Tichys Einblick
Messiaskomplex im "heute journal"

Habeck erklärt dem ZDF, warum er (nicht) zurücktreten muss

Der Wirtschaftsminister spricht im "heute journal" über den Rücktritt der Parteivorsitzenden. In Wirklichkeit redet er aber vor allem über sich selbst – und dass andere gehen müssen, damit er Kanzlerkandidat werden kann.

Screenprint: ZDF / heute

Robert Habeck redet sich öffentlich um Kopf und Kragen. Mal wieder. Nichts Ungewöhnliches. Nur: Meistens fällt es nicht auf. Der Wirtschaftsminister redet, umringt von den Seinen, ob Parteigenossen oder Journalisten. Es gab einen bezeichnenden Moment in der TV-Geschichte, als ein Journalist Habeck einen Strich durch die Rechnung wolkiger Erklärungen und Schaumschlägereien machen.

Ein halbes Jahrzehnt ist das her. 2019 stellte ihn ein Moderator beim „Bericht aus Berlin“, als er Habeck dabei ertappte, dass sich dieser nicht mit der Pendlerpauschale auskannte. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) schüttete Spott über ihn aus. Der grüne Shooting-Star entpuppte sich damals bereits als jemand, der zu allem eine Meinung hat, aber von wenigen Sachverhalten eine Ahnung.

Heute ist Hubertus Heil Kabinettskollege von Habeck. Einen „Pendlerpauschalen-Moment“ gab es dennoch. Weil ein ZDF-Journalist beim heute journal nachfasste. Der Denkmalsturz der Grünen ist einfach; warum er nicht häufiger vorkommt, steht auf einem anderen Blatt. Dass es Habecks Politik (und die von Baerbock, Paus und anderen Mitgrünen) ist, die für die Erosion der Partei verantwortlich ist, dürfte auch bei einigen Sympathisanten angekommen sein. Die grüne Ikone verliert an Wert.

Denn Ricarda Lang und Omid Nouripour sind Bauern, die sich für König und Dame opfern, um diese aus dem Matt zu nehmen. Die Erosion hinterlässt dennoch Spuren. Auch bei Habeck.

Der Minister lobt im ZDF die „Verlässlichkeit“ der beiden. „Ich persönlich habe ungeheuer von beiden profitiert“, sagt er zu Anfang des Interviews. Angesichts der Umstände ein doppeldeutiger Satz mit Beigeschmack. Ähnlich wie beim Rücktritt Patrick Graichens profitiert Habeck auch dieses Mal, um im entscheidenden Moment nicht in der Schusslinie zu stehen.

Die Habeckiade kennt aber noch einen zweiten verräterischen Satz. Lang und Nouripour hätten eine „Verantwortung übernommen, die ich auch trage“. Der Zuschauer fragt sich: Warum übernimmt Habeck dann nicht auch Verantwortung und zieht dieselbe Konsequenz?

Auch ZDF-Journalist Christian Sievers wundert sich bei den Lobeshymnen auf die ausgeschiedenen Obergrünen. So, wie er das beschreibe, seien die beiden ja die „perfekten Parteivorsitzenden“ gewesen. Warum seien die denn dann zurückgetreten? Welche Fehler haben sie begangen?

Habecks Entgegnung: „Weil sie heute zurückgetreten sind, zeigt das, was für gute Parteivorsitzende sie sind.“ Wieder stellt sich die Frage: Wie definiert sich dann ein guter Bundeswirtschaftsminister?

