Tichys Einblick
TE-Serie Demografie 1 von 4:

“Der Wandel, den wir brauchen, ist zutiefst kulturell bedingt”

Zum Auftakt einer vierteiligen Reihe zur demografischen Krise unterhielt sich TE mit dem tschechischen Youtuber KaiserBauch, der seinen Kanal detaillierten Analysen demografischer Entwicklungen widmet und damit hunderttausende Zuschauer erreicht.

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Der tschechische Youtuber KaiserBauch betreibt seit knapp zwei Jahren einen Kanal, auf dem er sich in detaillierten Analysen der demografischen Krise in weiten Teilen der Welt, sowie den Auswirkungen der ethnischen Veränderungen im Zuge der Massenimmigration in den Westen widmet. Zwar bezeichnet sich der unter Pseudonym agierende KaiserBauch als „enthusiastischen Amateur“, aber mit seinen äußerst gründlichen Analysen führte er hunderttausende Zuseher an die Gefahren der drohenden demografischen Krise heran. Im Gespräch mit TE unterhielten wir uns über einige der zentralen Gründe für die weltweite Krise, sowie über mögliche Lösungsansätze.

Tichys Einblick: Sie haben Ihren Youtube-Kanal einer detaillierten Analyse verschiedener Aspekte der weltweiten demografischen Krise gewidmet. Was zunächst wie ein Nischenthema anmutet, hat Ihnen bereits mehr als 50.000 Abonnenten eingebracht. Was hat Sie dazu bewogen, sich diesem Thema zu widmen?

KaiserBauch: Irgendwann in meinem Leben, ich glaube so um 2019 herum, begann mich das Thema Demografie und ihre Auswirkungen auf die Geschichte und das Weltgeschehen im Allgemeinen von selbst absolut zu faszinieren. Wenn man sich einige Zeit mit diesem Thema beschäftigt, wird es unmöglich, nicht zu sehen, wie diese Fragestellungen das kulturelle, wirtschaftliche und politische Umfeld der Welt prägen. Die Demografie ist einer der wichtigsten Faktoren, der unsere Gesellschaft beeinflusst und dennoch wird ihm in der Mainstream-Analyse, aber auch in der Geschichtsschreibung und in der Wirtschaftswissenschaft nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

Wie die Demografie geschichtliche Ereignisse prägte, z. B. den Aufstieg des Westens zur führenden Weltmacht im 19. Jahrhundert oder die Weltkriege, wird entweder nicht erwähnt oder ist ein Detail am Rande. Ich würde behaupten, dass das Verständnis der demografischen Grundlagen absolut notwendig ist, um das Gesamtbild zu verstehen. Als ich immer tiefer in den demografischen Kaninchenbau eintauchte, fiel mir auf, dass dieses Thema nicht einmal auf Youtube ausführlich behandelt wird, also dachte ich, vielleicht sollte ich versuchen, diese Lücke zu füllen. Es stellte sich heraus, dass es die richtige Entscheidung war, denn das Thema fand offensichtlich Anklang bei den Leuten und der Kanal fand schnell sein Publikum.

Viele Menschen sind sich des Ausmaßes der demografischen Krise immer noch nicht bewusst und gehen von falschen Annahmen aus, die von der völligen Unkenntnis des bevorstehenden Bevölkerungszusammenbruchs über den Glauben, dass ein geringer Bevölkerungsrückgang uns nicht schaden würde, bis hin zu dem Mythos reichen, dass alle muslimischen Länder sich immer noch viel stärker vermehren, als sie es tatsächlich tun. Was sind einige der wichtigsten Fakten über die demografische Krise, die jeder kennen sollte, und welche Legenden müssen dringend ausgeräumt werden, um ein breiteres Bewusstsein für das Problem zu schaffen?

