Sage und schreibe 521 (in Worten: fünfhunderteinundzwanzig) Journalistenpreise soll es in Deutschland geben. 521! Gibt es überhaupt so viele Journalisten, wie es Preise gibt? Die Frage ist berechtigt.
Glanzvolle Preise für erfundene Storys
Wie immer gibt es glanzvolle Preise, etwa den „Reporterpreis“. Niemand hat ihn so häufig erhalten wie Claas Relotius, der ihn viermal gewonnen hat für Storys, die er einfach erfunden hat. In der Jury sitzen die angesehensten Kolleginnen und Kollegen. Gemerkt hat es keiner und keine. Vielleicht erhält ihn in diesem Jahr die Süddeutsche Zeitung? Verdient hätte sie den Preis. Sie hat nach der Doppelbrandstiftung von Essen, 31 Verletzten, darunter Kinder, wie folgt berichtet:
In Essen ist es heute zu zwei Bränden in Mehrfamilienhäusern gekommen, zudem fuhr ein Lieferwagen in zwei Geschäfte. Die Polizei hat eine Person festgenommen.
Oder sollte man dafür einen neuen Journalistenpreis ins Leben rufen: „Die beste Verharmlosung – der größte Flop!“ Immerhin wurde die Süddeutsche schon 2023 mit dem „Stern-Preis“ der gleichnamigen Programmillustrierten von RTL ausgezeichnet: Als „Geschichte des Jahres“ wurde ihre Recherche zu der Flugblatt-Affäre um Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger belobigt. Bekanntlich ein Schlag ins Wasser, Aiwanger war es nicht. Aber der Preis bleibt in München und wurde nicht aberkannt.
Journalisten und die Illustrierte Stern korrigieren sich nicht gern, sondern feiern lieber Freunde und Kollegen. Man kann das ja verstehen, aber muss nicht mitmachen. Der „Deutsche Fernsehpreis“ wurde 2024 an Jan Böhmermann vergeben – genau in der Woche, in der ein Gericht festgestellt hat, dass seine Recherchen im Fall Faeser/Schönbohm nichts anderes waren als verlogene Propaganda zu Gunsten einer ministeriellen Intrige, um einen unbescholtenen Spitzenbeamten zu denunzieren und loszuwerden. Das ist unbedingt preiswürdig.
Die Fake-News-Schleuder „Correctiv“ wurde seit der Gründung 2014 mit über 30 Preisen für ihre journalistische Arbeit ausgezeichnet. Unter anderem mit dem Grimme Online Award, dem Nannen (heute: Stern)-Preis, dem Helmut Schmidt Journalistenpreis, dem Otto Brenner Preis für kritischen Journalismus und dem Deutsch-Französischen Journalistenpreis; zuletzt mit dem Carlo-Schmidt-Preis; denn Tote können sich nicht wehren. Dazu kommt jüngst der Medienpreis der Leipziger Sparkasse. Die blamable und von Gerichten in Grund und Boden gestampfe Recherche zur Verharmlosung der Wannseekonferenz wurde ausgerechnet von einem „Netzwerk-Recherche“ ausgezeichnet – schiefer geht es nicht mehr, als dass eine imaginierte Fiktion einen „Recherche-Preis“ erhält. Nirgendwo wird deutlich, wie weit sich der deutsche Journalismus davon entfernt hat aufzuschreiben, was ist – aufgeschrieben und dann ausgezeichnet wird, was für Kampagnen der Regierung geeignet erscheint und vom Inlandsgeheimdienst begleitet wird: und das auch nicht mit reichlich Steuergeldern subventioniert.
Es gibt auch seriöse Preise
Nicht immer, und nicht bei allen Preisen geht es so peinlich zu.
