heftigen Israel-Kritik viel Aufmerksamkeit. Chomsky, als Jugendlicher selbst Zionist, prangert Israels Siedlungspolitik als „systematische Kampagne der Judaisierung“ des Westjordanlands an.

Wegen dieser Politik gebe es trotz des „seit Jahrzehnten bestehenden internationalen Konsenses zu einer Zweistaatenlösung noch keinen Palästinenserstaat“, so der 96-Jährige. Höchst irritierend, wenn ein Geisteswissenschaftler an einem arabischen Narrativ festhält, das kaum den historischen Fakten und Entwicklungen entspricht.

Chomsky ignoriert – wie viele andere auch – nicht nur die Entschlossenheit starker Kräfte in der islamischen Welt, Israel von der Landkarte zu tilgen; Chomsky verleugnet auch, dass bei Friedensgesprächen selbst großzügigste Angebote der Israelis, wie enorme Reparationszahlungen und die Beseitigung fast aller Siedlungen im Westjordanland, für die Palästinenser nicht ausreichend für einen Frieden waren.

Israel steht, sobald der Nahostkonflikt wieder aufflammt, schnell am Pranger der Weltöffentlichkeit. Sogar nach dem 7.  Oktober 2023 war binnen Tagen nur von der befürchteten israelischen „Überreaktion“ die Rede.

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Geht es um Kritik an Israel, steht eine große Schar jüdischer Intellektueller als Kronzeugen für Israels Fehler und Verbrechen bereit. Das Mitgefühl für die notleidende palästinensische Bevölkerung soll als Beleg dafür dienen, dass sie als „gute Juden“ wahrgenommen werden. Heutzutage gebe es zwei Arten von Juden, den „guten“ und den „schlechten, schrieb die Kolumnistin Deborah Wiener folgerichtig in der „Times of Israel“: „Es gibt den Juden, der stolz darauf ist, ein Jude zu sein, der … anerkennt, dass die große Mehrheit der Juden in Israel und in der Diaspora Zionisten sind. […] Sie glauben an das Recht der Juden auf Selbstbestimmung in ihrem alten Heimatland.“ Das seien aber für den größten Teil der Welt die „schlechten Juden“. „Gute Juden“ seien regelmäßig in den Medien präsent. Sie bekämen ihren Auftritt, um sich von den „bösen Juden“ distanzieren zu können. Sie gebrauchten das Wort Zionist „mit dem gleichen Ekel, den die meisten Menschen für Pädophile oder Tierquäler verwenden“, so Wiener.

Die „guten Juden“ ließen sich auf propalästinensischen Kundgebungen, bei Podiumsdiskussionen und auf Kulturveranstaltungen feiern, erwähnten arabische Massaker und Geiselnahmen nur selten, um dann umso heftiger Israels Regierung und Militär anzugreifen. „Gute Juden“ hofften auf „Akzeptanz und Liebe“, schreibt die Kolumnistin.

„Jüdische Antizionisten“

Broder vermutet jüdischen Selbsthass hinter dem Phänomen des „jüdischen Antizionisten“. Dieser idealisiere die Araber und dämonisiere die Juden, „und er schleicht sich damit in das Gemüt der Antisemiten ein. Obwohl er sozusagen beim nächsten Transport einen Platz am Fenster auf sicher haben würde“, spottete der Publizist. Am 7.  Oktober 2023 hatten Hamas und Dschihadisten tatsächlich deutlich gemacht, wie gleichgültig es ihnen ist, ob der Jude vor ihnen nun ein bekannter Friedensaktivist oder Unterstützer der „palästinensischen Sache“ sei. Ermordet, gefoltert oder verschleppt wurden sie allesamt. Jude sein genügt für den Schuldspruch.

Besonders jüdische Künstler gefallen sich in der Rolle des „guten Juden“. Der britische Regisseur Jonathan Glazer prangerte im März bei der Oscarverleihung vor der Schar woker Hollywoodstars Israel besonders perfide an. Er sprach über die „Besatzung, die den Holocaust kapert“, um dann indirekt das Hamas-Massaker mit dem Vorgehen der israelischen Armee gleichzusetzen: „Alle sind Opfer der Entmenschlichung“, sagte er mit dem Pathos des hochsensiblen Intellektuellen. Das passte ins Bild. Der jüdische Filmemacher Yuval Abraham hatte kurz zuvor auf der Berlinale unverhohlen die angebliche „Apartheidpolitik“ der Israelis im Westjordanland angegriffen.

Als besonders „guter Jude“ hat sich auch der Leiter der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt, Meron Mendel, erwiesen. Kaum ein anderer Vertreter der knapp 100.000 Juden in Deutschland äußert so viel Verständnis für propalästinensische, zuweilen sogar antisemitische Gruppen wie der Historiker. Der deutsch-israelische Autor Omri Boehm wollte da nicht hinterherhinken und „gestand“ im März auf der Buchmesse in Leipzig vor großem Publikum, dass Israels Krieg in Gaza ihn in seiner jüdischen und israelischen Identität „tief beschämt“. Boehm, der für einen „radikalen Universalismus“ eintritt, schwärmt von einem gemeinsamen, „postnationalen“ Staat für Juden und Palästinenser – und damit für die Aufgabe des jüdischen Staates. Dem Utopisten gelingt es offensichtlich mühelos, die bitteren historischen Erfahrungen von Juden als Minderheit in einer islamischen Welt zu ignorieren.

Israel
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Auch in Israel sind namhafte Persönlichkeiten gern bereit, gegen ihr Land auszusagen. Wer will schon einem so renommierten Schriftsteller wie David Grossman widersprechen, der sich leidenschaftlich für „Aussöhnung“ mit den Arabern ausspricht und für eine Zweistaatenlösung plädiert. Allerdings klingt seine Argumentation immer so, als ob vor allem die Rechten, die Religiösen und die Siedler in Israel das eigentliche Hindernis dafür wären.

Selbstanklagen und Moralisieren

Typisch für alle Friedensbewegten ist das Ausblenden der Geschichte: die Weigerung der Palästinenser, den jüdischen Staat wirklich anzuerkennen, das Beharren der wichtigsten palästinensischen und islamistischen Gruppen darauf, Israel als Staat auszulöschen, und insbesondere die Realität des gnadenlosen globalen Terrors gegen Juden.

Israelische Selbstzweifel hängen natürlich auch mit der tiefen Identitätskrise der modernen westlichen Welt zusammen. Die Selbstanklagen der Europäer wegen ihrer imperialistischen Kolonialvergangenheit, wegen Rassismus und Ausbeutung des „globalen Südens“ finden im modernen jüdischen Staat in modifizierter Form ihren Widerhall.

Wie in der übrigen westlichen Welt wird auch in Israel selbst von manchen die Verantwortung für Krieg und Krisen, Ungerechtigkeiten und Missstände in der eigenen Geschichte gesucht. Diese Sicht pflegen in Israel vor allem die politische Linke und zahlreiche NGOs, die meist massiv aus dem Ausland unterstützt werden.

Sie, ebenso wie alle „Israel-kritischen“ jüdischen Intellektuellen und Künstler, sind in Gefahr, historisch betrachtet lediglich „nützliche Idioten“ der Islamisten zu sein. Wobei das Ziel, Israel auszulöschen, ziemlich sicher nur eine Etappe sein soll im Krieg gegen das Abendland und alles, was damit verbunden ist.

Mehr zum Thema:
Noa Tishby, Israel. Der Faktencheck über das am meisten missverstandene Land der Welt. Gütersloher Verlagshaus, Hardcover mit Schutzumschlag, 400 Seiten, 22,00 €.


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