Tichys Einblick
TE-Serie Demografie 3 von 4:

Die Einleitung der demografischen Wende: Dezentralisierung & Bildungsreform

Nachdem in Teil 2 der TE-Serie zur Demografie einige zentrale Ursachen der demografischen Krise behandelt wurden, sollen ab Teil 3 mögliche Lösungsansätze vorgestellt werden. Dabei stehen Dezentralisierung, eine Bildungswende und die Rückkehr zum Einverdienerhaushalt zentral.

picture-alliance / Sven Simon | SVEN SIMON

Die weltweite demografische Krise hat viele Ursachen, sodass es auch keine einzelne Maßnahme gibt, die diese Krise lösen könnte. Stattdessen lassen sich von den bestehenden Ursachen Lösungen ableiten, die im Zusammenspiel miteinander die Möglichkeit böten, eine demografische Wende einzuleiten. Selbstverständlich hätten die hier vorgestellten Maßnahmen auch weitreichende Auswirkungen auf viele andere Bereiche des Lebens, die hier allerdings nicht im Detail aufgeführt werden können.

Die in Teil 3 und 4 vorgestellten Maßnahmen erheben somit weniger den Anspruch auf Alleingültigkeit, noch auf Vollständigkeit, sondern sind eher als erste Schritte zu verstehen, die sich konsequent aus der vorliegenden Problematik ableiten. Sicherlich würden weitere Schritte gesetzt werden müssen, die sich aber fast von selbst aufdrängen würden, wenn eine Gesellschaft die folgenden Lösungsansätze umsetzen würde.

Dezentralisierung

Die Entwicklung der Stadt ist eines der faszinierendsten Elemente der Menschheitsgeschichte und Städte waren ein wichtiger Motor der Entwicklung der Zivilisation. In Zeiten vergleichsweise geringer Urbanisierung waren die Nachteile der Stadt, darunter eine deutlich niedrigere Geburtenrate als auf dem Land, für Gesellschaften leicht zu kompensieren. Doch in einer Zeit, in der erstmals in der Menschheitsgeschichte weltweit mehr Menschen in Städten als auf dem Land leben, hat dies desaströse Auswirkungen auf die weltweite Geburtenrate.

Städte sind keine Orte, die die Aufzucht von Kindern begünstigen, zumal diese in urbanen Gesellschaften kaum noch zum Familienbetrieb beitragen oder als Altersvorsorge dienen. Diesem prinzipiellen Dilemma begegnen wir noch einmal an späterer Stelle. Städteplanerisch darf jedoch nicht vergessen werden, dass die moderne Stadt auf ein Höchstmaß an Effizienz ausgerichtet ist, dabei aber jedwede Redundanz in Sachen Wohnraum, die die Gründung einer Familie begünstigt, wegrationalisiert wird. Wer zu absurden Preisen auf engstem Raum wohnt, dessen Fortpflanzungswille trifft auf gewisse Barrieren, die dazu führen können, dass eine Familie statt zwei oder drei Kindern, nur eines oder gar keines hat.

Aber Stadt ist nicht gleich Stadt. Während weitläufige Außenbezirke wie in den USA städteplanerisch mittlerweile verpönt sind, begünstigt diese Anlage die Familiengründung im Vergleich zu modernen Metropolen, wie sich auch im ostasiatischen Raum weit verbreitet sind, in denen Menschen meist äußerst effizient auf engstem Wohnraum in Wohnblöcken zusammengepfercht werden.

Der Entwicklung der Stadt steht dabei die Stagnation und die Entvölkerung des Landes gegenüber. Dabei gehen, als Parallele zum Niedergang des Mittelstands, vor allem die kleinen bis mittelgroßen Städte verloren und es bleibt vielen Menschen nur noch die Wahl zwischen dem Leben in einer Metropole und dem Einsiedlertum in strukturarmen Regionen.

Dabei lag gerade in den mittelgroßen Städten Deutschlands früher ein großer Teil seines kulturellen, aber auch ökonomischen Reichtums. Lebenswert und konkurrenzfähig machte diese Städte unter anderem auch ihr Anspruch, die Bedürfnisse einer gebildeten Bevölkerung selbst befriedigen zu können, inklusive kultureller Angebote, Bildung und Unterhaltung aller Couleur.

