Anscheinend hatte das Team um Kamala Harris und Tim Walz Angst, dass sie die Schlacht gegen Trump allein nicht durchsteht. Walz war daher im Hintergrund präsent, um sie zu unterstützen und ihre Antworten für potenzielle Wähler „einzuordnen“.
Die Democrats arrangierten eigens einen nationalen Livestream der Debatte mit Tim Walz und der Kampagnenleitung, wo die Debatte live kommentiert und erklärt wurde. So war man bereits im Vorfeld gewappnet, eventuelle Patzer der Kandidatin gerade zu rücken oder zu rhetorischen Glanzleistungen zu verklären.
Schon beim bisher einzigen Interview, welches die Präsidentschaftskandidatin gab, aufgezeichnet übrigens, nicht live, saß Walz an ihrer Seite. Seit 51 Tagen verweigert sich Harris einer Pressekonferenz und weitere Interviews sind derzeit nicht in Sicht. Das TV-Duell zwischen Trump und Harris war der erste Live-Auftritt, seit Joe Biden den Staffelstab an sie weiterreichte. In der gleichen Zeit gaben Trump und J.D. Vance mehr als 40 Interviews.
Das Ziel war, Harris als neue, unbelastete Kandidatin darzustellen, die mit der aktuellen negativ beurteilten Politik der Regierung wenig zu tun hat. Ein Kunststück, da sie bisher als unbeliebteste Vizepräsidentin aller Zeiten galt. Nicht einmal wohlmeinende Anhänger konnten in Interviews politische Erfolge nennen. Inhalte oder politische Argumente wurden daher als nebensächlich, um nicht zu sagen als störend erachtet.
Schon bei der ersten Frage ging das nach hinten los. Geht es dem amerikanischen Wähler besser als vor vier Jahren, wurde gefragt. Nervös und auswendig gelernt klang ihr anschließender Vortrag über die amerikanische Mittelklasse. Trump dagegen ging gleich in seiner ersten Antwort aufs Ganze und haute ihr die misslungene Immigrationspolitik der Regierung um die Ohren. Da die Regierung Biden/Harris aber etliche seiner Wirtschaftsregeln übernommen habe, würde er ihr eine MAGA Mütze überreichen. Punkt für Trump.
Die Themen waren erwartbar. Abtreibung, Ökonomie, Migration. Harris wirkte anfangs aufgeregt, ihre Stimme war oft brüchig. Ihr Team scheint das geahnt beziehungsweise befürchtet zu haben. So ging es bei den Democrats bereits im Vorfeld auch mehr um Schlagworte und Polemik. Trump sollte als Bösewicht, als Mann von gestern vorgeführt werden, Kamala Harris dagegen als Frau von morgen und Hoffnungsträgerin.
Man hoffte, Trump zu frauenfeindlichen oder rassistischen Äußerungen zu bringen. Für die Debatte zwischen Biden und Trump wurden auf Wunsch des Teams Biden die Regeln dahingehend geändert, dass nur ein Mikrofon geöffnet war. So erhoffte das Team Biden, sich störende Kommentare von Trump vom Leibe zu halten. Das Team Harris wollte diese Regelung jetzt wieder rückgängig machen, da man darauf hoffte, dass sie dann Trump maßregeln könnte.
So ganz klappte das bei Trump nicht. Harris schaute ihn bei ihren Antworten an, versuchte eine Reaktion zu provozieren. Er würdigte sie kaum eines Blickes und nahm ihr damit diese Chance. Allerdings schaffte sie es, ihn dazu zu bringen, sich verteidigen zu müssen, als sie ihm seine Prozesse vorwarf. Später versuchte sie, ihm ins Wort zu fallen. Seine Reaktion: Ich spreche gerade. Klingt das vertraut für Sie? Ihr etwas verkniffener Blick sprach Bände.
