Die jüngsten Wahlen vom 1. September in Thüringen und Sachsen haben über den Tag hinaus viel durcheinandergewirbelt. Die Alt-Parteien sind gewaltig ins Schlingern geraten und verschanzen sich in einer Wagenburg, aus der rund ein Drittel der Wählerschaft ausgeschlossen bleiben soll. Allein die in Thüringen bekannt gewordene Absicht von CDU, Links-Partei, BSW und SPD, einen Vertreter der 6,2-Prozent-Partei SPD zum Parlamentspräsidenten zu wählen, um entgegen parlamentarischen Gepflogenheiten der mit Abstand stärksten Partei, der AfD mit 32,8 Prozent, diesen Posten zu verwehren, spricht Bände.
Aber es geht nicht nur um solche Posten oder äußerst kitzlige Regierungsbildungen in Erfurt und Dresden: Es geht auch nicht nur um die Frage, ob die CDU mit gewissen Koalitionsangeboten unter Merz noch weiter nach links als bereits eine grüne Merkel-CDU rückt. Nein, bis hinein in praktische Details parlamentarischer Souveränität wird es verdammt schwierig.
Beispiel: Verfassungsschutz in Thüringen
In Thüringen könnte es sein, dass der Verfassungsschutz wie die verflossene „Stasi“ des Erich Mielke zukünftig zum Staat im Staate wird: ohne jede parlamentarische Kontrolle!
Warum? Weil alle Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums für den Thüringer Verfassungsschutz mit der Wahl vom 1. September den Wiedereinzug in den Landtag verpasst haben. Bisher gehörten der Kontrollkommission Dorothea Marx (SPD), Raymond Walk und Jörg Kellner (beide CDU) sowie Dirk Bergner (FDP) an. Die gesetzlich vorgeschriebene fünfte Position hatte schon vor längerer Zeit mangels Mehrheit nicht besetzt werden können.
Der Ausschuss zur Kontrolle des Verfassungsschutzes löst sich damit mangels Masse auf. Eine Neuwahl wird es wohl nicht so schnell oder gar nicht geben, weil dafür jeweils zwei Drittel (66,66 Prozent) der Stimmen im Parlament notwendig sind. Die Gesetzeslage ist eindeutig.
Im „Thüringer Gesetz zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und zur Vorbeugung vor Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung“ (in Kraft seit 1. Januar 2015 und am 8. August 2014 noch kurz vor der Landtagswahl vom 14. September 2014 von einer CDU/SPD-Koalition verabschiedet) heißt es in den §§ 24 ff. unter anderem:
- Die Landesregierung unterliegt hinsichtlich der Tätigkeit des Amtes für Verfassungsschutz der parlamentarischen Kontrolle. Diese wird von der Parlamentarischen Kontrollkommission (ParlKK) ausgeübt.
- Die Parlamentarische Kontrollkommission besteht aus fünf Mitgliedern, die zu Beginn der Wahlperiode vom Landtag aus seiner Mitte mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Landtages gewählt werden. Die parlamentarische Opposition im Landtag muss im Verhältnis ihrer Stärke zu den regierungstragenden Fraktionen und Parlamentarischen Gruppen des Landtags im Gremium vertreten sein.
- Die Parlamentarische Kontrollkommission übt ihre Tätigkeit auch über das Ende der Wahlperiode des Landtags so lange aus, bis der nachfolgende Landtag eine neue Parlamentarische Kontrollkommission gewählt hat.
Lassen wir beiseite, dass einige dieser gesetzlichen Vorgaben jetzt schon nicht mehr umgesetzt wurden und aktuell de facto keine Kontrolle des Verfassungsschutzes mehr stattfindet. Bleiben wir bei der vorgeschriebenen Zwei-Drittel-Wahl: CDU, Linke, SPD und BSW verfügen in Thüringen über 63,64 Prozent der Parlamentssitze, haben also keine 66,66 Prozent. Die AfD mit ihrem Anteil von 36,36 Prozent der Parlamentssitze verfügt also über eine Sperrminorität. Die Vierergruppe CDU/Linke/SPD/BSW will aber nicht mit der AfD kooperieren. Die AfD würde nämlich auf einen Sitz im Kontrollgremium bestehen – einem Gremium, das einen Verfassungsschutz kontrolliert, der die AfD als „gesichert rechtsextrem“ einstuft.
