Tichys Einblick
Hilft nur noch der Abriss?

Carolabrücke: „Eine Riesenkatastrophe“

Der marode Zustand der Brücken über die Elbe ist in Dresden seit langem bekannt. Doch der Stadtregierung waren Prestigeprojekte und Feierlichkeiten wichtiger als die Pflege der Substanz. Jetzt wurde bekannt: Auch die anderen Stränge der Brücke sind einsturzgefährdet.

picture alliance/dpa | Robert Michael

Im Eiltempo zertrümmern zehn Bagger gleichzeitig die herabgestürzten Teile der Carolabrücke in Dresden. Lastwagen fahren den Schutt weg. Die Brückenteile sollen so schnell wie möglich aus der Elbe geborgen werden. Dresden erwartet nach heftigen Regenfällen bis zum Wochenende vom Oberlauf der Elbe ein Hochwasser. Ziel der Arbeiten sei es, die Brückenteile im Wasser beseitigt zu haben, bis die Hochwasserwelle eintrifft. Die könnten wie eine Wassersperre wirken und in Verbindung mit aufgestautem Treibgut für eine gefährliche Hochwasserlage sorgen.

Noch am Donnerstagabend wurden unter Spannung stehende Verbindungen der Brückenelemente vom THW gesprengt. Wie ein Feuerwehrsprecher bereits am Donnerstag in Dresden mitteilte, sei die zusammengebrochene Brücke akut einsturzgefährdet. Weitere Teile der Brücke könnten zusammenbrechen. Spezialisten hatten Stützpfeiler unter die noch stehenden Brückenteile gesetzt. Ein Abschnitt hing – wie die Dresdner Neue Nachrichten berichten – nur noch an Straßenbahngleisen und Fernwärmeleitungen. Das THW habe die Leitungen gesprengt, eine Spezialfirma die Schienen erhitzt, daraufhin stürzten die Brückenabschnitte ein. Zumindest der schnelle Abriss funktioniert noch in Deutschland.

Das von einer rot-grünen Mehrheit regierte Dresden hatte am Donnerstagabend in einer Stadtratssitzung nach dem spektakulären Brückeneinsturz für weitere Hiobsbotschaften gesorgt: Auch die beiden anderen Stränge der Brücke sind einsturzgefährdet und offenbar nicht mehr zu retten, wurde bekanntgegeben; sie müssen abgerissen werden. Dabei handelt es sich um die beiden Züge, die in den vergangenen Jahren saniert wurden.

»Wir haben als Steuerzahler gerade die beiden benachbarten Züge im vergangenen Jahr sanieren lassen, und das ist natürlich hinsichtlich der Haushaltslage Dresdens eine Riesenkatastrophe in vielerlei Hinsicht«, sagt Susanne Dagen, die wohl bekannteste Buchhändlerin Deutschlands und Stadträtin der Freien Wähler. Die haben sich in Dresden der AfD-Fraktion angeschlossen. Sie hätten ursprünglich gehofft, dass der Schaden nur den jetzt eingestürzten Teil der Brücke treffen würde, so berichtete Dagen gegenüber dem TE-Wecker von der Stadtratssitzung am Donnerstagabend. Doch die seien wohl nicht mehr zu retten.

Der jetzt eingestürzte Zug, den nur Straßenbahnen, Radfahrer und Fußgänger passierten, erhielt bei der Brückenuntersuchung die schlechteste Note und sollte ab dem kommenden Jahr saniert werden. Laut Polizei handelt es sich um ein Unglück, bislang gebe es keinen Verdacht auf eine Straftat.

Der marode Zustand der Brücken über die Elbe ist in Dresden seit langem bekannt. Der Stadtrat hat sich schon seit längerem mit einer Sanierung befasst, allerdings hat, wie sich jetzt deutlich herausstellt, die rot-grüne Stadtratsmehrheit die Tragfähigkeitsüberprüfung verweigert. Weil der Auftrag von der falschen Seite kam, von den Freien Wählern. Die hatten schon im Stadtrat am 21. September des vergangenen Jahres einen Antrag eingereicht, unverzüglich spätestens bis zum 30. August 2024 einen Bericht über den Zustand aller Brückenbauwerke auf dem Stadtgebiet vorzulegen, heißt es in dem Antrag, der TE vorliegt.

Behandelt wurde der Antrag aber erst am 14. Juni dieses Jahres und wurde von der linken Mehrheit mit den Stimmen von Grünen, Linken, SPD, Piraten und die Partei sowie mit der entscheidenden Stimme des FDP-Oberbürgermeisters Hilbert abgelehnt.

„Jetzt gibt es die Chance, im Stadtrat den verantwortlichen Baubürgermeister Stephan Kühn von den Grünen mit erforderlicher Mehrheit abzuwählen“, sagt Susanne Dagen (Freie Wähler). Ein grüner Baubürgermeister, dem Radwege und Verkehrsversuche wichtiger sind als notwendige Brückensanierungen, müsse jetzt weg.

