Tichys Einblick
Klimabetrug mit UER-Zertifikaten

Milliardenschwerer Klimaschutzbetrug größer als gedacht – aber Lemke will bleiben

An den milliardenschweren Betrugsfällen rund um Klimaprojekte in Übersee hat niemand mehr Zweifel. Umweltministerin Steffi Lemke beharrt darauf, alles getan zu haben, obwohl Ministerium und Umweltbundesamt gewarnt wurden. Doch es gibt einen Grund, warum Lemke und Ampel auch diesen Skandal überleben werden.

picture alliance / Geisler-Fotopress | Frederic Kern/Geisler-Fotopress

Nicht nur finanziell erreicht der Klimaschutzbetrug eine neue Dimension. Rhetorisch ist er mindestens genauso gut aufgestellt. Chefermittler Christian Schefold spricht davon, dass „eine Gruppe von ursprünglich seriösen Beratern“ ein Betrugsgeflecht gesponnen und mit Hilfe von Identitätsdiebstahl bereits existierende Projekte „auf Papier modifiziert“ hätte. Der Schaden, den diese Klimaschutzattrappen verursacht hätten, beläuft sich – nach derzeitiger Schätzung – auf rund 1,5 Milliarden Euro.

„Ursprünglich seriös“. Die Wendung sollte man sich insbesondere in Bezug auf manche Personalien der ökologischen Transformation merken. Vielleicht kommt er in Zukunft noch einmal bei anderen Projekten vor. Wenn sich schon die als seriös geltenden Personalien im Klimageschäft hintenrum so verhalten – was ist dann erst mit den anderen?

Auch Steffi Lemke äußert sich zum Betrug, bei dem so manch erfundene Anlage in der chinesischen Wüste als Zukunftsprojekt verkauft wurde, um angeblich CO2 zu sparen. Gegenüber dem ZDF berichtete sie von einem „mutmaßlich kriminellem Geflecht“, in dem mutmaßlich „viel kriminelle Energie“ vorhanden sei. Diese kriminellen Kriminellen aber auch. Die tun kriminelle Dinge. Dabei waren sie „ursprünglich seriös“.

Schon so manch andere Amtsträgerin machte den Eindruck, dass sie besser in einen Kindergarten passte denn ins – sagen wir – Verteidigungsministerium. Reiner Zufall, dass eine hier nicht namentlich genannte Ex-Ministerin kürzlich erwähnte, sie arbeite an einem Buch mit dem Titel: „Auf Stöckelschuhen durch Absurdistan“. Das trifft auf Lemke insofern zu, als dass die Behandlung der Affäre von ihr bisher auf sehr ähnliche, infantile Weise gehandhabt wird.

Mittlerweile stehen 45 von 66 UER-Projekten unter Betrugsverdacht. Das sind 80 Prozent der Fälle. Weitere zehn Prüfungen stehen aus. Weder das Bundesumweltministerium noch das zuständige Umweltbundesamt (UBA) hielten es vorher für nötig, trotz zahlreicher Hinweise, den Vorwürfen nachzugehen, die einen Betrug bei den Klimaprojekten witterten. Sogar, als sie aus China selbst kamen. Mittlerweile hat das UBA die internationale Anwaltskanzlei Dentons mit Ermittlungen in China beauftragt. Mehrere Mitarbeiter von deutschen Prüfstellen, so berichtet das ZDF, sind offenbar in den Skandal verstrickt.

Es wurde „ein Schatten des ursprünglichen Projektes geschaffen, und dieser Schatten ist dann in Deutschland präsentiert worden, beim Umweltbundesamt als ein UER-Projekt, das es so in der Realität nicht gibt“, erklärt Chefermittler Schefold, Partner von Dentons, den Vorgang. Lemke verspricht: „Bei allen diesen Zertifikaten, wo wir feststellen, dass sie zu Unrecht ausgestellt worden sind, werden wir alles unternehmen, um sie rückabzuwickeln.“

Die Landwärme GmbH in München, der größte Vermarkter von Treibhausgasminderungs-Quoten in Deutschland, musste bereits Insolvenz anmelden. Die Firma wirft Lemke Untätigkeit in Sachen Klimaschutzbetrug vor. Es gibt demnach nicht nur Kritik vonseiten alternativer Medien oder der Opposition, sondern auch aus dem Lager derjenigen, die eigentlich zu den Gewinnern der ökologischen Transformation gehören sollten.

Unerwähnt bleibt in dem Zusammenhang die gleichzeitig laufende Affäre um gefälschten Biodiesel aus China. Der Deutsche Bauernverband hatte vor einem Monat gewarnt: „Wir erleben, wie der deutsche Markt mit angeblich fortschrittlichem Biodiesel auf Basis von Altfetten aus China überschwemmt wird.“ Es handele sich um umetikettiertes Palmöl. Ausgerechnet der grünen Industrie droht Gefahr vonseiten der Grünen.

Dass der Milliardenskandal trotz seines öffentlich-rechtlichen Ursprungs – es war das ZDF-Magazin Frontal21, das die Hintergründe aufgedeckt hatte – ein Affärchen dritten Grades bleibt, verwundert nicht. Rücktrittsforderungen sind Stoßgebete. Seit der Ära Merkel sind kolossales Scheitern und Inkompetenz zu einer lässlichen Sünde geworden. Minister weichen nicht aufgrund tatsächlicher Delikte, sondern aufgrund von Parteistrategien. So „stolperten“ Guttenberg und Schavan über ihre Dissertationen, weil Merkel fürchtete, selbst Schaden nehmen zu können. Das war übrigens auch bei der Abservierung von Norbert Röttgen nach der NRW-Wahl nicht anders.

Steffi Lemke fällt in diesem Sinne nicht negativ auf. Sie fügt sich ins Mosaik. Vielmehr stellt sich im Kabinett die Frage, wer eigentlich keinen Rücktrittsgrund in der bisherigen Legislatur hatte. Annalena Baerbock: Visa-Affäre. Christian-Lindner: verfassungswidriger Haushalt. Robert Habeck: Agora-Affäre. Karl Lauterbach: Corona-Politik plus Nachwehen. Lisa Paus: absehbares Scheitern der Kindergrundsicherung. Svenja Schulze: Steuergeldverschwendung. Olaf Scholz: Cum-Ex.

Und überhaupt – Nancy Faeser.

Auch deswegen wird es unerheblich sein, was am kommenden Sonntag in Brandenburg passiert. Im Schlafwagen der Ampelkoalition kommt es nur noch darauf an, dass es die Elektro-Lokomotive bis zur Endstation schafft. Niemand verlässt das Abteil freiwillig. Es hätte dafür genügend Möglichkeiten und Gründe gegeben. Wenigstens in einer Sache bleibt man standhaft und einig: Niemand lässt den anderen fallen. Zugbegleiterin Lemke ist dabei nur eine Figur in der lustigen Ampel-Eisenbahnsimulation. Da stört es nicht, dass nur noch sagenhafte null Prozent der Wähler mitfahren wollen. Man genießt das letzte Jahr, bevor es aufs Abstellgleis geht.

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Aktualisierung vom 13. September 2024
In einer früheren Verison hieß es, dass die Landwärme GmbH der größte Vermarkter von UER-Zertifikaten sei. Richtig ist: Die Landwärme ist einer der größten Vermartker von Treibhausgasminderungs-Quoten.

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