Das ist eine gute Frage. In erster Linie würde ich auf zwei Tatsachen hinweisen: Erstens neigen die Menschen dazu, sich auf die Gesamtbevölkerungszahl zu konzentrieren und den wichtigeren Teil zu ignorieren: die Altersstruktur. Dabei ist es gerade die Altersstruktur, die die wirtschaftliche und kulturelle Dynamik von Gesellschaften beeinflusst. Wenn das Durchschnittsalter sehr niedrig ist, sind Gesellschaften eher gewalttätig und instabil, aber auch sehr dynamisch und expansiv. Liegt es allerdings sehr hoch, sind sie zwar friedlicher und ruhiger, aber sie verlieren auch einen Großteil ihrer Dynamik. Dies ist vergleichbar mit dem Lebenszyklus eines Menschen. Aufgrund des massiven Anstiegs der Lebenserwartung im letzten Jahrhundert wurde der Bevölkerungsrückgang, der die unausweichliche Folge der langfristig niedrigen Fruchtbarkeit ist, lange Zeit verdeckt, da die Menschen, die in den Zeiten höherer Fruchtbarkeit geboren wurden, sich in den älteren Altersgruppen ansammeln.

Die Bevölkerung vieler westlicher Länder – Deutschland ist dafür ein sehr gutes Beispiel – ist daher, auch durch massive Einwanderung aufgebläht, immer noch groß, aber sie ist mittlerweile sehr alt. Wenn die große Nachkriegsgeneration abzusterben beginnt, wird sich der Rückgang deutlich beschleunigen. Die massive Überalterung der Bevölkerung hat weitreichende Folgen, die wir noch immer nicht vollständig begreifen können, da keine Gesellschaft in der Geschichte jemals damit konfrontiert war. In der Vergangenheit gab es auch große Bevölkerungsrückgänge, die durch Kriege, Hungersnöte und Epidemien, wie den Schwarzen Tod, verursacht wurden. Von Hungersnöten und Epidemien waren jedoch in der Regel die jüngsten und die ältesten Altersgruppen am stärksten betroffen, da die Kinder und die älteren Menschen in diesen Szenarien am ehesten starben. Nach dieser Bevölkerungsreduzierung hatte man zwar eine kleinere Bevölkerung, aber nicht die beschädigte Altersstruktur, die wir heute haben. Aufgrund der allgemein hohen Geburtenraten in der Vormoderne konnte sich die Bevölkerung selbst wieder auffüllen.

Aber jetzt haben wir eine andere Situation, in der jede neue Generation kleiner ist als die vorherige. Es gibt mehr 50-Jährige als 40-Jährige, mehr 40-Jährige als 30-Jährige, mehr 30-Jährige als 20-Jährige und so weiter. Solange die Geburtenrate nicht auf das Reproduktionsniveau oder darüber ansteigt, wird dieser Rückgang nicht aufhören und keineswegs gering sein. Da die Generationen, die in Zeiten niedriger Fertilität geboren wurden, selbst eine niedrige Fertilität aufweisen, nimmt der Rückgang zudem exponentiell zu. Kleine Kohorten von Menschen bringen noch kleinere Kohorten von Kindern hervor. Eine Bevölkerung mit einer Fruchtbarkeitsrate von 1,3 könnte in einem Jahrhundert auf ein Drittel ihrer ursprünglichen Größe geschrumpft sein. Und da Sie auf die muslimische Welt und den Mythos ihrer immerwährend hohen Fruchtbarkeit anspielten: Es stimmt, dass die muslimischen Länder, die ein gewisses Maß an Modernität erreicht haben, wie z. B. einen hohen Urbanisierungsgrad oder ein gewisses Maß an weiblicher Bildung, tendenziell auch eine niedrige Fruchtbarkeit aufweisen. Die Fruchtbarkeitsrate in der Türkei oder im Iran liegt auf europäischem Niveau.

Sie haben die unterschiedlichen Situationen in einer Vielzahl von Ländern der Welt analysiert und sowohl regionale Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten festgestellt. Was sind Ihrer Meinung nach die Hauptursachen für die weltweit sinkenden Geburtenraten?

