Tichys Einblick
Neue CDU-Politik

Deutschlands politische Achse verschiebt sich nach links

In Thüringen kann man beobachten, wie sich die CDU linksradikalen Kräften unterwirft. Die Gemeinsamkeit der Demokraten ist verloren, Recht dient der Macht und Feind-Bekämpfung. Die Wirtschaft reagiert auf diese Entwicklung. VW in der Krise, BASF baut ab, Thyssenkrupp soll zerschlagen, die Commerzbank verkauft werden.

picture alliance / Michael Kappeler/dpa | Michael Kappeler

Alle gegen Einen. So wird das politische Spiel in Deutschland gegeben. Die CDU verbrüdert sich mit der SPD, der Linken und der jüngsten Variante der vielfach umbenannten SED, dem Bündnis Sahra Wagenknecht. Sollten die Grünen irgendwo noch den Einzug schaffen, sind sie in diesem Club gerne gesehen. Über die FDP lohnt es sich nicht mehr zu sinnieren. In Thüringen wird die CDU den Ministerpräsidenten von der Gnade der Linken stellen dürfen. Mario Voigt schmiedet das Bündnis in diesen Tagen.

Die Verfestigung der Brandmauer – koste es, was es wolle

Nur so sind die Vorgänge in Thüringen zu verstehen. Es geht darum, die AfD als größte Partei aus der politischen Gestaltung komplett auszuschließen. Die Brandmauer soll unüberwindbar gemacht werden. In Brandenburg hat die CDU aufgefordert, für die SPD zu votieren, und man hat uns erklärt, dass dies das neue Normal sei. In Brandenburg darf die SPD regieren, und die CDU ist dort in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Und so soll es weitergehen: Julia Klöckner, Bundesschatzmeisterin der CDU, erklärte das neue Bündnis „getrennt antreten, gemeinsam koalieren“ noch in der Brandenburger Wahlnacht so: „Unionswähler haben SPD-MP geholfen, möglichst vor die AfD zu kommen. Parteien der Mitte unterstützen sich je nach Anlass.“

Es ist die neue Koalition links von der Mitte – mit einem CDU-Anhängsel, das „rechte“ Wählergruppen abfischen soll. „Der für seine Reduzierung der Politik auf das Freund-Feind-Verhältnis berühmt gewordene Staatsrechtler Carl Schmitt hätte an dem Begriff ‚autoritär-populistische Blockade‘ seine Freude gehabt. Das Recht dient nur noch dem Zweck, dem Feind zu schaden. Das hätte Schmitt vollumfänglich begrüßt, um das einmal in indisponiertem Deutsch zu formulieren“, schreibt Frank Lübberding dazu. Recht dient nicht mehr der Machtkontrolle, sondern wird als Instrument willkürlicher Selbstermächtigung eingesetzt. Witz-Parteien wie Die Linke und SPD erhalten jeweils einen Posten als Landtagsvizepräsidenten; die fünffach größere AfD geht leer aus, obwohl ihr nach der Geschäftsordnung sogar der Präsident zugestanden hätte. Aber um das zu vermeiden – dazu wendet man eben schnell Gesetze wie Thüringer Bratwurst auf dem Grill, ganz wie es gefällt.

Im Bundestag sieht es nicht viel anders aus: Die Linke darf weiterhin einen Posten im Bundestagspräsidium behalten, obwohl Die Linke keinen Fraktionsstatus mehr besetzt. Für Linke gibt es eben parlamentarische Schon- und Sonderrechte. Man braucht sie für das linke Bündnis, dessen Architekt Oskar Lafontaine ist.

Bislang war es ein kluger parlamentarischer Brauch, auch der Opposition im Parlament Rechte einzuräumen. Man wusste aus der Erfahrung der untergehenden Weimarer Republik: Absolute Macht der Parlamentsmehrheit führt in ziemlich kurzer Zeit zur absoluten Macht der Regierung, und absolute Macht ist die Vorform des Machtmissbrauchs. Es ist kein Trost, dass eine (nur theoretisch denkbare) rechte Mehrheit dann so triumphieren könnte, wie es jetzt vom linken Lager vorgeführt wird. Eine absolute Mehrheit der AfD wäre genauso schädlich wie jetzt die absolute Mehrheit der Koalitionsparteien gegen die AfD. Demokratie braucht Wettbewerb, und jetzt wird er halt von links her ausgeschaltet.

Die Bundestagswahl ist choreographiert

Im kommenden Jahr wird gewählt; dann wird Friedrich Merz sich seine Kanzler-Mehrheit mit Hilfe der SPD und/oder der Grünen organisieren. Er wird bei mageren 30-noch-was-Prozent hängenbleiben, seinen betrüblichen Dackelblick aufsetzen und erklären, dass es anders nicht gehe als mit Linksradikalen. Wenn die Rechten 20 oder 30 Prozent der Stimmen erhalten, die dann total ausgegrenzt werden, gewinnt das rotgrüne Lager im Rumpfparlament an Gewicht, linkes Übergewicht. Das ist die Arithmetik der Macht, die man uns vorrechnet.