Auch danach stimmt Robert Habeck das Loblied auf die Parteikollegen an, obwohl bei der Hälfte des Führungsduos klar war, dass Habeck explizit „die Schnauze voll“ von ihr hatte. Sie hätten sich „In den Dienst der Sache“ gestellt. Dieses „Opfer“ hätten sie gebracht, damit „die Partei nochmal neu starten“ könne. Mit dem einzigen Unterschied freilich, dass zur nächsten Bundestagswahl der Kanzlerkandidat nicht Annalena Baerbock, sondern Robert Habeck heißen wird. Ähnlich wie man bei der CDU die Alteisen Norbert Röttgen und Karl-Theodor zu Guttenberg verramscht hat, damit Hoffnungsträgerin Angela Merkel noch einmal Kanzlerin werden konnte. Habeck redet von der Vergangenheit der Parteichefs, spricht aber in Wirklichkeit über seine eigene Zukunft. „Das wird auch nicht vergessen werden“, betont er.

Nun tritt der eigentliche „Pendlerpauschalen-Effekt“ ein – denn Sievers fragt nach. Wie Habeck denn persönlich die Performance der beiden fand, lässt sich der ZDF-Journalist – anders als sonst viele Kollegen – nicht beirren. Habeck spricht von Vertrauen, von schwierigen Situationen, die beide gemeistert hätten, „die haben das schon gut gemacht“.

Das Gespräch dauert bereits über eine Minute. Der große rosa Elefant – die verlorenen Landtagswahlen der Grünen seit Jahren – steht weiterhin unbedient im Raum und sehnt sich nach Käsekuchen.

„Ich habe jetzt immer noch nicht verstanden, warum sie gehen müssen“, setzt Sievers nach. Es ist nun das dritte Mal, dass er dieselbe Frage stellt. „Damit die Partei aus dieser schwierigen Lage, so ihre eigene Analyse, rauskommen kann“, entgegnet Habeck gereizt. Damit könnten die Grünen „neue Kraft schöpfen“ und mit „dieser neuen Kraft“ das Angebot, „dass die Grünen ja sind“ noch einmal „optimistisch, leidenschaftlich“ mit „neuen Leuten, mit neuen Köpfen“ vortragen.

Übersetzt: Ideen und Rezepte sind super. Das Angebot, die Grünen, sind spitze. Man muss nur mehr Emotion reinbringen. Mit anderen Leuten. Dann klappt es.
Sonst bleibt alles gleich. Als Sievers später unumwunden davon spricht, ob der „kraftvolle Neuanfang“ Robert Habeck selbst ist, bejaht er diese Frage, wenn auch in viele Floskeln eingekleidet.

Mittlerweile reißt die zweite Minute an. Von Selbstkritik oder gar dem Auslöser der Krise – nämlich die Abwatschung durch die Wähler – ist immer noch nichts zu sehen. Sievers legt den Ball vor: Lag es an den Inhalten, dass die Grünen im Osten eine Niederlage nach der nächsten einfuhren?

Habeck: „Nein. Das lag an verschiedenen Punkten, an verschiedenen Konstellationen.“ Es sei maßgeblich der „Bundestrend“ dafür verantwortlich. Und der Bundestrend werde von Bundespolitikern gemacht. „Es liegt auch eine große Verantwortung an mir, der ich mich auch vollumfänglich stellen will.“ Aha. „Weil man aber aus einem Regierungsamt nicht so einfach rausgeht wegen schlechten Wahlergebnissen, hat der Vorstand heute gezeigt, dass die Grünen immer noch eine ungewöhnliche Partei sind, die aus sich selbst heraus die Kraft zur Erneuerung aufbringt.“

Das muss man sacken lassen. Habeck weiß, dass er es schuld ist. Habeck sagt, dass er verantwortlich ist. Da er aber nicht gehen „kann“, müssen es andere tun. Dafür dankt er den Grünen.

An dieser Stelle kann man den Vortrag abbrechen. Habeck sagt selbst, dass er der Mühlstein ist, der die Grünen in den Brunnen zieht. Der Vizekanzler ist aber nicht bereit, selber Konsequenzen zu ziehen, wie sie etwa Kanzler Gerhard Schröder nach Landtagswahlen gezogen hätte. Das bringt Erleichterung. Nicht für die Grünen, aber für die AfD: Sie behält ihren besten Wahlkämpfer.

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