Tichys Einblick
Nutznießer: Käufer von BMW, Audi, Mercedes

Frisches Sterbegeld fürs Elektroauto

Aufgeschreckt durch die Absatzeinbrüche bei E-Autos und die Krise bei VW, vor allem aber getrieben durch Kampfansagen gegen das Verbrennerverbot, sah sich die Ampel-Regierung genötigt, neue steuerliche Fördermaßnahmen zu ergreifen, um den Absatz vor allem teurer Elektrodienstwagen zu steigern.

BMW E-Auto

picture alliance / Eibner-Pressefoto | Fleig / Eibner-Pressefoto

Hätte Wirtschaftsminister Robert Habeck doch auf Wolfgang Goethe gehört! Schon 1797 wies der Balladen-Großmeister darauf hin, dass Zauberlehrlinge Gefahr laufen, Geister, die sie einmal riefen, nur schwer wieder loswerden. Und 220 Jahre später hätte Goethe noch ergänzt, dass das – selbst wohlmeinend aus Klimaschutzgründen – Setzen einer hochentwickelten automobil-abhängigen Industriegesellschaft auf CO2-Entzug etwas anderes ist als der Schutz von Lurch und Schmetterling.

Die bei einer solchen disruptiven Transformation entstehenden wirtschaftlichen Kollateral-Schäden sind gewaltig, in Deutschland wurden sie teilweise existenziell. VW lässt grüßen! Die deutsche Autoindustrie, über ein halbes Jahrhundert mit dem Verbrennungsmotor als fossilem Antriebsaggregat technologischer Weltmarktführer und als ebenso tief- wie breitverankerte Schlüsselbranche „Motor der deutschen Wirtschaft“, liefert dafür den niederschmetternden Beleg. Der Ersatz von fossilen Treibstoffen in Verbrennern durch mit Batteriestrom betriebene Elektroautos (BEV) bekommt ihr gar nicht gut. Um mit Wilhelm Busch zu sprechen: „… wehe, wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe!“

Der Versuch der Politik, mit Ge- und Verboten und hoheitlicher Finanzgewalt ihr BEV-Ziel durchzusetzen, ging gründlich daneben. Das Füllhorn an politischen Dirigismen war groß:

Wegen der Brisanz des Themas CO2-Strafzahlungen dazu als Ergänzung: Laut UBS wird allein der VW-Konzern etwa zwei Milliarden Euro vor Steuern und damit zehn Prozent seines operativen Ergebnisses wegen der Strafzahlungen einbüßen – und dieses ist bekanntlich ohnehin mickrig. Anderenfalls müsste der VW-Konzern den EU-Anteil reiner E-Autos binnen Jahresfrist von derzeit 9,7 vH auf 24,7 vH steigern (Automobilwoche, Ausgabe 19, 2. September 2024). Stellantis wird die Einhaltung der Emissions-Ziele ein Prozent seines operativen Gewinns kosten, BMW ein Prozent des EBIT, Mercedes-Benz zwei Prozent. EBIT.

Befremdlich: Gegen die EU-Strafzahlungen kam bislang kein Aufschrei oder Aufstand in den Medien oder aus Wolfsburg oder Stuttgart, oder von den Lobby-Verbänden in Brüssel oder Berlin, geschweige denn aus der deutschen Politik von links bis rechts. Nur aus Paris (Stellantis) und München (BMW) sowie von seit langem besorgten Ökonomen meldeten sich Stimmen zu Wort.

Fakt ist: Wenn Automobilgiganten wie Malta, Zypern oder Luxemburg gegenüber den verzwergten automobilen Emissionssündern wie Deutschland deftige Strafzahlungen verhängen, kommt aus der Politik der Automobil-Zwergstaaten nur wohlwollende Zustimmung, kein Widerstand: Hauptsache, dem Klimaschutz ist Genüge getan und die Sündigen werden in Zukunft bestraft, auch wenn es alternativlos ist, es sei denn, man geht zu Fuß. Die Reaktion der deutschen Politik auf die immer heftigeren administrativ/finanziellen Belastungen ihrer Paradebranche: bislang null. Stattdessen plant sie etwas anderes. Dazu später.