Was dem Rückgang der Geburtenraten von den wirklich hohen vormodernen Werten vorausgeht, ist der Rückgang der Säuglingssterblichkeit. Während des größten Teils der Geschichte haben sehr viele Babys, bis zu ein Drittel von ihnen, ihr erstes Lebensjahr nicht überlebt. Danach sind meiner Meinung nach die wichtigsten Faktoren der Zugang von Frauen zu Bildung und Arbeit, die Verstädterung und die Säkularisierung, allerdings nicht in der Reihenfolge ihrer Bedeutung. Als menschliche Spezies haben wir uns in sehr kurzer Zeit von einer überwiegend ländlichen zu einer überwiegend städtischen Lebensweise entwickelt. Wenn man auf einem Bauernhof lebt und vom Land zehrt, ist jedes weitere Kind ein zusätzliches Paar Hände, die auf dem Hof mithelfen. Wenn man in der Stadt lebt und in einer Fabrik oder in einem Büro arbeitet, werden Kinder zu reinen Kostenfaktoren.

Stark verankerte, pro-natalistische kulturelle Normen können jedoch auch in einem städtischen Umfeld zu einer sehr hohen Fruchtbarkeit führen, wie das Beispiel der ultra-orthodoxen Haredi-Juden zeigt, die überwiegend in Großstädten leben. Diese drei Faktoren – Verstädterung, massenhafter Eintritt von Frauen in den Bildungs- und Arbeitsmarkt und Säkularisierung – sind miteinander verwoben und verstärken sich gegenseitig. Städte sind von Natur aus säkularer als ländliche Gebiete, da sie diesem Naturell entsprechend eine kosmopolitische Lebensauffassung fördern, in der viele verschiedene Überzeugungen kollidieren. Die Art der Arbeit, die von den Menschen in der modernen Industrie- und Dienstleistungswirtschaft in den Städten verrichtet wird, macht den Unterschied zwischen der Wirtschaftsleistung von Männern und Frauen im Gegensatz zur schweren körperlichen Arbeit in der Landwirtschaft vernachlässigbar.

Auch das Aufkommen von sozialen Medien und Smartphones scheint großen Einfluss auf die geistige Gesundheit und die sozialen Fähigkeiten der jüngeren Generationen zu haben und diese stark negativ zu beeinflussen. In den letzten fünf bis zehn Jahren sind die Geburtenraten in einer Reihe von Ländern der westlichen Welt auf den niedrigsten Stand aller Zeiten oder zumindest sehr nahe daran gesunken. Dazu zählen die Vereinigten Staaten, Kanada, Australien, Neuseeland, das Vereinigte Königreich, Schweden, Dänemark, Norwegen, die Niederlande, Frankreich, Belgien, Finnland und Irland sowie viele Ländern auf der ganzen Welt wie Chile, Thailand, Tunesien, die Philippinen, Argentinien, Brasilien, Weißrussland oder auch der Iran. Wahrscheinlich ist der einzige gemeinsame Nenner all dieser Länder, dass die jungen Generationen, die mit sozialen Medien und digitalen Geräten aufwuchsen, jetzt ins gebärfähige Alter kommen.

Könnte es neben Faktoren wie Verstädterung und Alphabetisierung noch einen weiteren Faktor geben, der auf einer wohlstandsbedingten “Akedia” (Überdruss) basiert und den Fortpflanzungstrieb zum Erlahmen bringt? Calhouns berühmtes Universe-25-Experiment zeigte viele Verhaltensmuster, die den heutigen menschlichen Verhaltensweisen unheimlich ähnlich sind, doch trotz des Zusammenbruchs der Mäusepopulation war ihr relativer Wohlstand im Hinblick auf Grundbedürfnisse wie Nahrung bis zum Schluss erfüllt. Es scheint, als ob existenzieller Druck, wie z.B. im Falle Israels, der Fruchtbarkeit nicht schadet, sondern sie eher fördert. Gibt es, was die Fruchtbarkeit betrifft, eine Möglichkeit, dieses durch den Wohlstand verursachte Sättigungsgefühl zu überwinden, ohne die Menschheit auf einen weniger zivilisierten Zustand zurückzustufen?

