Was haben Halbgebildete und all jene, die es noch werden wollen, in der Vergangenheit nicht spöttisch über die Byzantiner gelächelt, die noch während der Belagerung Konstantinopels eifrigst das Geschlecht von Engeln diskutiert haben sollen. Dem kann man aber entgegnen, dass diese Frage tatsächlich einer gewissen Ambivalenz unterlag, was man allerdings vom Geschlecht von Jesus Christus nicht behaupten kann. Das aber hält Anselm Schubert, stellvertretend für die Kirche der Anbiederung, nicht davon ab, die Geschlechterfrage Christi in einem Buch zu wälzen und sich damit bis in die Zeit vorzuschleimen.
In „Christus (m/w/d)“ zieht Schubert alle Register moderner Textexegese, um Eindeutiges zu Uneindeutigem umzudichten. So gesteht er zwar, dass das biologische Geschlecht von Jesus Christus in historischen Quellen eindeutig als männlich beschrieben wird, es aber nicht deutlich sei, wie Jesus „sich gefühlt“ habe, da dies in selbigen nicht thematisiert wurde. Daraus könnte man mit ein wenig gesundem Menschenverstand schließen, dass es sich für Christus einfach um ein non-Thema handelte, da er mit wichtigerem – zum Beispiel der Erlösung der Menschheit – beschäftigt war, aber so einfach lässt Schubert Christus nicht davon kommen.
Mit der Brechstange Applaus von queer.de einheimsen
Stattdessen wird aus einer Bibelstelle, in der Christus die Eunuchen pries, abgeleitet, dass er, da unverheiratet, ebenfalls ein Eunuch war. Und da Eunuchen – mit einem weiteren intellektuellen Spagat – in der Antike als „zwischen den Geschlechtern stehend“ gesehen wurden, handele es sich bei den armen Eunuchen um das, was man heutzutage als „queer, transgender oder divers“ bezeichne. Schubert baut vor, denn da man aus diesen vagen Begriffen ohnehin nicht schlau wird, wirft er gleich drei Stück in den Ring, in der Hoffnung, irgendwas würde haften bleiben.
Aber wirklich stringent muss das alles ohnehin nicht sein. Es ist eine Pflichtübung in pseudo-intellektueller Rechtfertigungsarbeit, mit der der kirchliche Kotau vor dem Diktat des Zeitgeistes kaschiert werden soll. Dass Christusdarstellungen – vom Pantokrator und Weltenrichter zum zerbrechlichen Jüngling am Kreuz – im Laufe der Jahrhunderte in ihrer Darstellung variierten, ist für Schubert weniger ein Hinweis darauf, dass das kirchliche Verständnis der Menschlichkeit und Männlichkeit Christi keineswegs eindimensional war, sondern ein Indiz dafür, dass man sich immer ein wenig den göttlichen Zimmermann gezimmert hat, den man gerade wollte. Und jetzt wolle man halt einen queeren Jesus, also macht man das.
Wobei: Wer will das überhaupt? Das Onlinemagazin queer.de ist jedenfalls sehr angetan von der Arbeit von Schubert. Dort freut man sich vor allem über Passagen aus dem queeren Bibelkommentar, demzufolge der Tod Christi „keineswegs Gottes Plan, sondern ein Akt homophober Gewalt gewesen“ sei. Vorbei die Zeiten, in denen ein Dan Brown noch den Apostel Johannes zur Frau und Geliebten von Christus umdichtete, nein, Jesus ist nun schwul, queer, divers, ein Eunuch … kurzum: Alles, nur nicht normal, denn dann müsste man ja zum Schluss mal über was anderes nachdenken als Sexualität. Ein Graus!
Unsere Kerkaporta steht sperrangelweit offen
Eine marginal anspruchsvollere Verdrehung leistet sich Schubert bei den seltenen Darstellungen oder Beschreibungen von Christus, in denen Christus symbolhaft auch mit einer weiblichen Brust dargestellt wurde. Anstatt in der mütterlichen Brust also den – in der übergeschlechtlichen göttlichen Natur Christi gerechtfertigten – Lebensspender der Kirche auf Erden zu sehen, muss auch diese leicht nachvollziehbare Symbolik, ebenso wie die Wunde Christi am Kreuz, hinabgezogen werden ins Jammertal degenerierter Obsession mit der eigenen Sexualität.
Dass es keinen, aber auch gar keinen Ansatz dafür gibt, dass Menschen der Antike (sowie nachfolgender Jahrhunderte) im großen Stil unter geschlechtlicher Verwirrung litten, sondern einfach die zweigeschlechtliche Natur des Menschen verstanden, so wie sie auch die übergeschlechtliche Natur und die Dreifaltigkeit Gottes begriffen, kann dem modernen Vertreter zeitgeistiger Verwirrung natürlich niemals in den Sinn kommen. Schubert flieht sich in Konstrukte einer Antike, die angeblich keine Zweigeschlechtlichkeit kannte, da auch sie bereits die simple Tatsache eines geschlechtlichen Spektrums, das eben auch feminine Männer und burschikose Frauen einschließt, vertrat.
Was Schubert allerdings nicht merkt, ist, wie sehr er dem Zeitgeist hinterher hinkt, denn die Speerspitze der Anbiederung an den Zeitgeist ist schon längst an seinen pseudowissenschaftlichen Erklärmodellen vorbeigezogen. Bereits im Juni, pünktlich zum Pride-Monat, schlugen „zwei schwule Theologen der Universität Erlangen“ Alarm, als sie die Frage stellten, ob Christus womöglich mehr als nur ein Geschlecht hatte und folglich trans gewesen sei. Das Ganze kam inklusive dringender Botschaft, „die Kirche müsse sich öffnen“.
Dieser Schlachtruf erhallt aber schon seit vielen Jahrzehnten durch die Kirchen des Westens und er hat funktioniert. Die offenen Türen der Kirchen haben mehr Christen denn je aus ihren Hallen getrieben und stehen nun stattdessen offen für eine Klientel, die selbst bei vollständiger Unterwerfung der Kirchen keinen Fuß in deren heilige Hallen setzen würde, es sei denn, um diese zu besudeln.
Doch wie wir aus der Geschichte Konstantinopels wissen, können selbst kleine Türen, die unverschlossen bleiben, gravierende Konsequenzen nach sich ziehen. In den Kirchen des Westens stehen sie aber sperrangelweit offen, während ihre Vertreter verzweifelt das blasphemische Gespräch über das Geschlecht Christi suchen. Die Tafel für eine Katastrophe ist gedeckt.