Asylanten, Flüchtlinge und auf Einladung zu uns kommende Menschen aus anderen Kulturkreisen müssen sich einerseits in Deutschland wohlfühlen können. Anderseits müssen sie unsere Rechtsordnung anerkennen, sich korrekt – nach unseren Maßstäben – verhalten, und unser Rechtsstaat muss dafür Sorge tragen, dass dies auch geschieht. Wenn wir keine türkisch-arabisch-islamischen Subkulturen in Deutschland wünschen, besteht staatlicher Handlungsbedarf. Nur auf diese Weise lässt sich die staatliche Ordnung und Sicherheit aufrechterhalten.
Damit verbunden ist zwangsweise ein Wertewandel vom christlichen geprägten Abendland zu einem multi-kulturellen Staat, der allen Einwohnern die Möglichkeit gibt, sich mit ihm zu identifizieren. Alle müssen sich an gemeinsame gesellschaftliche Werte halten, keine Kultur und Religion darf gegenüber einer anderen bevorzugt werden. Die Maßstäbe müssen objektiv sein und niemanden diskriminieren. Nur so ist eine Integration mit den Werten unserer Leitkultur möglich.
Leitkultur ist ein Begriff, der häufig in politischen Debatten verwendet wird, um die grundlegenden Werte, Normen und Traditionen zu beschreiben, die eine Gesellschaft prägen und ihr Zusammenleben organisieren. Was verstehen wir darunter?
Mit Thüringer Bratwürsten oder Schwarzwälder Schinken, wie manche hierzulande, auch manche Politiker, meinen, hat der Begriff rein gar nichts zu tun. In Deutschland wird die Diskussion um die Leitkultur oft im Zusammenhang mit Integration und dem Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft geführt, ohne zu wissen, worüber man redet.
Der Begriff „Leitkultur“ wurde in den 1990er-Jahren von dem Politologen Bassam Tibi in die politikwissenschaftliche Debatte eingeführt. Er beschrieb damit einen auf deutschen und europäischen Werten basierenden gesellschaftlichen Konsens, der als Klammer zwischen Deutschen und Einwanderern dienen soll. Das zentrale Argument in der Debatte um Leitkultur ist die Frage, wie Integration gelingen kann. Welche Werte sollen unsere Rechtsordnung bestimmen?
Tibis Werte für diese Leitkultur entspringen der kulturellen Moderne:
- Demokratie,
- Laizismus,
- Aufklärung,
- Menschenrechte und
- Zivilgesellschaft
Nach Tibi muss diesen Werten im öffentlichen Raum der Vorrang vor religiösen Normen, wie sie beispielsweise der Islam verlangt, die aber auch christlichen Kirchen nicht fremd sind, eingeräumt werden.
„Demokratie“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet Volksherrschaft. Der Begriff bezeichnet eine Staatsverfassung, in der die Herrschaft bzw. die Machtausübung auf der Grundlage politischer Freiheit und Gleichheit sowie weitreichender politischer Beteiligungsrechte erwachsener Staatsbürger erfolgt. Das Volk ist also der staatliche Souverän und die politischen Entscheidungen werden durch den Mehrheitswillen der Bevölkerung gefällt. Konkret bedeutet das die Ablösbarkeit der Regierung, ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, die Unabhängigkeit der Gerichte, den Ausschluss jeder Gewalt- und Willkürherrschaft und die Garantie der im Grundgesetz festgelegten Menschenrechte.
In einem laizistischen Verständnis sollte Bildung neutral sein. Schulen und andere Bildungseinrichtungen sollten Wissen vermitteln, ohne religiöse Dogmen zu propagieren. In Konsequenz darf es keine staatliche Finanzierung von Religionsgemeinschaften und keinen einseitigen, zum Beispiel christlichen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen geben. Die Regierung darf sich mit keiner Religion identifizieren und muss strikt neutral bleiben.
Das derzeitige kooperative Trennungsmodell von Kirche und Staat in Deutschland kennt kein striktes Trennungsgebot, sondern ein „getrenntes Miteinander“ von Staat und Kirchen. Der Staat ist zwar weltanschaulich neutral, fördert aber Religionsgemeinschaften in gewissem Rahmen, da sie zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen – Stichwort „fördernde Neutralität“. Es gibt Staatsleistungen an die Kirchen, Religionsunterricht an Schulen und die Möglichkeit des Körperschaftsstatus für Religionsgemeinschaften. Dies müsste sich nach meiner Meinung ändern.
Als „Menschenrechte“ werden individuelle Freiheits- und Autonomierechte bezeichnet, die jedem Menschen allein aufgrund seines Menschseins gleichermaßen zustehen. Sie sind universell, gelten also überall für alle Menschen, sind unveräußerlich, können also nicht abgetreten werden, und unteilbar, sie können demnach nur in ihrer Gesamtheit verwirklicht werden. Sie umfassen dabei bürgerliche, politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechtsansprüche.
Unter „Zivilgesellschaft“ versteht man einen gesellschaftlichen Bereich, in dem Bürger freiwillig und selbstorganisiert für das Gemeinwohl aktiv werden, unabhängig von Staat und Wirtschaft. Kennzeichnend sind: bürgerschaftliches Engagement in Form von Vereinen, Initiativen, Stiftungen etc., der Einsatz für gemeinnützige Zwecke und das Allgemeinwohl. Zivilgesellschaftliches Handeln basiert auf Prinzipien wie Mitgefühl, Verständnis, Respekt und dem Recht auf freie Gedanken, Ideen und Vorstellungen. Es dient der politischen Mitgestaltung im Sinne einer kritischen Öffentlichkeit.
Dieser Ansatz zur Integration betont, dass es nicht eine einzige, feste Leitkultur geben sollte, sondern dass eine Gesellschaft durch die Vielfalt ihrer Kulturen und Perspektiven bereichert wird. Integration wird als wechselseitiger Prozess verstanden, bei dem sowohl die Einwanderer als auch die Aufnahmegesellschaft lernen und sich anpassen müssen. Das erscheint mir wenig realistisch; siehe die Kriminalitätstatistik.
Letztlich geht es darum, eine Balance zu finden zwischen dem Schutz der Bevölkerung und der Förderung gemeinsamer Werte, die für ein friedliches Zusammenleben notwendig sind, und der Wertschätzung und Integration kultureller Vielfalt. Aber bitte in einem ordnungspolitischen Rahmen, den ich als Hausordnung Deutschlands bezeichne. Anders wird ein Zusammenleben nicht gewaltfrei funktionierten.
Professor Dr. Gerhard Hücker, Jahrgang 1939, Studium Bergbau Clausthal und Aachen, Volkswirtschaftslehre Köln, Frankfurt, Würzburg, Medizin und Promotion Humanbiologie LMU München. – Seit 1997 selbständiger Unternehmer Bereich Medizinprodukte Honorarprofessor für Entrepreneurship Uni Greifswald