Das ist eine der entscheidenden Fragen, die auch ich mir oft stelle. Um ehrlich zu sein, habe ich nicht wirklich eine Antwort darauf. Zwar kann ich die wissenschaftliche Gültigkeit möglicher biologischer Parallelen zwischen der Mäuse-Utopie und der menschlichen Zivilisation nicht wirklich bestätigen, doch scheint es mit Sicherheit gewisse beunruhigende Ähnlichkeiten zwischen unserer Situation und dem Mäuse-Utopie-Experiment zu geben, auch wenn sie vielleicht nur metaphorischer Art sind. Vielleicht haben wir ein solches Ausmaß an Abgrenzung und Entfremdung von unserem natürlichen Zustand erreicht, dass unsere grundlegenden Instinkte, wie der Drang zur Fortpflanzung, schwächer werden. Manche behaupten, wir befänden uns mitten in einem großen Engpass natürlicher Selektion, in dem unsere Umgebung so antinatalistisch ist, dass nur noch diejenigen, die genetisch am meisten zur Fortpflanzung veranlagt sind, dies auch tun. Die genetischen Studien, die ich mir angesehen habe, sind jedoch nicht sehr aussagekräftig. Während die Genetik höchstwahrscheinlich die Neigung zur Fortpflanzung beeinflusst, scheint es, dass die Kultur einen viel stärkeren Einfluss hat, der die genetischen Prädispositionen außer Kraft setzen kann.

Wir sollten alle hoffen, dass wir einen Ausweg aus unserer misslichen Lage finden können, ohne dass die technologische Moderne zusammenbricht. Das Beispiel Israels ist von entscheidender Bedeutung, da es beweist, dass ein moderner, urbanisierter, wohlhabender und gebildeter Staat in der Tat überdurchschnittlich hohe Geburtenraten haben kann, wenn seine Bevölkerung aufgrund des starken Drucks von außen ein gemeinsames Sendungsbewusstsein teilt. Die Israelis wissen, dass sie es sich nicht leisten können, in die Falle niedriger Fruchtbarkeit zu tappen, da dies zur Zerstörung ihres Staates durch äußere Feinde führen könnte. Im Westen und bei vielen anderen Völkern, die unter geringer Fruchtbarkeit leiden, gibt es keinen solchen Druck. Der Fall Israels ist jedoch sehr spezifisch und hängt mit der Geschichte der jüdischen Nation als verfolgte ethnische Gruppe mit einer 2000 Jahre alten Überlebensmentalität zusammen.

In einigen Ihrer Videos sprechen Sie von Versuchen, die demografische Krise durch eine geburtenfreundlichere Politik abzumildern, wie es etwa auch in Ungarn versucht wird. Gibt es auf der Grundlage Ihrer Studien zu diesem Thema bestimmte Maßnahmen, die sich als bewährte Methoden erweisen, oder gibt es – im Gegenteil – Maßnahmen, die besonders unwirksam zu sein scheinen?