Die Fakten für das Scheitern der deutschen automobilen Transformationspolitik sind bekannt:

Dazu Kritiker Kai Rusert: „Zur Verblüffung der Entscheidungsträger in China reagierte die EU-Kommission, indem sie den europäischen Automobilherstellern die Produktion der konkurrenzfähigen Produkte zukünftig untersagt und sie in einen aussichtslosen Vernichtungswettbewerb treibt.
 Damit tat sie China den Gefallen, die europäischen Wettbewerber aus dem Weg zu räumen.“ (600 Millionen € für E-Autos? Das ist Sterbegeld – Der Schwindel rund um die rollfähigen Akkupacks (derelektroautoschwindel.com)


Wie bei Goethes Zauberlehrling ist plötzlich angesichts der unverhofften Krise des Branchenprimus und der gesamten Elektroautoindustrie die politische Not groß. Sündenböcke wurden gesucht. Und gefunden, aber nicht die richtigen.

Die Ampel-Politik selber versuchte zu besänftigen und ließ noch im Frühjahr 2024 – noch vor dem VW-Desaster – durch Verkehrsminister Volker Wissing verkündigen, unverdrossen an dem Ziel von 15 Millionen Batterie-Elektroautos bis 2030 im deutschen Automobilbestand festzuhalten. Wobei schon seit langem absehbar war, dass es 2030 bestenfalls 5 Millionen Stromer auf Deutschlands Straßen sein können.

Und immer wieder wurde in der Öffentlichkeit von fast militanten Verbrenner-Gegnern und besonders Elektromobilität-affinen fanatischen Meinungsmachern und Influencern die Absetzung der Elektro-Kaufprämie als Hauptursache für den missglückten Hochlauf der E-Mobilität in Deutschland als Argument vorgebracht.

Aus Sicht eines altgedienten Ökonomen ist diese Sicht der Dinge absolut falsch. Die Autokunden haben inzwischen zwar ein hohes Umweltbewusstsein und wollen klimafreundlich CO2-arm fahren, sie wollen aber keine reinen Elektroautos. Das wollten bisher meistens nur die Gruppe der begüterten Konsumpioniere (Stand Juli 2024: 1.528.150 BEV, Quelle: Kraftfahrtbundesamt), dem Rest der Autokäufer fehlten dazu die Mittel oder das passende erschwingliche Angebot.

BEVs sind keine Verkehrsmittel für den Massenverkehr von heute, sondern lediglich für ein überschaubares Marktsegment der beati habendi!, sprich der Begüterten, meist „grünen“ Bewohner im Speckgürtel der Städte. Auf dem flachen Land mit hoher Pendlerdichte und bar ausreichender Nahverkehrsinfrastruktur wie in den Städten, „… wo eben die politischen Klimaschützer sitzen …“, sind sie kaum zu finden. E-Tankstellen auch nicht. Dazu folgende Fakten:

Ideologisch, unscharf argumentiert fährt in Europa inzwischen bereits jedes zweite neu zugelassene Auto „elektrisch“ – und gemeint ist nicht die Starter-Batterie.

Das Absacken der BEV-Elektromobilität ist also kein rein deutsches Problem. Das Batterie- Elektroauto ist nach 114 Jahren im Prinzip zum zweiten Mal gescheitert (Fritz Indra). Das reine Elektroauto taugt für Nischenanwendungen und dient – so viele Vorurteile – in begüterten Einkommensschichten als hedonistisches Differenzierungsmerkmal als Eltern-Taxi oder auf dem Weg zum Supermarkt oder Golfplatz, nicht aber für die weniger betuchten unteren „Volkswagen“- Segmente der Marktpyramide.

Elektromobilität, mit sauberem Strom betrieben, ist sehr sinnvoll und muss aus Klimagründen sein. Elektroautos betrieben mit „dreckigem“ Strom aus tonnenschweren Speicherbatterien sind ein Irrweg, nicht nur umweltpolitisch, auch wirtschaftspolitisch, weil sie sind eine Ideologie getriebene Transformation gegen den Markt und gegen die Umwelt.

Aufgeschreckt durch die monatlichen Absatzeinbrüche bei den Neuzulassungen von BEV, die Krise bei VW sowie die um sich greifenden Beschäftigungsprobleme in der Branche, vor allem aber getrieben durch harte Kampfansagen von rechten wie linken Parteien gegen das Verbrennerverbot, sah sich die Ampel-Regierung genötigt, neue steuerliche Fördermaßnahmen zu ergreifen, um den Absatz vor allem teurer Elektrodienstwagen zu steigern.

Nutznießer wären also vor allem die Käufer von BMW, Audi und Mercedes-Benz. Grünheide-Fabrikant Tesla wohl weniger, da Eigentümer Elon Musk mit queren politischen Ansichten potenzielle Firmenkunden der Automarke zunehmend verprellt (siehe Rossmann). Im Einzelnen hat die Regierung vorgesehen:

Wirtschaftsminister Robert Habeck selber beurteilt die Maßnahmen sehr positiv, lässt aber gleichzeitig noch immer Einsicht in den eigentlichen Ernst der Lage vermissen. Die großen Automobilhersteller und ihre Zulieferer seien gute Arbeitgeber für viele Beschäftigte, Wohlstandsmotor und Innovationstreiber über Branchengrenzen hinweg. Die Transformationsanstrengungen für die Autoindustrie seien „aktuell enorm“. Deutsche Autohersteller müssten im internationalen Wettbewerb mithalten.

