Bisher hatten wir das Strafrecht, um gegen Beleidigungen, Verleumdung und üble Nachrede vorzugehen. Seitdem die Grünen an der Macht sind, reicht das aber nicht mehr, denn nun sollen ja auch Äußerungen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze erfasst, verfolgt und bestraft werden. Diesem Zweck hat sich ein junges Unternehmen, ein Start-up mit Namen SO DONE verschrieben.
Weil die natürliche Intelligenz dieser anspruchsvollen Aufgabe nicht gewachsen war, ist sie durch KI, durch künstliche Intelligenz erweitert, ja sogar ersetzt worden. Auf einer Art von Preisliste kann man sich jetzt darüber informieren, was eine Beleidigung kostet beziehungsweise bringt: mit gut 3.000 Euro ist der „Hurensohn“ relativ teuer, das „Arschloch“ mit 600 Euro eher billig.
Trotzdem hätte das „Arschloch” für Willy Brandt oder seinen Kanzleramtsvorsteher Horst Ehmke teuer werden können. Einem von den beiden wird ja die Rede von den acht Arschlöchern in Karlsruhe zugeschrieben, von denen man sich die schöne neue Ostpolitik nicht einfach so kaputtmachen lassen wolle. Gemeint waren die Verfassungsrichter, die den im Grundgesetz verankerten Anspruch auf Wiedervereinigung nicht aufgeben wollten.
Damals gab es SO DONE noch nicht. Aber was wäre wohl passiert, wenn es das Unternehmen schon gegeben hätte? Wenn der Senat die oben erwähnte Preisliste vor Augen gehabt hätte? Wenn sich jedes seiner acht Mitglieder beleidigt gefühlt und auf Entschädigung bestanden hätte? Wenn sich der andere Senat der Beschwerde angeschlossen und ebenfalls Geld verlangt hätte? Dann wäre ein Betrag von 16 mal 600, also rund 10.000 Euro – oder Mark, die es damals ja noch gab – fällig geworden, die Hälfte davon als Erfolgshonorar für SO DONE. Nicht nur Lidl, auch die Klage hätte sich gelohnt.
Robert Habeck muss das eingeleuchtet haben, auch er ist dort inzwischen Kunde. Er ist empfindlich, und er ist stolz darauf. Er habe sich entschieden, lässt er uns wissen, verbale Anwürfe nicht länger hinzunehmen „und somit zu normalisieren, sondern gemeinsam mit SO DONE konsequent gegen Beleidigungen und Bedrohungen vorzugehen“. Er tut das, sagt er, um die Demokratie zu retten. Aber das ist Unsinn, denn Demokratie und Redefreiheit gehören zusammen, sie lassen sich nur gemeinsam verteidigen oder ruinieren.
Wie alle Freiheiten stößt die Redefreiheit erst da an ihre Grenzen, wo sie anderen schadet oder schaden könnte. Im Falle Habecks ist ihr das bisher jedoch noch nicht gelungen. Der Mann sitzt immer noch da, wo er nicht hingehört, an der Spitze eines Ministeriums, das Zuständigkeit für eine Sache beansprucht, von der er wenig oder nichts versteht. Zu wenig jedenfalls, um die Wirtschaft vorm Absturz in die Bedeutungslosigkeit zu bewahren.
Deswegen brauchen wir die Redefreiheit. Den Athenern, Erfindern der Demokratie, konnte sie gar nicht weit genug gehen. Sie liebten die scharfen Hunde, die nicht nur bellen, sondern auch beißen können. In der Komödie hatten sie, staatlich subventioniert, Jahr für Jahr ihren festen Auftritt. Da wurden die Bürger auf offener Bühne namentlich durchgehechelt, angeprangert und lächerlich gemacht, als Hurensöhne, Arschlöcher und Ähnliches bezeichnet. Und das Publikum applaudierte.
Robert Habeck tut so etwas nicht. Er applaudiert nicht, er nimmt übel. Er wittert überall Verrat und beauftragt die Inquisition, gegen die Verräter vorzugehen. Wenn für ihn selbst dabei was abfällt, umso besser.
Dr. Konrad Adam ist Journalist, Publizist und ehemaliger Politiker der AfD. Er war Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Chefkorrespondent und Kolumnist der Tageszeitung Die Welt in Berlin.