Um ehrlich zu sein, scheinen all diese Versuche absolut vernachlässigbare Ergebnisse zu haben. Menschen dafür zu bezahlen, Kinder zu bekommen, funktioniert nicht. Ungarn hat 5 % seines BIP für verschiedene geburtenfördernde Maßnahmen ausgegeben, was zu einem sehr leichten und vorübergehenden Anstieg der Geburtenrate führte. In Singapur gibt es sehr gut durchdachte staatliche Programme, um Wohnraum für Erstkäufer erschwinglicher zu machen, dennoch liegt die Fruchtbarkeit in Singapur unter einem Kind pro Frau. Die Tatsache, dass Chinesen und andere ostasiatische Ethnien eine extrem niedrige Geburtenrate haben, unabhängig davon, ob sie in China, Südkorea, Japan, Singapur, Malaysia, Westeuropa oder den Vereinigten Staaten leben, also an Orten mit sehr unterschiedlichen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Bedingungen, deutet eher auf tiefe kulturelle Wurzeln dieser Probleme hin als auf materielle Bedingungen.

Die USA verfügen im Vergleich zu den meisten westeuropäischen Staaten über ein viel weniger ausgeprägtes soziales Sicherheitsnetz, einschließlich wirtschaftlicher Unterstützung für Mütter und Familien, und dennoch hatten sie jahrzehntelang eine deutlich höhere Geburtenrate. In dem bereits erwähnten Israel ist die geburtenfördernde Politik des Staates im Vergleich zu einem westeuropäischen Wohlfahrtsstaat nicht besonders umfangreich. Der Wandel, den wir brauchen, ist zutiefst kulturell bedingt. Ich bewundere Regierungen, die versuchen, Lösungen zu finden, aber das Problem lässt sich nicht einfach mit staatlichen Maßnahmen lösen, egal wie gut gemeint oder durchdacht sie sind.

Wie steht es mit Projekten zur Entwicklung ländlicher Gebiete, um diese unabhängiger von den ausufernden städtischen Regionen werden zu lassen? So sehr die Entwicklung der Städte mit der Entwicklung der modernen Zivilisation verbunden ist, so sehr scheint es, dass die fortschreitende Urbanisierung irgendwann auch zu ihrem Untergang führen könnte. Gibt es Anzeichen für eine „neue Dezentralisierung“?

Ich glaube nicht, dass wir zu diesem Zeitpunkt wirklich signifikante Dezentralisierungstendenzen sehen. Während der Covid-Pandemie mag es für einen Moment so ausgesehen haben, als viele Menschen die Städte verließen, um in einer ländlicheren Umgebung zu arbeiten, aber soweit ich weiß, drängen die Unternehmen auf eine Rückkehr in die Büros, da die Produktivität darunter gelitten hat. Was die Verstädterung anbelangt, so scheinen größere Wohnungen, wie sie meist in ländlichen oder vorstädtischen Gebieten anzutreffen sind, definitiv höhere Fruchtbarkeitsraten zu begünstigen. Betrachtet man typische ostasiatische Megastädte wie Seoul oder Peking, die eine extrem niedrige Fruchtbarkeit aufweisen, so wird deutlich, dass es dort sehr schwierig ist, eine große Familie zu gründen, da die meisten Menschen in riesigen Hochhäusern mit kleinen Wohnungen leben.

Große Wohnungen widersprechen jedoch dem Ziel der Gesamteffizienz des Stadtbetriebs, das in der Regel durch eine hohe Bebauungsdichte erreicht wird. Ich bin zwar kein Experte auf diesem Gebiet, aber ich habe den Eindruck, dass die meisten Stadtplaner die Vorstädte nach amerikanischem Vorbild nicht mögen. Ich bestreite nicht, dass sie eine ganze Reihe von Nachteilen mit sich bringen, aber die in den USA üblichen größeren Häuser könnten einer der Faktoren sein, die zur höheren Fruchtbarkeit der Amerikaner beitragen, da sie die Menschen dazu veranlassen, größere Familien zu gründen. Aber Amerika hat auch eine sehr niedrige Bevölkerungsdichte und viel Platz im Vergleich zu den meisten westeuropäischen Ländern.

In vielen westlichen Ländern, auch in Deutschland, gilt die Massenmigration mit all ihren Schattenseiten als Königsweg aus der demografischen Krise. In den letzten Jahren hat der Begriff der Remigration im öffentlichen Diskurs wieder an Bedeutung gewonnen. Halten Sie Remigration für eine sinnvolle Option?