Journalisten sollen gelenkt, ihr Denken in eine bestimmte Richtung gelockt werden mit einer Spur von Brotstückchen in Form von Preisgeldern. So mit dem Courage-Preis für aktuelle Berichterstattung, „in der sich ein Bewusstsein für Genderfragen widerspiegelt“ (seit 2016, vergeben von einem unbekannten Journalistinnenbund). Belohnt wird da, wer wie besoffen gendert, ohne Rücksicht auf Verluste von Lesern, die ihre Zeitung nicht mehr verstehen. Harmlos dagegen der Medienpreis „Friedhof heute“. Er zeichnet die Beschäftigung mit diesem schwierigen Thema aus. Wenn Sie also etwas über Friedhöfe lesen – Sie wissen, warum. Deshalb vergibt man solche Preise: Um Journalisten für bestimmte Themen zu interessieren. Es ist der oft verzweifelte Versuch einer Branche, die Aufmerksamkeit auf sich und ihr spezielles Thema zu richten. Das ist nicht verwerflich. Und kleine Preise oft ehrlicher verdient als die der großen Blender. Und solche Preise sind für einen guten Zweck. Je mehr Journalisten ihre Jobs verlieren, Gehälter und vor allem Honorare für sozial schutzlose Freie Journalisten gekürzt werden, umso wichtiger werden Journalistenpreise für den Überlebenskampf der Branche.
Dazu kommen viele PR-Preise. Beim wohlklingenden „Deutschen Journalistenpreis“ sitzen die Sponsoren der Unternehmen in den vielen Jurys und Unterjurys mit am Tisch und entscheiden. Für solche Preis-Veranstaltungen gibt es sogar einen Markt: Sind sie etabliert, werden sie weiterverkauft. Bei der Preisverleihung sind die Preisträger glücklich, und die PR-Berater umgarnen die Preisträger. So billig sind Journalisten sonst nicht zu haben. Für solche PR-Preise werden dann maßgeschneiderte Stücke geschrieben.
Wer beispielsweise den ehrenwerten Ludwig-Erhard-Preis für Wirtschaftspublizistik nicht erhält, kann sich dafür im darauffolgenden Jahr mit einem Widerruf seiner marktwirtschaftlichen Position beim Otto-Brenner-Preis für kritischen Journalismus (45.000 Euro jährlich seit 2005 von der Otto-Brenner-Stiftung vergeben) rächen. Da weiß man auch, was verlangt wird: Er gehört der IG Metall. Wes Preis ich krieg, des Lied ich sing. Der legitime Meinungskampf wird auch mit Preisen geführt.
Die Absicht vieler Spender ist edel
Das Champagnerhaus Lanson vergibt einen Journalistenpreis; den hätte ich auch gerne. Bekanntlich bin ich ein großer Freund des prickelnden Schaumweins. Allerdings trinke ich am liebsten den, der mit meiner Tante Mizzy in Verbindung steht: Deutsche Mädels haben sich 1944 unter Lebensgefahr in französische Kriegsgefangene verliebt und sind den Männern dann 1946 mit dem Rad hinterhergefahren. Das ist ein Getränk, das mir immer wieder Tränen der Rührung in die Augen treibt. Also doch kein Maison Lanson für mich, nur Tante Mizzys perlende Tränen von den Nachfolgern der Kriegsgefangenen und ihrer deutschen Frauen. Wobei hier nichts gegen das ehrwürdige Champagnerhaus Lanson gesagt werden soll. Sicherlich prickelnd.
Auch ohne Hintergedanken ist der Journalistenpreis „Historische Wertpapiere und Finanzgeschichte“. Ein ehrwürdiges Thema, da lauert kaum Gefahr. Ehrenhaft ist sicherlich auch der Medienpreis der Depressionshilfe. Nicht jeder, der Preise vergibt, manipuliert. Und doch gehört Manipulation allzu oft zum Geschäft der Medienlandschaft. Schlimm sind eigentlich nur Preise wie der Stern, Fernsehpreis und Reporterpreis, denn hier wird schamlos die offen zu Tage liegende und sogar die bereits aufgedeckte Lüge mit Lob und Anerkennung überzogen.
Tatatataaaa – jetzt Preis Nummer 522!
Und jetzt also gibt es zum zweiten Mal den Karl-Eduard-von-Schnitzler-Preis, Preis Nummer 522. Ja zum Teufel, warum das denn?