Wobei mit Ausnahme von China weltweit keine andere nationale Autoindustrie binnen 10 Jahren so viele anspruchsvolle Elektroautos auf die Räder gestellt hat wie die deutsche. Eine Wettbewerbslücke besteht nicht, wohl aber eine Käufer-Lücke. „Entscheidend als Standortfaktor ist da auch die langfristige Planungssicherheit.“ Wie wahr! Diese werde durch die EU-Vorgabe geschaffen, wonach ab 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge neu zugelassen werden dürfen. „Wer wie Friedrich Merz (CDU) und Markus Söder (CSU) die Rücknahme propagiert, verspielt Verlässlichkeit und zeigt, dass er wenig von Zukunftsfähigkeit versteht“, kritisierte Habeck.

Bezüglich der VW-Krise findet Habeck milde Worte: Er fordert VW zur Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern auf. In Deutschlands größtem Autokonzern VW müssten „unternehmerische Entscheidungen, wie sie jetzt im Raum stehen … im Sinne dieser Verantwortung gefällt werden“. Er forderte das Unternehmen auf, Entscheidungen in enger Abstimmung mit den Sozialpartnern zu treffen. Wobei, als Beispiel, bei VW zehn Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat sitzen, also voll in jede Fehlentscheidung miteingebunden waren. Und alle strukturellen Kostensenkungsmaßnahmen im Personalbereich regelmäßig ablehnten.

Allgemein gesprochen lassen die von Habeck geäußerten Meinungen für Kritiker den Schluss zu, dass der Wirtschaftsminister die eigentlichen Ursachen der krisenhaften Entwicklung in der deutschen Schlüsselbranche nach wie vor nicht erkannt hat. In einem marktwirtschaftlichen System kann Politik gegen den Markt, mit Verboten und hohen EU-Geldstrafen, das heißt konkret gegen den Willen der großen Mehrheit der Konsumenten nichts ausrichten: Die verweigern passiv den Konsum. Unternehmen hingegen müssen sich wehren, wenn man ihr Geschäftsmodell zerstört – sollte man meinen.

Eine energiepolitische Transformation der gesamten Wirtschaft, speziell auch der Autoindustrie, mehr mit der Brechstange als mit Achtsamkeit, ist zum Scheitern verurteilt. Und genau das tut es im Augenblick. Was die konkreten Fördermaßnahmen anbelangt, so sind sie sicherlich für teure E-Autos absatzfördernd, da bislang etwa 80 Prozent aller Elektroautos gewerblich angeschafft wurden, weil sich die Fuhrpark-Betreiber Kosten sparen konnten. Das wird auch diesmal so funktionieren. Allerdings sind 500 Millionen Förderung ein bescheidener Betrag. Dennoch treffen sie auf scharfe Kritik. Der Focus beklagt: “Neue Steuerprivilegien für reiche E-Auto-Fahrer“. (Jetzt beschenken sich reiche Grüne mit neuen E-Autos und wir alle zahlen dafür – FOCUS online)

Umwelt- und Sozialverbände kritisieren ebenfalls, das Steuergeld komme vor allem Spitzenverdienern zugute, sind sich aber nicht ganz sicher, denn sie beklagen im gleichen Atemzug, dass die Maßnahmen unwirksam wären. Und im Übrigen gebe es immer noch zu starke Steuervorteile für Verbrennerdienstwagen. Manche Kritik ist besonders scharf: „600 Millionen € für E-Autos? Das ist Sterbegeld!“ Und „Experten wissen, dass deutsche Autohersteller mit Elektroautos kein Geld verdienen können. Robert Habeck hält dennoch am Verbrennerverbot fest. Will er eine ganze Industrie vernichten?“ (Kai Rusert : 600 Millionen € für E-Autos? Das ist Sterbegeld – Der Schwindel rund um die rollfähigen Akkupacks (derelektroautoschwindel.com)

Um im Bild zu bleiben: Böse Zungen behaupten sogar, grüne Elektroauto-Käufer wollten nochmals einen richtigen Leichenschmaus. Aber sehr üppig fällt er diesmal nicht aus. Sicher ist in jedem Fall, dass für „Die Tafel“ kein Geld mehr da ist.

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