Die Einwanderung nach Westeuropa ist eines der wichtigsten Themen, die ich auf meinem Kanal behandle. Wenn es nun um eine mögliche Rückwanderung geht, müssen wir meiner Meinung nach präzisieren, was genau wir mit diesem Wort meinen. Wenn damit die verstärkte Abschiebung von Menschen gemeint ist, die illegal eingewandert sind und/oder Probleme verursachen, z. B. Straftaten begehen, oder einfach keinen messbaren Beitrag zur Gesellschaft leisten, dann ist das durchaus machbar und meiner Meinung nach auch wünschenswert. Aber ich halte es für unwahrscheinlich, dass dies in einem Ausmaß geschieht, das die künftige ethnische Zusammensetzung der europäischen Länder, die oft schon seit Jahrzehnten eine massive Zuwanderung erfahren, wesentlich beeinflussen würde.

Wenn die Menschen glauben, dass Rückführungen zu einer Art Re-Homogenisierung Europas auf das Niveau von vor Jahrzehnten führen könnte, wie es oft suggeriert wird, werden sie meiner Meinung nach enttäuscht werden. Die Menschen neigen dazu, das Ausmaß der ethnischen Vielfalt der jüngeren Generationen in vielen europäischen Ländern zu unterschätzen. Die meisten Länder Kontinentaleuropas erheben keine ethnischen Daten, sondern nur Daten über die Staatsangehörigkeit, so dass es schwierig ist, die ethnische Zusammensetzung ihrer Bevölkerung genau zu beurteilen. Eine Ausnahme ist das Vereinigte Königreich. Aus den offiziellen Daten der britischen Regierung geht hervor, dass etwa 30 % der neuen Lebendgeburten in England Kinder nicht-europäischer Herkunft sind. Das bedeutet, dass das Vereinigte Königreich in Zukunft auch ohne weitere Zuwanderung allein durch Generationswechsel vielfältiger werden wird.

In der überwiegenden Mehrheit der europäischen Länder, fast in allen, nimmt die einheimische europäische Bevölkerung ab. In Deutschland ist dieser Prozess vielleicht weltweit am stärksten ausgeprägt, da die Geburtenrate in Deutschland seit 50 Jahren sehr niedrig ist und die ethnischen Deutschen ziemlich schnell aussterben. Staaten, die unter niedriger Fruchtbarkeit leiden, können entweder versuchen, die Folgen der massiven Überalterung abzuwehren, wie Japan oder Südkorea, oder sie bewältigen sie durch Einwanderung. Wenn sie sich jedoch wie Deutschland für die zweite Option entschieden haben, wäre eine Umkehrung des Prozesses sowohl intern als auch extern äußerst destabilisierend. Wir sprechen hier von Millionen von Menschen. Solche Bevölkerungsveränderungen finden in der Regel in Zeiten massiver sozialer Unruhen statt, zum Beispiel während Kriegen. Man denke nur an die Vertreibung der Deutschen aus Mittel- und Osteuropa nach dem Zweiten Weltkrieg. Aber Bevölkerungen mit einem sehr hohen Durchschnittsalter, wie die in Europa, nehmen solche drastischen Maßnahmen nicht sehr oft in Kauf.

Wie gesagt, ich denke, dass die Staaten versuchen sollten – und unter dem zunehmenden öffentlichen Druck wahrscheinlich auch versuchen werden – den drängendsten negativen Folgen der Masseneinwanderung durch verstärkte Abschiebungen Herr zu werden, aber ich glaube nicht, dass dies drastische Auswirkungen auf die ethnische Zukunft des Kontinents haben wird. Unser größtes Problem ist, dass wir, die einheimischen ethnischen Gruppen, aussterben. Würden wir wachsen, wäre die Einwanderung eine weit geringere Bedrohung.

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