Ein Filmteam dreht derzeit in der Berliner Großgörschenstraße. Hunderte Anwohner sind unmittelbar betroffen, weil Hilfskräfte des Teams Fußgängern verbieten, die Kreuzung zur Katzlerstraße zu betreten. Das dürfen sie nicht. Die Anwohner haben jedes Recht zu passieren. Doch die Hilfskräfte tragen gelbe Westen, sehen damit offiziell aus, und das genügt der vorwiegend deutsch-türkischen Nachbarschaft, sich einschüchtern zu lassen und den Anordnungen Folge zu leisten.
So in etwa funktioniert der Verbotsantrag gegen die AfD. Zumindest soll er so funktionieren, wenn es läuft, wie seine Initiatoren geplant haben. Dabei handelt es sich um eine Koalition aus Abgeordneten der CDU, Linken, Grünen und SPD. Erhält ihr Antrag im Bundestag eine einfache Mehrheit, geht er vor das Verfassungsgericht in Karlsruhe – unter Leitung von Stephan Harbarth (CDU). Das Gericht würde erfahrungsgemäß etwa vier Jahre benötigen, um zu einer Entscheidung zu kommen. Entscheidet das christdemokratisch geführte Gericht im Sinne der Antragsteller, hätten die Christdemokraten juristisch das Ziel erreicht, das sie politisch verfehlt haben: keine Partei rechts der CDU zuzulassen.
Vier Jahre würde ein Verfahren dauern. Für die Bundestagswahl im September 2025 ändert sich also nichts. Formell. Denn inhaltlich würde ein Verbotsverfahren sich durchaus auf den Wahlkampf auswirken. Klappt der Plan der Antragsteller von CDU, Linke, Grüne und SPD, dann gibt es einen Effekt, wie er aktuell in der Berliner Großgörschenstraße zu beobachten ist: Die Bürger halten sich freiwillig an das, was sie für Autorität halten – auch wenn sich dahinter nur eine Hilfskraft in einer gelben Weste verbirgt.
Journalistische Hilfskräfte in gelben Westen arbeiten für den Spiegel. Sie haben jetzt mit der Idee gedroht, AfD-Wähler um die berufliche Existenz zu bringen. Selbst schreibt der Spiegel gegen rechte Theorien an, wonach die Wahlen weder geheim noch regulär abliefen – verbreitet jetzt aber indirekt oder zumindest in der Wahrnehmung des Lesers die Erzählung, dass sich Stimme und Wähler im Nachhinein miteinander verbinden ließen, was zu entsprechenden Konsequenzen führen würde. Im „Kampf gegen Rechts“ bestärkt der Spiegel eine rechte Erzählung. Es ist wie so oft: Was gegen Rechts gerichtet sein soll, hilft den Rechten im Aufstieg.
Möglich. Ebenso möglich ist aber der exakt gegenteilige Effekt: Das Warnen vor der AfD hat sich verbraucht. Das haben jüngst die drei Landtagswahlen im Osten gezeigt. Es gibt durchaus genug Menschen, die begreifen, dass Gruppenvergewaltigungen oder Messerattacken genauso wenig in der Verantwortung der einzigen Partei liegen, die hinter der „Brandmauer“ konsequent in der Opposition gehalten wird, wie die Schwäche der deutschen Wirtschaft, der massenhafte Verlust von Arbeitsplätzen sowie das Abwandern oder Schließen von Unternehmen.
Das Verbotsverfahren könnte sich auswirken wie das Verbot, den Alkoholschrank der Eltern zu plündern: Je lauter das Verbot beschrien wird, desto interessanter wird das Ziel. Zumal die Antragsteller ebenfalls unwillentlich eine rechte Erzählung verbreiten. Nämlich die, dass es eine Allparteienkoalition von eben mindestens CDU, Linke, Grünen und SPD gebe. Zu der gehören eigentlich noch FDP und Bündnis Sahra Wagenknecht, auch wenn die sich an dem Verbotsantrag gegen die AfD vorerst nicht beteiligen. Diese Allparteienkoalition als Bund der „Kartellparteien“ zu benennen, trauen sich selbst viele rechte Vor- und Nachdenker nicht. Wenn CDU, Linke, Grüne und SPD so offen zusammenarbeiten, um den erfolgreichen Konkurrenten loszuwerden, wird der Begriff am Ende doch noch einmal gesellschaftsfähig.
Offen ist, wem die Polarisierung auf Seiten der Allparteienkoalition nützt. Woidke hat seinen Verbleib im Amt mit einem Sieg der SPD über die AfD verknüpft. Das war möglich und erfolgreich, weil der Ministerpräsident Brandenburgs beliebt ist. Olaf Scholz (SPD) ist hingegen laut Umfragen der unbeliebteste Regierungschef aller demokratisch regierten Länder. Also ist es auch möglich, dass CDU/CSU von einer Polarisierung aller gegen die AfD profitieren. Das von christdemokratischen Abgeordneten angeschobene Verfahren könnte seinen Beitrag zu diesem Effekt leisten.
