In einem Meer von grün-roten Nationalflaggen sind Zehntausende Portugiesen am Montag durch die Hauptstadt Lissabon gezogen und haben gegen die „unkontrollierte Einwanderung“ protestiert. Auf Transparenten forderten sie unter anderem die „Ausweisung von Einwanderern, die Verbrechen begehen“.
Zu der Demonstration hatte die rechte Partei CHEGA aufgerufen. Deren Vorsitzender André Ventura sagte zunächst, dass alle willkommen seien, die nach Portugal kommen wollten, um zu arbeiten und einen Beitrag zu leisten. Dann kritisierte er die illegale Migration.
„Die Einwanderung kann nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Sozialfürsorge betrachtet werden, sondern muss auch im Zusammenhang mit dem Drama um den Wohnraum gesehen werden.“ Am Samstag hatte es ebenfalls Massenproteste im ganzen Land gegeben. Sie richteten sich gegen zunehmend unbezahlbaren Wohnraum, für den viele in Portugal die Einwanderung verantwortlich machen.
Viel Kritik gab es für die Regierung von Portugal, aber auch für die Führungen anderer Länder. Die EU, so wurde vielfach betont, sei einfach nicht in der Lage, die Einreise zu kontrollieren. Das führe zu einem umfassenden Gefühl der Unsicherheit. Allein im vergangenen Jahr ist die Zahl der in Portugal lebenden Ausländer um mehr als ein Drittel auf nunmehr über eine Million angestiegen. Jeder zehnte Einwohner in Portugal ist inzwischen eingewandert.
Angesichts der wachsenden Proteste im Land hat die Mitte-Rechts-Regierung die Migrationspolitik im Juni verschärft. Unter anderem wurde eine besonders umstrittene Regelung ersatzlos gestrichen: Sie erlaubte es illegalen Einwanderern bisher, einen legalen Status zu bekommen, wenn sie nachweisen konnten, dass sie mindestens ein Jahr lang gearbeitet hatten.
Szenenwechsel: von der windigen, aber sonnigen und warmen Atlantikküste zu den rauen Fjorden hoch oben im Norden.
Norwegen. Anderes Land, andere Kultur, anderer Menschenschlag – aber dieselben Probleme. Hier sind es nicht so sehr muslimische Migranten, die für zunehmend schlechte Stimmung sorgen: Hier sind es die Ukrainer.
Sie erhalten seit Beginn des russischen Angriffs im Februar 2022 automatisch einen sogenannten „kollektiven Schutz“. Das heißt: Ihnen wird Asyl gewährt, ohne dass ihre Anträge individuell geprüft werden.
Norwegen mit seinen knapp 5,5 Millionen Einwohnern hat bisher 85.000 Ukrainer aufgenommen. Von den im Jahr 2024 ins Land gekommenen Flüchtlingen stammt ungefähr jeder zehnte aus einem der sechs betroffenen Gebiete. Zusätzlich kürzt Oslo die Leistungen für ukrainische Flüchtlinge. Das soll den Anreiz verringern, nach Norwegen zu kommen – und für die, die schon da sind, soll es den Anreiz erhöhen, sich eine Arbeit zu suchen.
Wie in Portugal, so begründet auch die Regierung in Norwegen den Schritt mit den Auswirkungen der hohen Flüchtlingszahl auf den Wohnungsmarkt. Kommunen klagen außerdem schon lange, dass die Gesundheitsdienste und Bildungseinrichtungen die vielen Menschen aus der Ukraine nicht mehr bewältigen. „Wir können nicht im Vergleich zu ähnlichen Ländern wie den nordischen Ländern einen unverhältnismäßig großen Anteil an Vertriebenen aufnehmen“, sagt Justizministerin Emilie Enger Mehl.
Die konservativ-liberale Politikerin weist außerdem noch auf einen interessanten Punkt hin: Bei einem wachsenden Anteil der ukrainischen Flüchtlinge handele es sich um Männer im kampffähigen Alter. Die ukrainische Armee klagt schon lange über Personalprobleme. Das wolle Norwegen nicht länger unterstützen.
In Deutschland lebten Ende 2023 knapp 1,2 Millionen Ukrainer. Angesichts der Überlastung vieler Kommunen gibt es auch hierzulande Forderungen, die Leistungen für diese Menschen zu kürzen. Das hat die Ampel bisher stets abgelehnt. Auch eine Einstufung bestimmter Gebiete als „sicher“ wird ausgeschlossen.
Noch weiter im Norden und noch weiter im Westen: dasselbe Bild.
Auch Island hat ein Asyl-Problem. Zwar leben nur etwa 400.000 Menschen auf der Insel, zuletzt kamen aber mehrere tausend Flüchtlinge – vor allem aus der Ukraine, aus dem Iran, aus Venezuela, Bolivien, Pakistan und Syrien. Das hat sogar in dem ansonsten traditionell ruhigen Land zu Bürgerprotesten geführt. Jetzt verschärft die Regierung die Asyl-Regeln.
„Island ist eines der kleinsten Länder in Europa“, sagt Justizministerin Gudrun Havsteinsdottir. „Und wir können nicht das schwächste Regulierungssystem haben.“ Die liberal-konservative Koalition hat deshalb die Einwanderungsgesetze reformiert.
Die Asylbewerber werden sogar dem recht wohlhabenden Island schlicht zu teuer. 2012 wurden noch umgerechnet 2,6 Millionen Euro für Flüchtlinge ausgegeben – 2023 dann schon 130 Millionen. „Wir haben in den letzten Jahren die Kontrolle verloren“, sagt Ministerin Havsteindottir. Island will weniger Flüchtlinge haben – deshalb tut das Land alles, um die Asylanträge zu reduzieren.
Die Anti-Asyl-Proteste in Portugal, in Norwegen und in Island haben dort jeweils zu einer Verschärfung der Asylpolitik geführt. In Deutschland, so scheint es, verfolgen die politischen Parteien einen anderen Ansatz:
Bei uns nimmt die Regierung Proteste zum Anlass, auf ihrem Weg weiterzugehen – nur noch ein bisschen schneller.