Tichys Einblick
Die gestörte Einigkeit der Union

Friedrich Merz: Kanzlerkandidat der Merkelianer

Friedrich Merz wird Kanzlerkandidat von CDU und CSU. Das hat er auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Markus Söder verkündet. Eine Inszenierung der Einigkeit - die einer erfolgreich gestört hat.

picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Friedrich Merz und Markus Söder wollten die Kandidatur des CDU-Vorsitzenden als Kanzlerkandidaten inszenieren: Beide treten vor die Journalisten, Markus Söder darf zuerst sprechen und verkünden, dass Friedrich Merz der Kanzlerkandidat der Union wird. Große Nachricht und ein CSU-Chef auf Augenhöhe, weil er ja diese große Nachricht verkünden darf. So war es geplant.

Doch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst hat diese Inszenierung zerstört. Er ist einen Tag vorher vor die Journalisten getreten, hat Merz‘ Kandidatur verkündet und somit die Nachricht vom Knüller zur Randnotiz werden lassen. Als Söder sie vermitteln will, ist sie nur noch eine Sache, die eh schon jeder wusste. 2021 ist der bayerische Ministerpräsident an einem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten gescheitert. 2024 lässt dessen Nachfolger ihm noch nichtmal die Gesichtswahrung.

Söder versucht seine Bitterkeit zu verstecken, die geplante Inszenierung der einigen Union aufrechtzuerhalten: 2024 sei alles anders als 2021. Das Verfahren sei anders, das Vertrauen sei da: „2021 wäre eine solche PK (Pressekonferenz) nicht denkbar gewesen“, sagt Söder. Doch Wüsts Störmannöver macht diese Inszenierung unglaubwürdig. Umso mehr Söder die Einigkeit beschwört, desto weniger glaubwürdig wirkt sie.

Zumal Söder seine Bitterkeit nicht verstecken kann. Er sagt, die gemeinsame Verkündung von Merz Kandidatur sei „nicht spontan“ erfolgt, sonder „länger vorbereitet“ gewesen. Umso mehr er betont, dass er nicht Wüsts Handeln hinterherläuft, desto klarer wird, das genau das passiert. Dann sagt Söder ein einziges Wort, das ihn verrät: „Es kommt auch auf die beiden Parteivorsitzenden an.“

Auch. VIelleicht wollte Söder sagen, dass es nur auf die beiden Parteivorsitzenden ankommt. Ganz sicher wollte er diesen Eindruck vermitteln. Denn er sagt weitere Sätze, die diesen Eindruck verstärken sollen wie: „Nur einer der beiden Parteivorsitzenden kommt in der Regel als Kanzlerkandidat in Frage.“ Oder: „Es gibt viele Ministerpräsidenten, aber nur zwei Parteivorsitzenden in der Union.“ Doch das „Auch“ ist ihm rausgerutsch. Jetzt ist es für alle Zeit in der Welt. Verdammter Freud mit seinen Fehlleistungen. Egal, wie sehr Söder betont, dass Wüst ihm nicht die Show gestohlen hat. Die Trophäe dafür steht in Düsseldorf und nicht in München.

Merz selbst gibt sich bescheiden. Er verweist darauf, dass nun als nächstes die Vorstände der beiden Parteien seiner Kandidatur zustimmen müssten. Er verweist kurz auf sein Programm, in dem der Kampf gegen das Schrumpfen der Wirtschaft an erster Stelle kommt und der Kampf gegen die illegale Migration erst an zweiter Stelle folgt. Davon abgesehen versucht Merz so viel von der Show, wie noch übriggeblieben ist, Söder zu überlassen. Das kann er ruhigen Gewissens tun. Er hat jetzt noch ein Jahr lang Kandidatur vor sich, während der er selbst ausreichend im Mittelpunkt stehen wird. Die normative Kraft des Faktischen.

Hendrik Wüst hat sich durch seinen eigenen Verzicht zum Königsmacher erkoren. Kein großes Opfer. Er selbst hatte keine Chance mehr gehabt. Der Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens ist verantwortlich für die Toten von Solingen: Er hat die Zuständigkeit für Abschiebungen vom Innenministerium in ein grün geführtes Tralala-Ministerium verfrachtet, dessen wesentlichstes Ziel es war, Abschiebungen zu verhindern. Nur deswegen war der Mörder von Solingen noch im Land. Mit dieser Schuld im Rücken hätte Wüst selbst nicht mehr Kanzlerkandidat werden können.

Mit der Einsicht in die fehlenden, eigenen Chancen hat Wüst nicht nur seine Machtposition in der CDU gestärkt und gezeigt, dass ohne Merkelianer wie ihn oder Daniel Günther nichts in der Partei geht. Wüst hat damit auch den Einfluss der Grünen in der CDU gesichert. Er hat Merz zum Kanzlerkandidaten gemacht, weil sich Markus Söder zuletzt deutlich gegen eine Zusammenarbeit mit den Grünen ausgesprochen hat. Was auch immer vom Wort des bayerischen Ministerpräsidenten zu halten ist: Seine Aussagen gegen die Grünen haben Wüst gegen ihn aufgebracht und ermutigt, Merz auf den Thron zu setzen.

Damit hat Wüst sichergestellt, dass sich unter einem Bundeskanzler Merz nur das Personal ändert. CDU und CSU treten jetzt an, um die Grünen in der Bundesregierung zu halten. Wenn es um grüne dirigistische Planwirtschaft geht, um eine ins Absurde verdrehte „Selbstbestimmung“, um weitere Attacken gegen die Meinungsfreiheit, um ungestörte illegale Einwanderung – dann wird die Union genauso vor den Grünen einknicken, wie es die FDP in der Ampel getan hat.

Auch inhaltlich hinkt Söder Wüst hinterher. Wüst war der, der Solingen verbockt hat – aber trotzdem keine Konsequenzen draus zieht. Söder beschwört einen neuen Kurs der Union in Sachen illegale Einwanderung, eine vermeintliche Entschlossenheit, diese zu unterbinden. Da stehe Merz hinter ihm, behauptet der bayerische Ministerpräsident: Wir „sind uns einig in der grundlegenden Frage, die uns seit 2015 gespaltet hat: die Migration. Wir sind erstmals wieder komplett zusammen.“ Auch gegenüber den Grünen schlägt Söder bewusst andere Töne an als Wüst: „Wir wollen Deutschland wieder in Ordnung bringen“, gibt er als Ziel für eine eigene Regierung an: „Ein Weiter-so wird es mit uns auf keinen Fall geben.“

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