Journalismus ist zu wichtig für die Demokratie, als dass man Journalismus durchgehen lässt, der Fakten verdreht, erfindet oder politischen Propaganda-Narrativen folgt. ARD und ZDF sind längst Manipulationsschleudern geworden. Da werden Fernsehgeräte zu Kraftwerken.
Das darf nicht sein.
Deshalb unterstütze ich die Aktion der Stiftung Meinung & Freiheit als Vorsitzender und habe zusammen mit Hans-Georg Maaßen den „Karl-Eduard-von-Schnitzler-Preis für Propaganda-Journalismus“ ins Leben gerufen. Er zeichnet Urheber von Desinformation und Manipulation in deutschen Medien aus – selbstverständlich mit Publikumsbeteiligung. Eine unabhängige Jury unter Beteiligung von Lesern und Zuschauern dokumentiert und prämiert die Fälle.
Jan Böhmermann, das war der im vergangenen Jahr am häufigsten von Zuschauern Nominierte für einen neuen Preis, der ironisch mit den Fehlleistungen der Medien in Deutschland umgeht. Rund 60 unterschiedliche Journalisten (männlich wie weiblich) wurden genannt. Unter den Teilnehmern der Nominierung wird ein Jahr GEZ-Beitrag ausgelobt. Man gönnt sich ja sonst nichts.
Große Begeisterung für den Anti-Preis
Auch in den sozialen Medien war die Resonanz auf die Initiative sehr lebendig, insbesondere auf X/Twitter und den dortigen Accounts. In den Kommentaren heißt es beispielsweise: „Das ist eine gute Initiative“, oder „Es kann nur einen geben“, „Schwierig, da zu große Auswahl“, „Sorry … ich wüsste gar nicht, wo ich anfangen und wo ich aufhören sollte. Es sind einfach zu viele im ÖRR“ und auch konkreter: „Jan Böhmermann verschanzt sich hinter dem Prädikat ‚Satire‘. Dabei versteht er es vortrefflich, wahre Hetzkampagnen durch den Äther zu blasen (…).“ Kritiker warfen den Initiatoren „Verharmlosung der DDR“ vor. Gedacht ist der Preis aber als Warnung, den Weg in diese Richtung nicht weiter zu beschreiten.
Und heuer geht es weiter.
Nach Ablauf der Nominierungsphase ab dem 30. Oktober 2024 wird eine Shortlist mit fünf Kandidaten für den Journalisten-Negativpreis erstellt und im Zeitraum vom 13. November bis 5. Dezember 2024 auf der Website www.schnitzler-preis.de veröffentlicht, sodass sich dort der Öffentlichkeit die Möglichkeit bietet, ihren Wunschkandidaten final zu wählen. Auf der Website kann tagesaktuell mitverfolgt werden, wer der „Spitzenreiter“ ist.
Diese Shortlist soll eine wertvolle Dokumentation für wahrgenommene Beispiele von Desinformation und Manipulation in den deutschen Medien werden. Den Initiatoren bieten die Kommentare zu den Nominierungen bereits jetzt spannende Einblicke in die kritische Wahrnehmung von Lesern und Zuschauern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Auf die Standardfrage zur Nominierung, warum die Person den Preis verdient habe, lautet eine Antwort beispielsweise: „(…) weil er beispiellos seine Beliebtheit beim Publikum ausnutzt, um Meinungen zu verbreiten, für die seine Auftraggeber im Gegenzug seine Stiftung schmieren (…)“.
Muss ich ins Gefängnis? Oder werde ich nur verklagt?
Aber woher kommt der Name? Der Preis ist benannt nach Karl-Eduard von Schnitzler – dem Chefkommentator des DDR-Fernsehens und Moderator der politisch-agitatorischen Fernsehsendung „Der Schwarze Kanal“. Unter der Bevölkerung der DDR galt er als meistgehasster Systemvertreter.