Sogar die „Thüringer Allgemeine“, sonst nicht gerade zurückhaltend, wenn es gegen die AfD geht, macht sich Sorgen und schreibt am 3. September: „Bereits in der abgelaufenen Legislaturperiode hatte sich die AfD als geschickt erwiesen, mögliche Ausgrenzungen gerichtlich brandmarken zu lassen und zu nutzen. So konnte die Partei 2020 die Konstituierung einer unvollständig besetzten ParlKK in Thüringen durch den Verfassungsgerichtshof verhindern. Auch die aktuelle Konstellation bietet juristische Angriffsfläche. Denn das jeweils aktuell gewählte Parlament sollte den Verfassungsschutz kontrollieren, damit sich der Nachrichtendienst nicht verselbständigen kann.“ Bleibt abzuwarten, was die Gerichte, die sicher von der AfD bemüht werden, sagen.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz mit Präsident Thomas Haldenwang (CDU) und dessen Dienstherrin Nancy Faeser (SPD) drohten übrigens vorab den Thüringern, sie aus dem Verfassungsschutzverbund von Bund und Bundesländern auszuschließen, sollte die AfD der Kontrollkommission angehören.
Der wendige Herr Verfassungsschützer Kramer
So oder so ist die Gefahr groß, dass dem Thüringer Verfassungsschutz und seinem Präsidenten Stephan Kramer niemand mehr auf die Finger schaut. Kramer expandiert gerne. Dass er sich zu einem der vordersten „Kämpfer gegen Rechts“ gemausert hat, ist bekannt. Dafür weiß er außer den mindestens vier linksgestrickten Parteien als Mitglied im Stiftungsrat der seltsamen Amadeu-Antonio-Stiftung ja auch die richtigen NGO-Leute hinter sich.
Anfang 2024 regte Kramer gar an, Abgeordnete zu durchleuchten, die im Parlamentarischen Kontrollgremium für die Kontrolle der Geheimdienste zuständig sind. TE hat damals zu Recht gefragt: Warum wählt die Exekutive nicht gleich aus, wer sie überwachen darf?
Kramer ist übrigens der einzige Verfassungsschutz-Chef, der nicht die rechtlich vorgeschriebene Bedingung erfüllt, nämlich die Befähigung zum Richteramt zu haben. Die links-rot-grüne Landesregierung hievte ihn am 1. Dezember 2015 dennoch auf diesen Posten. Der damalige SPD-Innenminister Holger Poppenhöger meinte, Kramers 2015 rasch noch erworbener Abschluss als Sozialpädagoge sei mit den beiden Staatsexamina eines Juristen äquivalent. Dass im Gesetz etwas anderes steht? Egal, dort steht ja nur „soll“: „Das Amt des Präsidenten soll nur einer Person übertragen werden, die die Befähigung zum Richteramt besitzt.“
Nach Jahren der Suche nach politischer und ideologischer Identität ist Kramer Ende 2015 jedenfalls angekommen. Hier seine wendige Vita in Kurzfassung
- Mitglied der Jungen Union, dann der CDU, dann der FDP, Mitarbeiter bei Abgeordneten, jetzt Mitglied der SPD;
- Konversion zum Jüdischen Glauben;
- Beginn und Abbruch des Jurastudiums;
- Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland (2004 bis 2014);
- Mitglied im Stiftungsrat der Ex-Stasi-Mitarbeiterin Anetta Kahane (1974 bis 1982 als „IM Victoria“) gegründeten und bis 2022 geleiteten Amadeu-Antonio-Stiftung;
- Erwerb eines FH-Bachelor- und Masterabschlusses (2015) in Sozialpädagogik.
Wenn die AfD in Deutschland an die Regierung käme, würde Kramer noch am selben Tag mit seiner Familie auswandern, sagte er nach der Wahl eines AfD-Manns als Landrat im Landkreis Sonneberg im Frühsommer 2023 dem israelischen Sender „Kan“. Ob er nach Israel geht? Nach dem 7. Oktober 2023? Es könnte auch Russland werden. Denn am 9. Mai 2015 posierte Kramer zusammen mit den motorradfahrenden „Nachtwölfen“ (genannt „Putin-Rocker“) auf einem Bild bei einer Kranzniederlegung am sowjetischen Ehrenmal auf den Seelower Höhen. Kramer als zweiter von rechts.
Wäre das nicht doch eine Fährte zu etwas mehr Kramer’scher Sympathie Richtung AfD? AfD-Co-Chef Chrupalla hat ja auch schon mal den 9. Mai 2023 mitgefeiert. Allerdings nicht auf den Seelower Höhen, sondern in der russischen Botschaft in Berlin. Auf der Ebene könnte man sich doch verstehen.