Tichys Einblick
SPD Niedersachsen

Ministerpräsident Stephan Weil: Untersuchungsausschuss deckt weitere Skandale auf

Regelwidriger Gehaltssprung einer SPD-Genossin und illegale Vermischung von Staats- mit Parteitätigkeit: Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss um Vorgänge in der niedersächsischen Staatskanzlei dreht sich um die notorisch skandal-affine SPD Niedersachsen. Für Weil wird der Imageschaden nicht ausbleiben.

picture alliance/dpa | Julian Stratenschulte

Der Vorgang mag aus Sicht der in solchen Angelegenheiten dickhäutigen SPD-Connection in Hannover läppisch erscheinen, tatsächlich ist er in hohem Maße skandalös. Es geht um die regelwidrige Höherstufung der Bezüge einer von zwei Büroleiterinnen des niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD).

Es geht um die 34-jährige Aynur Colpan, die das Amt der Büroleiterin seit Februar 2023 innehat. Colpan ist SPD-Funktionärin und SPD-Kommunalpolitikerin im Wahlkreis des SPD-Co-Vorsitzenden Lars Klingbeil, aber das ist nicht außergewöhnlich. Außergewöhnlich ist, dass Aynur Colpan an allen Besoldungsregelungen vorbei in der niedersächsischen Staatskanzlei außertariflich in eine der Besoldungsstufe B2 (rund 8.200 Euro monatlich) entsprechende Gruppe hochgeboxt wurde.

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Sogar um ein Dreivierteljahr rückwirkend: Grundlage war eine erst im November 2023 erstellte interne Neufassung von Verwaltungsregeln für Beförderungen innerhalb der rot-grünen niedersächsischen Regierung. Aufgrund ihres Werdegangs hätte ihr dieses Gehalt frühestens in acht bis zehn Jahren zugestanden. Sie hat also einen Sprung um fast 2.000 Euro gemacht. Gegen zahlreiche Warnungen von Fachbeamten. Weil und sein Staatskanzleichef Jörg Mielke schieben die Gehaltsaffäre mit der Bemerkung beiseite, sie hätten neue Gehaltsregeln geschaffen, um den öffentlichen Dienst attraktiver zu machen. Selten so gelacht!

Immerhin befasst sich nun ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss (PUA) mit diesem Gehaltsskandal. Dieser wurde vom Landtag übrigens am 17. April 2024 eingesetzt. Er trägt den Titel „Praxis der AT-Vergütung in der Niedersächsischen Staatskanzlei und den Ministerien“. Im Zuge dessen kamen in den letzten Septembertagen noch andere Dinge ans Licht.

So wurde ein interner Mailverkehr aus der Staatskanzlei bekannt: Danach berichtet der Vorgänger Aynur Colpans, dass zu seinem Aufgabenprofil auch Aktivitäten gehörten, die eigentlich der Parteiarbeit für die SPD zuzuordnen sind. Weils Staatskanzleichef Jörg Mielke spielt das derweil herunter: Colpans Vorgänger habe hier einfach übertrieben. Der Mitarbeiter berichtet jedoch ehrlich, dass er als „Schnittstelle“ zur Partei wirkte, an SPD-Gremiensitzungen teilnahm, und Weil auch dorthin begleitete. Zudem habe er seinem Chef für Parteitagsreden „Textbausteine direkt zukommen lassen“, die Weil dann auch „regelmäßig benutzt“ habe.

Staatskanzlei-Chef Jörg Mielke antwortete darauf wiederum, das sei alles gut dargestellt, allerdings müsse man „den parteipolitischen Teil“ für die Öffentlichkeit „nach außen weglassen“. Das berichtet Reinhard Bingener am 28. September in der FAZ. Bingener ist einer der besten externen Kenner der Niedersachsen- und Hannover-SPD. Im Mai 2023 hatte er als Co-Autor das Buch herausgegeben: „Die Moskau-Connection“. Darin geht es um die trickreichen Verbindungen der „Erzdiözese der Niedersachsen-SPD“, nämlich der SPD Hannovers, via Gerhard Schöder und Co. nach Moskau.

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Die CDU-Opposition hat mittlerweile verlangt, dass bis 11. Oktober 2024 eine Klärung der beiden Skandale durch Stefan Weils Staatskanzlei erfolgt. Andernfalls werde die CDU Klage beim Staatsgerichtshof Bückeburg einreichen. Zumindest werden einige Kratzer am offiziell tadellosen Image von Stephan Weil bleiben. Jörg Mielke könnte – anderweitig gut versorgt – als Bauernopfer dienen.

So weit, so gut, so weit, so schlecht? Die Beförderung von Ayran Coplan hat auch aus einem anderen Grund ein „G’schmäckle“, wirft zumindest einige Fragen auf: Colpan gehörte von Januar 2021 bis Ende November 2021 als „Steuerfachangestellte“ und „wissenschaftliche Mitarbeiterin“ dem „Arbeitsstab“ des Hamburger Parlamentarischen Untersuchungsausschusses „PUA Cum-Ex-Steuergeldaffäre“ an. Zudem war sie bis zu ihrem Wechsel nach Hannover Mitglied der Präsidialabteilung der Hamburger Finanzbehörde, also des Hamburger Finanzsenators Andreas Dressel (SPD). Das geht aus dem 1.057 umfassenden Zwischenbericht des PUA vom 28. Februar 2024 (Seite 23) hervor.

Fragen wird man in diesem Zusammenhang ja mal dürfen: Wie intensiv hatte Ayran Colpan Kenntnis von den Cum-Ex-/Cum-Cum- und Warburg-Bank-Affären? Was weiß sie, was soll sie nicht gewusst haben oder nicht mehr wissen? Was ist der Grund für ihren Wechsel aus der Spitze der Hamburger Finanzverwaltung nach Hannover? Ihre Qualifikation und ihre Erfahrung in der Staatsverwaltung doch eher nicht. Sollte da jemand – wie Vorbild Kanzler Olf Scholz – aktiv etwas vergessen? Ist die Feudalisierung in Hannover womöglich eine kleine Hilfe beim Vergessen?

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