Der Journalist Günther Lincke, Kommentator vom Sender Freies Berlin (SFB), verpasste ihm Anfang Februar 1961 öffentlich in einer Sendung den Spitznamen „Sudel-Ede“, nachdem herausgekommen war, dass der Chefkommentator des DDR-Fernsehens regelmäßig zur Deckung seines persönlichen Konsumbedarfs in West-Berlin mit D-Mark einkaufte und Nachtlokale besuchte. Schnitzler machte die Menschen in der DDR 1989 wütend, weil sie die täglichen Desinformationen in den Medien erlebten sowie die schamlose Diskrepanz zwischen dem medial verkündeten gesellschaftlichen Anspruch und der individuellen Wirklichkeit in der privaten Lebensgestaltung der DDR-Elite erfahren mussten. Der Spiegel berichtet in seiner Ausgabe Nr. 39 von 2001: „Neben dem Unterangebot an Südfrüchten war es das Überangebot an Schnitzler-Kommentaren, das die Leute 1989 auf die Straßen trieb.“
In der DDR reagierte der Liedermacher Wolf Biermann mit der Sentenz auf die offiziellen Lügen wie folgt:
„Hey Schnitzler, du elender Sude-Ede/Sogar wenn du sagst, die Erde ist rund/dann weiß jedes Kind: Unsere Erde ist eckig“.
Kritische Medienwissenschaftler kritisieren an den heutigen Medien eine „Linksverschiebung“ und eine „zunehmende politische Homogenisierung“, die „die jeweilige Regierungslinien stützend“ begleitet habe.
Wahr ist: In der DDR konnte man für weniger Frechheit als einen Schnitzler-Preis in Haft kommen. In der BRD 2024 kommt man nicht ins Gefängnis – aber muss teure Gerichtsverfahren vergegenwärtigen. Es gibt eben Fortschritt. Und dass das so bleibt und ich nicht irgendwann wie in der DDR in Haft muss – genau dafür haben wir den Preis erfunden.
Zum Preis geht’s hier.
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Ausschreibung Karl-Eduard-von-Schnitzler-Preis
An der Nominierung für den „Karl-Eduard-von-Schnitzler-Preis für Propaganda-Journalismus“ können sich im Zeitraum vom 3. bis 30. Oktober 2024 alle Bürgerinnen und Bürger beteiligen, die gerne ihren Favoriten vorschlagen möchten.
Auf der Website www.schnitzler-preis.de finden engagierte Kritiker des sogenannten Haltungsjournalismus eine Eingabemaske für ihren Vorschlag sowie einen Ausschreibungstext, der über den Ablauf von der Nominierungsphase über das Auswahlprozedere bis zur Bekanntgabe und „Verleihung“ der Negativauszeichnung informiert.
Auch persönliche Daten können eingegeben werden, falls gewünscht, denn es gibt Gewinne für Leser und Zuschauer, die ihre Kandidaten nominieren: Bis zu fünf Teilnehmer erhalten einen Preis, wenn sie den Journalisten für den „Karl Eduard-von-Schnitzler-Preis für Propaganda-Journalismus“ vorgeschlagen haben, der final ausgewählt wird: Für sie werden jeweils die GEZ-Gebühren für ein Jahr übernommen. Sind es mehr als fünf Teilnehmer, die den Gewinner des „Karl-Eduard-von-Schnitzler-Preis für Propaganda-Journalismus“ vorgeschlagen haben, entscheidet das Los darüber, wer die fünf Teilnehmerpreise erhält, der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Nach Ablauf der Nominierungsphase wird eine unabhängige Jury aus den eingegangenen Vorschlägen eine Nominierten-Shortlist mit fünf Kandidaten für den „Karl-Eduard-von-Schnitzler-Preis für Propaganda-Journalismus“ erstellen. Diese Shortlist ausgewählter Journalisten für die Negativauszeichnung wird im Zeitraum vom 13. November bis 5. Dezember 2024 auf der Website veröffentlicht und bietet dort der Öffentlichkeit die Möglichkeit, ihren Wunschkandidaten final zu wählen, dazu wird es eine gesonderte Eingabemaske geben. Auf dieser Website kann mitverfolgt werden, wer der „Spitzenreiter“ ist. Der so ermittelte Gewinner des „Karl-Eduard-von-Schnitzler-Preis für Propaganda-Journalismus“ wird Mitte Januar 2024 anlässlich einer kleinen Gala ausgezeichnet und zur Preisverleihung eingeladen.