Der sei im Augenblick ein bisschen kleinlaut, berichtet Dagen gegenüber TE. »Stephan Kühn ist ein Baubürgermeister, der in allererster Linie ein Parteibuch der Grünen hat und ansonsten nicht unbedingt über die fachliche Qualifikation verfügt, die er, so glaube ich, eigentlich haben müsste bei diesem großen Amt, das er innehat, nämlich das Amt für Stadtentwicklung, für Bau, für Verkehr und für Liegenschaften.«

»Er ist natürlich dort als der oberste Dienstherr, das erste und gleichermaßen das letzte Glied der Kette, und damit natürlich für die Situation hinsichtlich der Carolabrücke durchaus verantwortlich zu machen.«

Kühn (44), der Herr über einstürzende Brücken, ist Diplom-Soziologe und seit Oktober 2020 Baubürgermeister Dresdens. Als Grüner kämpfte er gegen die neue Waldschlößchenbrücke. Nach dem Bau dieser neuen Elbüberquerung verlor das Dresdner Elbtal den Titel »Welterbe«. Funktionierende Verkehrswege zählen für ihn weniger als Radfahrstraßen und hölzerne Blumenkübel in den Innenstadtstraßen. Die ließ er in der Innenstadt aufstellen, vergaß leider, dass die eingepflanzten Sträucher Wasser benötigen. Er ließ die Dresdner aufrufen, im heißen Sommer die Kübel zu gießen. Immerhin verpulverte er so 350.000 Euro.

Oberbürgermeister Dirk Hilbert (52, FDP) gebe gern Geld für Prestigeobjekte und für große Feierlichkeiten aus, so Dagen »einfach für Dinge, die nach außen sichtbar sind«. Mit nach außen hin fast nicht sichtbaren Brückentüchtigkeitsuntersuchungen, die in verborgenen Teilen der Brücken ablaufen, dagegen kommt man als Oberbürgermeister kaum in Schlagzeilen und Bilder. Nur dann allerdings wieder, wenn die Brücken eingestürzt sind.

Für den Ministerpräsidenten sind Brandmauern gegen die AfD wichtiger als solide Brücken zu bauen, schreibt Olaf Opitz bei Tichys Einblick. Die einstürzende Carolabrücke sei nur ein trauriger Blick in den Spiegel auf dem Verfall von Deutschlands Infrastruktur.

Am Tag, nachdem die Brücke einstürzte, bemühen sich alle zu sagen, dass die Brücke nach Richtlinien ständig kontrolliert wurde. Immerhin hat Ministerpräsident Kretschmer zuallererst dem lieben Gott gedankt, dass es keine Toten und Verletzten gegeben hat.

Susanne Dagen: »Ich bin ja immer sehr dafür, den lieben Gott anzusprechen. Und es ist auf jeden Fall auch erst mal hinblicklich der Bevölkerung eine ganz schöne Geste. Aber dennoch sollten wir nicht vergessen, was wir selber hier auf Erden tun können, damit nicht immer alles nur der liebe Gott richten muss.«

Bereits 2018 hatte sich der Stadtrat mit der Sanierung der Erklärung befasst und festgestellt, die Instandsetzung der Brücke sei wegen des baulichen Zustandes dringend erforderlich. Die Stadt hatte auf Fördermittel vom Freistaat gehofft. Jetzt stellte sich weiter heraus: Der Freistaat gab keine Fördermittel, wegen knapper Gelder wurde die Sanierung immer wieder verschleppt. Ohne die Instandsetzung müsste umgehend mit der Planung für einen Ersatzneubau begonnen werden, heißt es in einem Zustandsbericht des Straßen- und Tiefbauamtes Dresden.

Die Kosten für die Sanierung des jetzt eingestürzten Teils der Brücke hatten sich von 4,7 Millionen auf 7,3 Millionen Euro erhöht. Das sind ungefähr zwei Windräder. Allerdings hat der rot-grüne Stadtrat kaum einen dreistelligen Millionenbetrag für einen Neubau. Da regt sich plötzlich auch FDP-Verkehrsminister Wissing und betont, für den Bund habe die Modernisierung der Brücken höchste Priorität.

Immerhin: Für Brückenbau in Deutschland ist vor allem nach den Katastrophen auf der A 45 (Sauerlandlinie) und rund um Mainz und Wiesbaden genügend Geld vom Bund zur Verfügung gestellt worden. Allerdings gibt es nicht genügend Kapazitäten im Bausektor, um mit sämtlichen Brückenbaustellen zu beginnen.

Derweil heißt es in Dresden: ‚Radfahrer werden gebeten, die eingestürzte Brücke über die Radwege in Peru zu umfahren.‘

Abgewunken haben – wie heute bekannt wurde – die Dresdner das nachbarschaftliche Hilfsangebot aus Tschechien. Ursprünglich sollte von dort eine tschechische Einheit mit 20 Feuerwehrleuten und zwei Bergepanzern aus dem benachbarten Tschechien herüberkommen. Dort haben die Feuerwehrleute Erfahrungen bei einer ähnlichen Aktion in Prag gesammelt. 2017 war eine Fußgängerbrücke in die Moldau gestürzt, die Feuerwehr hatte seinerzeit die Trümmer aus dem Fluss geborgen.

Jetzt sollen es Bundeswehreinheiten mit ihren Bergepanzern richten. Wer aber birgt die, wenn die stehen bleiben?

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