„Vance tanzte Walzer mit Walz“. „Vance walzte Walz nieder“. Diese Überschriften hätten sich für die Nachbetrachtung des Duells der US-Vize-Präsidentschaftskandidaten angeboten, sie wären aber nicht ganz wahr. Denn der republikanische Kandidat J.D. Vance überzeugte zwar selbst die linke Presse mit seinem Auftritt, blieb dabei aber betont sachlich und freundlich. Persönliche Angriffe auf seinen Kontrahenten Tim Walz blieben aus, stattdessen fokussierte sich Vance auf die positiven Errungenschaften von Donald Trump und die Verfehlungen von Kamala Harris. Walz hingegen wirkte unsicher und so sprachen die Fakten für sich.
TV-Duelle unter Vizepräsidentschaftskandidaten sind nur in den seltensten Fällen wahlentscheidend, doch in einem Wahljahr, in dem nach wie vor ein enges Kopf-an-Kopf Rennen zwischen Harris und Trump vorhergesagt wird, könnte das Duell von Vance und Walz mehr wie sonst Beachtung finden. Zumal das Beispiel des amtierenden Präsidenten Joe Biden zeigt, wie schnell sich ein Vizepräsident in höchster Verantwortung wiederfinden könnte. J.D. Vance nutzte die Gelegenheit und präsentierte sich als sachbezogen und emphatisch, kurzum: als präsidiabel.
Während Vance in der Vergangenheit durch markige Sprüche auffiel – so bezeichnete er kinderlose Frauen als Katzenladys und beharrte auf der Darstellung von Haitianern als Haustieressern –, zeigte er sich im Duell mit Walz als erfahrener Redner und besonnene rechte Hand von Donald Trump. Mit Einblicken in seine Kindheit punktete er zwar nicht inhaltlich, zeigte sich aber dafür auf menschlicher Ebene als zugänglich und entwaffnete damit viele seiner medialen Kritiker, die ihn bislang dämonisiert hatten.
Im Gegenzug dazu gelang es Tim Walz, der von seinem urigen Image als Football-Coach und Mann des Volkes aus dem mittleren Westen zehrte, nicht, diese Magie in die Debatte zu übertragen. Walz wirkte unsicher, machte viele Notizen und wirkte in seinen Antworten äußerst angespannt. Inhaltlich gelang es Walz nicht, die Angriffe auf die Politik von Kamala Harris zu entkräften, stattdessen konzentrierte sich der Gouverneur von Minnesota darauf, seine Leistungen im eigenen Bundesstaat hervorzukehren. Das mag zwar aller Ehren wert sein, hat aber in einer Debatte im Präsidentschaftswahlkampf nur wenig Gewicht.
Wenig thematische Überraschungen
Inhaltlich bot die Debatte wenige Überraschungen. Vance griff die Migrations- und ökonomische Politik von Kamala Harris an und gab ihr die Schuld für die Inflation und die gestiegenen Lebensmittelpreise, Walz hingegen verlegte sich auf die Themenbereiche Abtreibung, Klimaschutz und die Waffengesetze. Doch selbst Medien mit einer deutlichen Präferenz für die Demokraten mussten zugeben, dass die Freundlichkeit von Vance Walz „einschläferte“ und dieser seinem republikanischen Kontrahenten zu wenig Kontra bot.
Neben den dominierenden Themen des US-Wahlkampfs, mit Name Migration und Wirtschaft, drängt in den letzten Wochen des Wahlkampfs aber auch die außenpolitische Ausrichtung der USA wieder in den Vordergrund. Angesprochen auf die drohende Eskalation im Mittleren Osten, verwies Vance auf die Stabilität, die Trump in seiner Präsidentschaft zu vermitteln wusste, während Walz zwischenzeitlich sogar Israel und den Iran verwechselte.
Auffallend war auch, wie oft sich die Kontrahenten trotz ideologisch tiefer Gräben zustimmten und sogar betonten, in vielen Fragen einer Meinung zu sein. Es war die wohl größte Überraschung an diesem Abend, die auch von vielen Beobachtern hervorgekehrt wurde: die Rückkehr des zivilen Diskurses und des respektvollen Umgangs miteinander in die politische Debatte. Es ist wahrlich bezeichnend, dass solche Grundregeln der politischen Debatte mittlerweile nur noch auf politischen Nebenschauplätzen wie der Debatte der Vizepräsidentschaftskandidaten angetroffen werden kann.
Medienfrust über souveränen Vance
Das wahre Ausmaß der Überlegenheit von Vance dürfte man weniger an den enthusiastischen Berichten der republikanischen Anhänger ablesen können, sondern an den medialen Berichten seiner Feinde. Der linksliberale Guardian befragte gleich sechs seiner Experten, die allesamt nicht umhin konnten, Walz als „unzureichend“ zu bezeichnen und in Vance den Sieger der Debatte zu erkennen.
Etwas hartnäckiger präsentierten sich da schon – wie gewohnt – die deutschen Medien. Der Spiegel gab Walz ein paar Tipps mit auf den Weg („Wo Walz noch zulegen muss und was Vance dazugelernt hat“) und die Süddeutsche identifizierte sich gleich selbst mit dem demokratischen Kandidaten und fasste ihr Unvermögen zur Umdeutung der Debatte in der Überschrift „Vance ist für Walz nur schwer zu greifen“ zusammen. Sogar die altehrwürdige Frankfurter Allgemeine attestierte Vance, er hätte „Kreide gefressen”. Der Frust über die schwer angreifbare Darbietung von Vance zog sich wie ein roter Faden durch die Medienlandschaft.
Der tatsächliche Einfluss der Debatte – dem womöglich letzten TV-Duell vor der Wahl – auf den Wahlausgang ist nur schwer einzuschätzen. Donald Trump kann aber zufrieden sein, denn J.D. Vance machte an diesem Abend so ziemlich alles richtig, um sich nicht nur als Provokateur, sondern als staatsmännische Nummer zwei zu präsentieren. Im kurzlebigen politischen Geschäft kommen und gehen Karrieren zwar schnell, doch mit seinem Auftritt beim TV-Duell empfahl sich Vance bereits jetzt für zukünftige höhere Weihen.