„Annalena Baerbock: Das ist keine Außenpolitik, das ist ein Ego-Trip.“ So lautet die Überschrift eines bemerkenswerten Artikels in der „Berliner Zeitung“ aus dem Februar dieses Jahres. Der Text seziert unbarmherzig den diplomatischen Ansatz der grünen Außenministerin, den sie selbst wahlweise als „wertebasiert“, wahlweise als „feministisch“ bewirbt.
Es sind klassische Begriffe aus dem Arsenal grüner Wohlfühl-Wörter. Sie funktionieren nach dem Prinzip Potemkin‘scher Dörfer: hübsche Fassade mit genau nichts dahinter. Baerbocks öffentlicher Redeschwall steht in direktem Gegensatz zu ihren greifbaren außenpolitischen Erfolgen: Das hört man immer öfter von erfahrenen Mitarbeitern im Auswärtigen Amt – natürlich diplomatisch diskret, also nur hinter vorgehaltener Hand und wenn die Kameras und Mikrofone abgeschaltet sind.
Das jüngste Beispiel für Außenpolitik nach Annalena-Art konnte man gerade in New York auf der Sitzung des UN-Sicherheitsrats besichtigen. Dort griff Baerbock Russland und dessen Präsidenten Wladimir Putin frontal an. Zum russischen UN-Botschafter sagte sie: „Der stärkste Mann Ihres Landes kann sich hinter Teenagerinnen verstecken, die er entführt hat. Aber die Welt können Sie nicht täuschen.“
Der bizarre Auftritt war kein Ausrutscher, sondern er folgt einem klaren Muster. Seit dem Amtsantritt der Grünen beschränkt sich deutsche Außenpolitik fast völlig auf eine Mischung aus moralisierenden Appellen und unreifen Ausfällen. Das, was Diplomatie außerhalb der grünen Wunschvorstellung in der Wirklichkeit ausmacht – Verhandlungen, Deals, Gespräche im Geheimen, Kompromisse – findet nicht mehr statt, jedenfalls nicht mit deutscher Beteiligung.
Baerbock schlägt einen Ton an, der auf einem Grünen-Parteitag vielleicht noch so mittelgut ankommt, auf dem internationalen Parkett aber definitiv mehr als nur mittelgroßen Schaden anrichtet. Es drängt sich der Eindruck auf, dass der 43-Jährigen echte außenpolitische Resultate in Wahrheit eher egal sind: Deutlich wichtiger ist der Grünen ihr Bild in den Medien und in der Partei. Dazu passt, dass im Auswärtigen Amt Baerbocks Hoffotograf übereinstimmend und völlig unironisch als ihr wichtigster Mitarbeiter bezeichnet wird.
In Asien ist es von überragender sozialer Bedeutung, nicht das Gesicht zu verlieren. Deshalb gilt es dort als enorm unhöflich, sein Gegenüber in der Öffentlichkeit bloßzustellen. Noch weniger akzeptabel ist es, jemanden dazu zu zwingen, unhöflich zu sein. Genau das aber tat Baerbock mit ihren fortgesetzten Attacken: Sie zwang Qin Gang dazu, ihr für chinesische Verhältnisse geradezu unerhört deutlich zu antworten: „Was China am wenigsten braucht, ist ein Lehrmeister aus dem Westen.“
In den deutschen Botschaften und Konsulaten rund um den Globus sitzt der Frust mittlerweile tief. In mühsamer und jahrelanger Kleinarbeit versuchen dort die Mitarbeiter, Vertrauen und gute Beziehung aufzubauen. Dann kommt Baerbock mit ihrem moralischen Vorschlaghammer und reißt alles wieder ein. Klagen über die Frau Außenministerin müssen sich deutsche Diplomaten inzwischen nahezu jeden Tag anhören.
Inhaltlich bleibt der Baerbock’sche Ansatz überall fruchtlos. Wenn die Grüne autoritäre Staatsführer naseweis dazu auffordert, die Menschenrechte zu achten, können die Angesprochenen nur müde lächeln. An der Menschenrechtslage vor Ort ändert sich dadurch nichts – genauso wenig, wie die Außenministerin die Lage von Frauen dadurch verbessert, dass sie in streng muslimischen Ländern mehr Frauenrechte fordert.
Die Bundesrepublik hatte zweifellos einige fähige Chefdiplomaten: Konrad Adenauer, Willy Brandt, Hans-Dietrich Genscher. Auch der Grüne Joschka Fischer hat deutsche Interessen im Ausland vernünftig vertreten.
Außenpolitik findet immer im Spannungsfeld zwischen Moral und Interesse statt. Nur auf die Moral zu setzen, hat zwei fundamentale Schwachstellen: Erstens – Moral ist nicht universell. Dort, wo es abweichende moralische Vorstellungen gibt, fährt dieser Ansatz immer gegen die Wand. Und zweitens: Selbst in einer moralischen Debatte ist es doch eher unwahrscheinlich, dass die Welt ausgerechnet auf Annalena Baerbock und Deutschland als Vorbild gewartet hat.
Doch die grüne Außenministerin wird absehbar weiter mit dem Flugzeug durch die Welt jetten und ihre Gastgeber allüberall undiplomatisch zu belehren versuchen. Für Baerbock persönlich mag sich das vielleicht sogar auszahlen: in Zustimmungswerten bei grünen Journalisten, bei progressiven NGOs, bei einer feministisch angehauchten Wählerklientel und in der grünen Partei.
Für Deutschland allerdings richtet der als Außenpolitik verkleidete persönliche Dauer-Wahlkampf der Annalena Baerbock einen Schaden an, dessen Ausmaße noch gar nicht richtig abzusehen sind.