Donald Trump warf Harris vor, keinen Plan zur Bekämpfung der steigenden Inflation und zur Verbesserung der US-Wirtschaft zu haben. „Sie hat keinen Plan“, sagte er. „Sie hat einfach nur Bidens Plan kopiert.“
„Donald Trump hat keinen Plan für Sie“, konterte Harris. „Wenn Sie sich seinen Wirtschaftsplan ansehen, geht es nur um Steuererleichterungen für die reichsten Leute. Ich biete etwas an, das ich als Chancenwirtschaft bezeichne.“
Schräg wurde es, als Trump auf Probleme in Springfield, Ohio, hinwies, wo in den letzten Jahren eine große Zahl haitianischer Einwanderer ankamen. Im Internet wären Behauptungen aufgestellt worden, dass einige dieser Migranten Hunde und Katzen, also Haustiere gegessen hätten. Die Behörden von Springfield wiesen diese Behauptungen jedoch in einer Erklärung zurück, die auch von den Moderatoren der Debatte zitiert wurde. Trumps Äußerungen wirkten befremdlich.
Trump warf der Regierung Biden/Harris die Umstände des Abzugs aus Afghanistan vor. Er kritisierte, dass sie nach dem Tod von 13 US-Soldaten während des Abzugs aus Afghanistan keine klareren und strengeren Maßnahmen ergriffen habe. „Ich bin eine andere Art von Mensch. Ich hätte die meisten dieser Leute gefeuert. Ich bin nicht so gnädig“, sagte er. „Sie haben nie eine Person wegen schlechter Leistungen gefeuert, auch nicht als Reaktion auf den misslungenen militärischen Abzug“, warf er Harris vor.
Harris konnte punkten, als sie Trump vorwarf, er habe am 6. Januar einen „gewalttätigen Mob“ aufgehetzt. „Ich war dabei, und an diesem Tag hat der Präsident der Vereinigten Staaten einen gewalttätigen Mob dazu angestiftet, das Kapitol unserer Nation anzugreifen und es zu entweihen“, sagte sie. Trump entgegnete, er hätte lediglich eine Rede gehalten und nicht zum Putsch aufgerufen. Dafür lag er klar vorn, als sie ihm vorwarf, ein Feind der Demokratie zu sein. Er hätte eine Kugel wegen genau dieser Vorwürfe kassiert.
Ein anderer Punkt ging an Trump, als er Harris vorschlug, nach Washington zu fahren, Biden um vier Uhr Nachmittags zu wecken, und ihn die Grenze schließen zu lassen. Als Präsident könne er das nämlich.
Israel und Hamas waren ein Punkt für Trump. Unter seiner Regierung herrschte fast schon Frieden im Nahen Osten, während die Biden/Harris-Regierung den Iran finanziell aufbaute, der daraufhin die Hamas- und IS-Terroristen finanzierte.
Der Versuch, ihn als Rassisten zu brandmarken, ging nach hinten los. Auf ihre Hautfarbe angesprochen erwiderte er kurz, es gäbe kaum etwas, was ihn weniger interessiere, und erschien dabei durchaus überzeugend. Der Klimawandel wurde von Harris als wichtiger Punkt für junge Menschen gesehen, Trump wies darauf hin, dass man sich Klimawandel auch leisten können müsse.
Insgesamt war es ein Hin und Her, ein Gewinner war schwer zu erkennen. Trump hatte sich deutlich mehr unter Kontrolle als bei anderen Events, nur ab und an gelang es Harris, ihn aus der Reserve zu bringen. Sie wirkte anfangs unsicher und einstudiert. Wie die Herausforderin, die den amtierenden Präsidenten angreift – eine Taktik, die ihr Team ihr wahrscheinlich nahe gelegt hatte.
Trump dagegen wirkte so staatsmännisch wie selten zuvor und deutlich weniger aggressiv. Beide beantworteten Fragen nach Gutdünken, Unterschiede waren hier kaum zu erkennen. In Sachen Redezeit lag er deutlich vorne, nutzte die ihm zustehende Zeit voll aus. Insgesamt wirkte sie aber besser vorbereitet.
Verlierer waren ganz klar ABC und die beiden Moderatoren David Muir und Linsey Davis. Kamala Harris wurde kaum kritisch hinterfragt, geschweige denn angegriffen. Eher wirkte die Debatte wie eine journalistische Gefälligkeit.