Bliebe noch ein unbeachteter oder falsch beachteter Faktor im Verbotsverfahren: der Verfassungsschutz. Seine bisherige Rolle ist offensichtlich: Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und die Länder missbrauchen den Inlands-Geheimdienst, um politische Gegner zu bekämpfen. Unter der Führung eines Christdemokraten, Thomas Haldenwang, lässt der Inlands-Geheimdienst sich auch missbrauchen. Etwa durch das Aussprechen von Warnungen. Oder durch Beobachtungen der Geldströme und Aktivitäten des politischen Gegners, deren Ergebnisse dann zufällig als Ergebnisse von Recherchen der staatlichen und staatsnahen Medien auftauchen.
Doch im Verbotsverfahren gegen die NPD hat der Verfassungsschutz eine ganz andere Rolle gespielt: 2003 scheiterte ein erster Anlauf am Verfassungsschutz. Der hatte so viele V-Leute in der Rechtsaußen-Partei, dass es kaum noch Zeugen gab, die nicht für den „Verfassungsschutz“ arbeiteten. Wäre das Verfahren nicht abgebrochen worden, hätte der Inlands-Geheimdienst all seine Mitarbeiter auffliegen lassen müssen. Damit hätte er seine Erkenntnisse über die rechte Szene verloren. Das wäre aber nur der kleinere Effekt gewesen.
Der größere Effekt wäre ein anderer gewesen. Eine Erkenntnis hätte sich verbreitet, von der ein Bürger sich wünschen sollte, dass sie nur eine Verschwörungstheorie wäre: Die vermeintlich gefährlichste rechtsextreme Partei Deutschlands war im Wesentlichen in der Hand von Mitarbeitern des Inlands-Geheimdienstes. Die Allparteienkoalition von CDU, Linke, SPD, FDP und Grünen hat millionenschwere Programme gegen die rechte Gefahr beschlossen, die aber im Wesentlichen aus Mitarbeitern des Verfassungsschutzes bestand. 2017 scheiterte das zweite Verbotsverfahren daran, dass die NPD keine relevante Rolle mehr spielte. Ohne die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes und deren Geld implodierte die rechte Gefahr.
Dieselbe Institution soll nun die Rolle des Kronzeugen spielen, wenn es darum geht, der Allparteienkoalition aus CDU, Linken, SPD, Grünen und FDP einen unangenehmen politischen Gegner vom Hals zu schaffen. Auch damit verbreitet der Inlands-Geheimdienst wieder eine rechte Erzählung, spielt damit „den Rechten“ in die Hände und sorgt dafür, dass in der Polarisierung viele Wähler sich zugunsten der AfD entscheiden.
Das implodierte Verbotsverfahren gegen die NPD endete 2017 damit, dass diese das Geld aus der Parteienfinanzierung verlor. Da die NPD seinerzeit kaum noch gute Ergebnisse bei Wahlen erzielte, handelte es sich um überschaubare Summen. Doch im Fall der AfD – laut Umfragen zweitstärkste Kraft im Bund – ginge es um hohe Millionenbeiträge. Die Allparteienkoalition aus CDU, Linken, SPD, Grünen und FDP hat sich eine großzügige Finanzierung über den Steuerzahler geschaffen, mit dem sie ein Heer von zehntausenden „wissenschaftlichen Mitarbeitern“ – oft ohne wissenschaftlichen Abschluss – bezahlt. Da die Wahlergebnisse ein wichtiger Schlüssel zur Verteilung des Geldes sind, langt die AfD nun auch massiv in diesen Fleischtopf.
Hat das Verbotsverfahren keinen finalen Erfolg, so will die Koalition aus CDU, Linken, Grünen und SPD doch mit diesem Schritt die AfD von diesem Fleischtopf fernhalten – und den Fleischtopf so für sich allein behalten. Genauso wie es die gleiche Koalition in Thüringen und anderen Landtagen mit den Posten in den Präsidien der Parlamente hält. Der „Kampf gegen Rechts“ ist nicht nur ein Bemühen der Allparteienkoalition, einer rechten Partei keinen Einfluss zukommen zu lassen. CDU, Linke, SPD, Grüne und FDP versuchen mit dem „Kampf gegen Rechts“ auch, Konkurrenten von den eigenen Fleischtöpfen wegzuhalten. Schlimm genug, aus ihrer Sicht, dass sich nun schon das Bündnis Sahra Wagenknecht daran bedient.
Einen Durchmarsch der AfD zur absoluten Mehrheit im Bund wird es 2025 nicht geben. Selbst die Sperrminorität eines Drittels der Sitze ist ein ambitioniertes Ziel. Das Verbotsverfahren trägt gleichermaßen dazu bei, die AfD zu stärken, wie, sie unter einer relevanten Größe zu halten. Das befördern auch die Staatsmedien: ARD und ZDF werden im Wesentlichen von älteren Menschen geschaut, die Älteren waren es auch, die in Brandenburg die SPD vor der AfD gehalten haben. Bei ihnen verfängt also deren Propaganda. Die würde befeuert durch ein Verbotsverfahren auf Hochtouren laufen – das ist die sicherste aller Prognosen.