Anstatt Menschen in immer weiter wuchernden Megastädten um der vermeintlichen Produktivität willen zusammen zu pferchen, muss eine gesunde Gesellschaft der Zukunft eine bewusste Politik der Dezentralisierung betreiben, die zur Not auch eine Verteilung sowohl des wirtschaftlichen, als auch kulturellen Potenzials forciert, um Städte wieder zu überschaubaren, aber auch vollständigen Lebensräumen zu machen, die Familiengründungen begünstigen, anstatt alles Humankapital auf einige wenige Ballungsräume zu konzentrieren.

Bildungswende

Der Rückgang der Geburtenraten begann historisch parallel mit dem Siegeszug der Alphabetisierung. Ausgehend vom protestantischen Raum Nordeuropas, wo die Alphabetisierungsrate bereits ab dem 17. Jahrhundert anstieg, erreichte diese Entwicklung fast die gesamte Welt und korrelierte dabei immer mit fallenden Geburtenraten, wobei vor allem der Zugang von Frauen zur Bildung zu einem entscheidenden Faktor wurde.

Dieser Prozess beschleunigte sich noch einmal mit der akademischen Revolution der 60er Jahre, die dazu führte, dass mittlerweile über die Hälfte aller jungen Erwachsenen ein Studium beginnen und sich folglich dem akademischen Milieu anschließen. Entgegen der utopischen Prognosen der Vorkämpfer dieser Entwicklung, führte dies allerdings nicht zu einer Wissensexplosion, sondern zu akademischer Inflation und der massiven Entstehung von sogenannten „Bullshit-Jobs“, die kaum einen wirtschaftlichen Mehrwert haben und schon gar nicht einer akademischen Ausbildung bedürfen.

Dieser fast schon universelle Zugang zu höherer Ausbildung führte nicht nur zu einer Entwertung der Akademie, sondern hatte auch gravierenden Einfluss auf die Geburtenraten. Im modernen, von Ideologie verseuchten, akademischen Raum haben Frauen – statistisch nachweislich – mittlerweile größeren Erfolg, auch wenn sie – ebenfalls statistisch nachweislich – weniger intellektuelle Ausreißer (nach oben wie unten) hervorbringen, als Männer. Es ist das erklärte Ziel von Konzernen, Parteien, NGOs und ganzen Staaten, Frauen im modernen tertiären Sektor akademisch ausgebildeter Bürokraten zu verankern. Das allerdings führt dazu, dass diese Frauen, wenn überhaupt, weitaus später Familien gründen, als sie es früher taten, da Studium und Karriere erst einmal Vorrang haben.

Darüber hinaus verschlechtert diese soziale Positionierung von Frauen deren Erfolgsaussichten auf dem sexuellen Marktplatz drastisch. Die biologischen Instinkte von Männern und Frauen sprechen hierbei eine eindeutige Sprache. Während Männer primär nach Attraktivität und Fruchtbarkeit (die bei Frauen mit Anfang 20 ihren Höhepunkt erreicht) selektieren, suchen selbst erfolgreiche Frauen instinktiv nach Männern, die die Rolle Versorgers übernehmen können, was in der modernen Welt ein – idealerweise deutlich – höheres Einkommen voraussetzt. Doch Männer, die selbst über ein höheres Einkommen verfügen, als erfolgreiche Karrierefrauen, haben meist freie Wahl auf dem Datingmarkt und entscheiden sich ihren Instinkten entsprechend für jüngere Frauen, da der berufliche und soziale Erfolg einer Frau für Männer höchstens ein untergeordnetes Selektionskriterium darstellt.

Während die Vorstellung einer dezentralisierten Gesellschaft, die Megastädte entzerrt, noch attraktiv erscheinen mag, ist die Bildungswende der erste Punkt, an dem das notwendige Regulativ für viele schmerzhaft wäre. Entgegen aller Lebenslügen und Utopien der 60er Jahre, benötigt eine Gesellschaft nicht 50 Prozent Akademiker, eine einfache Tatsache, die vom explosionsartigen Anstieg der dazugehörigen Bullshit-Jobs begleitet wurde.

Die moderne Massenuniversität ist vor allem ein ideologisches Projekt, da mit ihr ein hoher Grad an ideologischer Gleichschaltung einhergeht. Stattdessen müssen Universitäten wieder zu einem Ort für die Herausbildung geistiger Eliten werden, die zentrale Fächer gesellschaftlicher Relevanz studieren, anstatt einen möglichst großen Anteil der Bevölkerung durchs Studium zu schleppen.

