Tichys Einblick
Hamas ermordet weitere Geiseln

Wie lange noch schweigt Baerbock zur Exekution israelischer Geiseln?

Kurz vor der Befreiung weiterer israelischer Geiseln hat die Hamas sechs ermordet. Es ist ein Drama, das die israelische Gesellschaft tief erschüttert – und mindestens einer der schlimmsten Tage seit dem 7. Oktober. Von der deutschen Außenministerin oder dem Auswärtigen Amt langes Schweigen. (mit Update 14:45 Uhr)

picture alliance/dpa | Patrick Pleul

Die Gerüchte in Israel kamen am Samstag auf, Sonntagfrüh gab es dann Gewissheit: Sechs weitere israelische Geiseln sind tot. Die Armee hat ihre Leichen am Samstag in einem Tunnel im südlichen Gazastreifen gefunden. Offenbar wurden sie unmittelbar zuvor von palästinensischen Terroristen kaltblütig ermordet, man könnte auch sagen: exekutiert. Das israelische Gesundheitsministerium schrieb am Sonntag in einer Mitteilung, eine forensischen Untersuchung habe ergeben, „dass die Geiseln durch mehrere Schüsse aus kurzer Distanz ermordet wurden“.

Es ist ein Drama, das die israelische Gesellschaft tief erschüttert – und mindestens einer der schlimmsten Tage seit dem 7. Oktober. Die ermordeten Geiseln waren alle jung, im Alter zwischen 23 und 40. Der jüngste von ihnen, Hersh Goldberg-Polin, war wohl eine der bekanntesten Geiseln. In Jerusalem zum Beispiel stieß man auf sein Konterfei fast an jeder Ecke. Seine Eltern traten zuletzt beim Parteitag der Demokraten auf. Hersh hatte auch die amerikanische Staatsbürgerschaft.

Eden Yerushalmi, 24 💔
Hersh Goldberg, 23 💔
Carmel Gat, 39 💔
Almog Sarusi, 26 💔
Alex Lubnov, 32 💔
Ori Danino, 25 💔 pic.twitter.com/TOwckm6TbS

— Arye (ARO) Sharuz Shalicar (@aryeshalicar) September 1, 2024

Carmel Gat wiederum, die älteste der Ermordeten, hatte zumindest über Ecken Verbindungen nach Deutschland. Sie wurde entführt, als sie ihre Eltern im Kibbutz Be’eri besuchte. Carmels Schwägerin Jarden besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft. Sie war ebenfalls nach Gaza entführt worden und Ende November 2023 im Rahmen eines Geisel-Deals wieder freigekommen. Carmels Bruder Alon wiederum hatte auch in Deutschland auf seine beziehungsweise die Lage seiner entführten Schwester aufmerksam gemacht. Im Mai sprach er auf dem Bebelplatz in Berlin.

Bereits im März hatte Grünen-Chefin Ricarda Lang eine „Patenschaft“ für Carmel Gat übernommen. Umso verstörender ist es, dass es bislang aus der deutschen Politik kaum Reaktionen auf das neueste, Israel tief erschütternde Verbrechen der Hamas gibt. Die Geisel-Patin Lang schaffte es nicht, bei X ein paar eigene Worte zu Carmels Tod zu formulieren. Sie teilte nur zwei Tweets zum Thema: einen von Düzen Tekkal, einen anderen vom deutschen Botschafter in Israel, Steffen Seibert.

Der schrieb von „schrecklichen Nachrichten“ und „tiefster Traurigkeit“ angesichts von Carmels Tod. Mehr kam bislang allerdings auch von der Bundesregierung nicht.

Auf dem deutschen X-Account des Auswärtigen Amts herrschte bis Montagmittag: schweigen. Genauso auf dem englischen X-Account des Ministeriums. Wobei: Der teilte einen Tweet des WHO-Generaldirektors über Kinder im Gazastreifen – natürlich nur die palästinensischen, nicht die israelischen Geisel-Kinder. Auch von der Ministerin der „wertegeleiteten Außenpolitik“, Annalena Baerbock, hörte man bis Montagmittag: nichts. Der Kanzler ist sowieso verstummt.

Ganz im Gegensatz dazu hatte US-Präsident Joe Biden noch am Samstag erklärt, er sei „am Boden zerstört und schockiert“, vor allem mit Blick auf den Tod des US-Israelis Hersch Goldberg-Polin: „Täuschen sie sich nicht, die Hamas-Führer werden für diese Verbrechen bezahlen.“ Auch Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris meldete sich zu Wort: „Mit diesen Morden hat die Hamas noch mehr amerikanisches Blut an ihren Händen.“

In anderen Ländern haben sich ebenfalls längst führende Politiker geäußert. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron drückte bei X seine Anteilnahme aus. Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer schrieb von „brutalen Morden“. Auch das polnische und das schweizerische Außenministerium verurteilten die „Tötung“ der israelischen Geiseln bis Montagmittag. Und das alles ganz ohne die aufgeblasene Formel von der „Staatsräson“.


Update 14:45 Uhr: Am 2. September um 14:02 Uhr hat das Auswärtige Amt auf X reagiert:

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