Mit Thorsten Frei hat Lanz jemanden in der Runde, der aus erster Hand berichten kann, denn er war dabei. Und der CDU-Mann war es auch, der am Montag vor der Presse das Aus des zweiten Asylgipfels verkündet hatte. Lanz löchert den Mann nach Strich und Faden. Will heißen. Er schöpft sein Penetranz-Potenzial bis zur bitteren Neige aus. Es gleicht einem Verhör: „So, Herr Frei, wie ist das gestern gelaufen?“ Hat er die Gespräche abgebrochen? Wenn ja, war das von vornherein geplant, wie Kanzler Olaf Scholz es der CDU am Vormittag vorgeworfen hatte? Warum redet man nicht weiter? „War das ein abgekartetes Spiel? Haben Sie die Gespräche abgebrochen? Haben Sie die Gespräche abgebrochen?“
Wer sich zu diesem Zeitpunkt entschließt, doch lieber seine Tapete anzuschauen als das ZDF, macht keinen Fehler. Raufaser hat zumindest Struktur und ist auch ziemlich abwechslungsreich.
Thorsten Frei gibt sich gewohnt gelassen. Er ist so frei, sich den Lanz-Popanz nicht zu eigen zu machen. Nüchtern und unaufgeregt erzählt er davon, dass 40 Leute in einem auf zwei Stunden angesetzten Gespräch zusammengekommen seien und am Ende gemeinsam entschieden hätten, diesen Asylgipfel zu beenden. Lanz kann noch so oft die Scholz’sche Karte vom angeblich abgekarteten Spiel ausspielen, Frei ficht das nicht an. Nein, die CDU habe ernsthaft an einer Lösung mitarbeiten wollen, aber wenn es nichts bringt, müsse man es halt beenden. Insofern gleiche eher das Verhalten der Koalition einem Drehbuch.
Den Vorwurf der Unlauterkeit spielt Frei an die Koalition zurück. Die CDU habe im Vorfeld der Gespräche keinerlei Papiervorlage von der Ampel erhalten und zum Beginn der Konferenz noch nicht einmal eine Tischvorlage. Man habe sich alles umständlich notieren müssen, während sogar die Journalisten draußen vor der Tür bereits eine Pressemitteilung mit mehr Inhalt bekommen hätten. Publizist Wolfram Weimer kommentiert knapp: „Das ist nicht sauber gearbeitet.“
Das sieht Grünen-Urvater Jürgen „eine Kugel Eis“ Trittin erwartungsgemäß ganz anders. Er lobt, dass sich die Ampel im Asylgipfel, „auch unter dem Einfluss der Grünen, ein großes Stück bewegt hat“. Unter dem Einfluss der Grünen? Die als einzige der drei Koalitionäre jede Asylverschärfung rigoros abbügeln? Angesichts solcher blitzgescheiter Analysen war es sicher eine gute Entscheidung, dass Trittin sein Bundestagsmandat im Januar niedergelegt hat. Denn Thorsten Frei berichtet sehr deutlich, wer für und wer gegen Zurückweisungen an der Grenze war. FDP- und SPD-Politiker seien durchaus für Verschärfungen offen gewesen. Die Grünen nennt er nicht.
Victoria Rietig will „eine Lanze für beide Seiten brechen“. Die Migrationsforscherin, die bisweilen zur Unstoppable Talking-Machine mutiert, bemängelt einen „Etikettenschwindel“. Es sei gar nicht um Zurückweisungen an der Grenze gegangen, sondern nur um „eine leichte Beschleunigung der Abweisung“. Aber egal, denn man müsse „mal die Kirche im Dorf lassen. Wir haben 20.000 Asylanträge weniger als letztes Jahr.“ Und Zurückweisungen seien außerdem sowieso „nicht europakonform“. Frei widerspricht und zitiert Artikel 16a des Grundgesetzes. „Auf ein Recht auf Asyl kann sich nicht berufen, wer aus einem anderen EU-Mitgliedsstaat oder einem anderen sicheren Drittstaat kommt.“
Weimer bezeichnet den aggressiven Scholz-Vortrag vom Vormittag als „eine Rede an die eigene Fraktion“. In der SPD gehe es darum, wer Scholz beibringt, „dass er kein Kanzlerkandidat ist. Das ist der Joe Biden-Moment. Er weiß um die Wahlergebnisse.“
Zwei gute Nachrichten zum Schluss:
Erstens: Elmar Theveßen geht es gut. Der Washington-Korrspondent des ZDF darf gerade durch die sonnigen Swing States der USA reisen und wurde aus Texas zugeschaltet. Von dort aus leierte er, einem Wahlkampfmanager der Demokraten gleich, Kamala Harris’ tolle „Palette von Angeboten“ herunter und bezeichnete Donald Trump als chronischen Lügner.
Zweitens: Jürgen Trittin hat seine Autobiografie veröffentlicht. Aber bei Lanz durfte er gar nicht groß darüber reden.
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