Viele der nun durch Studien zugänglichen Berufe würden somit entweder vollständig entfallen oder im Zuge einfacher Berufsausbildungen zugänglich gemacht werden. Der berufliche Einstieg ließe sich so um einige Jahre vorverlegen, was erfolgreichen Familiengründungen innerhalb des Fruchtbarkeitsfensters von Frauen zu Gute käme.

Die unumgängliche Rückkehr des Einverdienerhaushalts

Mit der massiven Eingliederung von Frauen in die Arbeitswelt seit den 1960er Jahren sank auch der Wert der Ware Arbeitskraft. Im ausufernden tertiären Sektor und seinen zahllosen Bullshit-Jobs gibt es kaum noch eine Funktion, in der die natürliche körperliche Überlegenheit von Männern einen Vorteil bedeutet, sodass die Verdopplung der Arbeitnehmer auf dem Markt im Laufe der Zeit zu einer Halbierung von deren Wert führte. Dies kommt in einer einfachen Rechnung zum Ausdruck: Wo früher noch ein Gehalt reichte, um eine Familie über die Runden zu bringen, bedarf es nun zweier Gehälter.

Vor allem ältere Semester schreiben diese gefühlte Notwendigkeit einem besonderen Hedonismus jüngerer Generationen, bzw. deren ausufernden Konsumverhalten zu. Wer sich allerdings die Preisentwicklung von Immobilien im Vergleich zu den Durchschnittsgehältern ansieht, wird feststellen, dass es wohl doch nicht nur am neuen iPhone liegt, zumal es ja gerade die Wohlstandsgeneration der Boomer war, die den jährlichen Urlaub mit Flieger am Strand zu einer Institution machte, die frühere und nachfolgende Generationen nicht kannten und kennen werden.

Ein weiterer Kritikpunkt an der Generation Z lautet, dass es ihr an Arbeitsmoral mangele und sie nicht bereit sei Leistung zu erbringen. Dabei wird aber zu gerne übersehen, dass es mittlerweile in fast jedem Berufszweig die Norm ist, unbezahlte Überstunden abzuleisten und die Arbeitnehmer dabei schon fast in emotionale Geiselhaft genommen werden. Das wiederum wird mit einem realen Konkurrenzdruck, teils aus anderen Weltregionen, gerechtfertigt.

Zugegebenermaßen ist der stagnierende Euro-Raum wirtschaftlich schon längst am Pannenstreifen der ökonomischen Autobahn gestrandet, wer aber einen Blick auf die demografischen Entwicklung weltweit wirft, wird bemerken, dass sich das ostasiatische Wirtschaftswunder, in dem ganze Legionen höchst ausgebildeter Absolventen zum Billigtarif 18 Stunden am Tag in Labors schuften, mit ein Grund dafür ist, dass diese ostasiatischen Ballungsräume im schlimmsten demografischen Teufelskreis weltweit gefangen sind und in einigen Jahrzehnten die unvermeidliche Rechnung für dieses Ausmaß an Produktivitätsoptimierung erhalten werden.

Eine Gesellschaft, die wieder den Einverdienerhaushalt zur Norm macht, müsste de facto ihre Löhne verdoppeln, was im Gegenzug erst einmal einen wirtschaftlichen Wettbewerbsnachteil im internationalen Vergleich bedeuten würde. Allerdings nur auf kurze Sicht, denn während alle Nationen, die sehenden Auges auf ihren demografischen Untergang zusteuern, kurzfristig ihre Produktivität maximieren können, werden Nationen, die einen kurzfristigen Produktivitätsmalus in Kauf nehmen, um als Gesellschaft wieder dynastisch zu denken, mittelfristig florieren, während die heutigen Maximierer vor dem Scherbenhaufen ihrer verfehlten demografischen Politik stehen werden.

Davon abgesehen darf man davon ausgehen, dass bei entsprechender Bereinigung von Bullshit-Jobs und der Entakademisierung der Gesellschaft der tatsächliche Produktivitätsrückgang weitaus geringer ausfallen würde, als vermutet. Anstatt Universitäts-Absolventen in steuergeldfinanzierten Beschäftigungstherapien gefangen zu halten, könnte eine Gesellschaft die selben Steuergelder bei den Arbeitgebern belassen und diese dafür höhere Löhne ausbezahlen lassen, sodass Kräfte freigemacht würden, um Häuser und Heime wieder zu hegen, zu pflegen und zu einladenden Orten für Nachwuchs zu machen.

Die vorangegangen Teile der TE-Serie zur demografischen Wende finden Sie hier:

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