Den Weg werden allerdings viele Wähler nicht mitgehen. Aber die Machttechniker interessieren sich nicht für die Wähler. Auf dem Geburtstagsfest für Angela Merkel haben Markus Söder und Friedrich Merz klar gemacht, dass sie keinesfalls Merkels verhängnisvolle Politik korrigieren wollen. Merz und Söder sind in den muffigen Blazer geschlüpft, den Merkel abgelegt hat. Die Massenmigration, die Energienot, das Zurückdrängen der Leistungsträger zu Gunsten der Bürgergeldempfänger (auch dieses Gesetz trägt die CDU mit) bis hin zur Enteignung von Immobilienbesitzern mittels der Heizungskellerverstaatlichung und dem verhängnisvollen Green Deal – all das wird in der linken Allparteien-Koalition Bestand haben und weitergeführt werden. Die Grundlagen werden jetzt im Osten geschaffen. Auch wenn Merz mal in einer Sonntagsrede dagegen anstänkert wie damals, als er im Sauerland mit dem Mofa den wilden Easy Rider mimte. Aber die jetzt verabredeten Bündnisse der Schrumpf-CDU mit den Linken werden Merz wie Mühlsteine um den Hals hängen, schon weil sie ihn über den Bundesrat komplett ausmanövrieren.

Abbauen oder abhauen

Nun wissen wir: Es wird kein Zurück mehr geben zu einer freiheitlichen, marktwirtschaftlichen Politik. Über den rapiden Anstieg der Arbeits- und Beschäftigungslosigkeit von derzeit rund 10 Millionen Personen wurde hier oft geschrieben und über das Zusammenbrechen des industriellen Mittelstands. Das Bürgergeld pulverisiert den Entwurf für den Haushalt der Ampel.

Verteilen statt Erwirtschaften lautet die linke Losung. Jetzt sind auch die Großkonzerne dran. BASF fackelt nicht mehr. Man müsse die Realität nehmen, wie sie sei, erklärt der neue Vorstandssprecher Markus Kamieth. „Wir haben die Zukunft unserer Firma viel mehr selbst in der Hand, als wir selber manchmal glauben.“ Er lässt radikal den Rückbau des größten Chemiewerks der Welt vorantreiben; da werden Werke im Dutzend gestrichen und ganze Sparten wie Agrar, Lacke- und Beschichtungstechnologien und viele andere mehr zum Abgeben aus dem Verbund freigeschlagen. Besserung am Standort Deutschland? Unwahrscheinlich, aber die Welt braucht Chemie, allerdings keine mehr aus Deutschland.

Ähnlich bei Thyssenkrupp: Die Zahl der Beschäftigten ist innerhalb weniger Jahre von 250.000 auf 100.000 gesunken. Jetzt steht die komplette Zerschlagung zur Debatte. Wirtschaftsminister Robert Habeck hat noch schnell 2 Milliarden für grünen Stahl hineinsubventioniert und verlängert das Sterben. Bei Thyssen wird alles grün – vor allem das Grün auf der künftigen Industriebrache wird blühen und gedeihen. Die Commerzbank schließlich wird sich kaum dagegen wehren können, bald als weiteres Anhängsel der Mailänder Unicredit geführt zu werden. Die klassische Mittelstandsbank ist dabei, ihre Eigenständigkeit zu verlieren. Die Deutsche Bank ist auch nur noch das, was man in Österreich einen „Adabei“ nennt – sie ist auch irgendwie dabei, in einer globalen Nebenrolle.

Volkswagen taumelt in die Krise, weil niemand die staatlich gewollten Elektroautos will. Dass Unternehmen das herstellen sollen, was die Kunden wünschen, ist den Wolfsburgern von der Politik ausgetrieben worden, die sich an Trabant und Wartburg als Krone der automobilen Weltordnung erfreuen. Die Konzerne protestieren nicht, sie kassieren. Subventionen erkaufen Zustimmung, und noch nie wurden höhere Schweigeprämien bezahlt.

Und so geht es weiter. Konzern um Konzern geht in die Knie, baut oder haut ab. Man muss ja anerkennen, dass Berlin mit Entschiedenheit dagegen hält und die bedrückende Bürokratie dadurch lindert, dass künftig die Aufbewahrungsfrist für Akten von 10 auf 8 Jahre reduziert wird; man hört landauf, landab das Stöhnen der Erleichterung über diese Entladung, die nur dummerweise wegen des Lieferkettengesetzes mindestens um den Faktor 1000 wieder erhöht wird.

Die linke Achse kostet Wohlstand

Wirkliche Reformen? So wie sie bei der Migrationspolitik am Machtwort der Grünen und der zögerlichen Haltung der SPD scheitern, wird es auch jeder wirtschaftspolitischen Reform ergehen. Die CDU kann sich gegen den linken Block, dem sie sich ohne Not angeschlossen hat, nicht durchsetzen. Das ist der Preis für das Kanzleramt, den Merz gerne bezahlt. Die SPD wird auf Ausweitung der Verschuldung und noch mehr Macht für die Gewerkschaften etwa im Rahmen eines Tariftreuegestzes bestehen, was notwendige Anpassungen an wirtschaftliche Notwendigkeiten schlicht verhindert. Die Grünen werden jede Veränderung ihrer dezidierten Energienot-Politik zu verhindern wissen; schließlich geht es ihnen um Degrowth, zentrale Planwirtschaft und staatlich gelenkte „Transformation“ wohin auch immer. Das Bündnis Sahra Wagenknecht verfolgt einen Kurs, den der Wahlforscher Jürgen Falter den Kurs der SED-Rentner verspottet: noch mehr zentrale Planung, Unternehmen nur als Handwerksbetriebe, das große Ganze verstaatlicht oder als „Genossenschaft“ organisiert.

Die politische Achse Deutschlands hat sich nach links verschoben. Erst in Thüringen, dann in Brandenburg, und schließlich im Bund. 20 bis 30 Prozent bürgerliche Wähler werden ausgegrenzt, damit Die Linke und BSW als Koalitionspartner mitmachen. Eine tolle Strategie für Friedrich Merz, der persönliche Ambitionen über Programmatik stellt. Angela Merkel lächelt gnädig über ihren gelehrigen Schüler.

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