Tichys Einblick
Das Dilemma der CDU

Bei Miosga: Der Osten lebt Demokratie vor

Die AfD feiert historische Ergebnisse. Das BSW wird auf Anhieb zweistellig. Fällt jetzt die Brandmauer? Von Fabian Kramer.

Screenprint ARD

Die Wahlen in Thüringen und Sachsen sind eine Zäsur in der Geschichte der Bundesrepublik. Die AfD zementiert ihren Status als ostdeutsche Volkspartei nicht nur, sondern sie wird in Thüringen erstmals die stärkste Kraft in einem Bundesland. Die etablierten Parteien stehen vor einem Scherbenhaufen. Die Regierungsparteien der Ampel sind nach den Wahlen als Spurenelemente in der Parteienlandschaft zu suchen.

Neben den Erfolgen der AfD fällt das spektakuläre Abschneiden des Bündnisses Sahra Wagenknecht ins Auge. Die frisch gegründete Partei schafft es nicht nur in die Landtage, sondern wird in beiden Ländern aus dem Stand drittstärkste Kraft. Für die CDU wird es nach den Wahlen zu schmerzhaften Entscheidungen kommen. Fällt die Brandmauer nach links oder rechts? Die Talkrunde bei Miosga beschäftigt sich mit dem Ergebnis und mit den Ursachen. Allerdings tut sich die Runde schwer, die neue politische Realität anzuerkennen. Obwohl die AfD in beiden Ländern über 30 Prozent kommt, wird über die Machtspiele der anderen Parteien sinniert. Die Gäste verschließen ihre Augen vor der Wirklichkeit und lassen die Wähler außen vor.

Es stellt sich an so einem Abend auch die Frage, warum weder ein AfD-Vertreter, noch Sahra Wagenknecht in die Sendung eingeladen sind? Der Talk verkommt zu einem Trauergesang über das Vergangene. Offenbar ist man bei den öffentlich-rechtlichen Sendern noch nicht bereit für die neuen Veränderungen.

Sperrminorität für die AfD in Thüringen

Wie elementar die AfD für den politischen Prozess in Thüringen geworden ist, zeigt die Tatsache, dass die Partei dort eine Sperrminorität besitzt. Auch in Sachsen schien es zuerst so, dass die Blauen eine Sperrminorität erreichen könnten – der Landeswahlleiter hat angekündigt, das Ergebnis zu überprüfen. Das ändert nichts daran, dass der Weg für andere Parteien an der AfD vorbei ein weiter geworden ist.

Der ehemalige CDU-Innenminister Thomas de Maizière bewertet den Wahlausgang daher kritisch. „Das Wahlergebnis macht mich betroffen“, meint das sächsische CDU-Mitglied. Genau diese Betroffenheit über eine demokratische Wahl zeigt eindrucksvoll, warum die Wahl so ausgegangen ist. Die Thüringer und Sachsen sind nicht betroffen, wenn aus der AfD eine neue Volkspartei des Ostens wird. Es sind die Politiker der etablierten Parteien, die in nackte Panik und Angst verfallen. Welcher Bürger wählt aber Parteien, deren Vertreter Angst vor dem Wahlausgang haben? Die Menschen in Ostdeutschland mussten sich ihr freies Wahlrecht erkämpfen. Sie wollen sich ihre Meinungsbildung nicht mehr von der politischen Obrigkeit diktieren lassen. Dieser Umstand fällt vielen Politikern extrem schwer.

„Die Ergebnisse sind nicht vom Himmel gefallen“, ordnet der Welt-Journalist Robin Alexander richtig ein. Der Weg zu solch einer historischen Machtverschiebung ist in der Tat ein langer Prozess gewesen. Der Niedergang der politischen Führung in Deutschland hat schon vor langer Zeit begonnen und ist in Ostdeutschland besonders spürbar. Hier ist der Wohlstand geringer und man kann das politische Versagen nicht einfach locker absitzen. Wenn eine wildgewordene und ideologisch verblendete Politik durch Klimagesetze, irreguläre Massenmigration und Gendergaga den Alltag der Bürger zunehmend unerträglich macht, schrillen bei der sensibilisieren Ostbevölkerung die Alarmglocken. Der Ossi wehrt sich gegen den von oben verordneten Niedergang.

„Michael Kretschmer hat keinen einzigen AfD-Wähler zurückgeholt“, vermutet die Zeit-Journalistin Anne Hähnig richtig. Einen Ministerpräsidenten-Bonus könne sie bei dieser Wahl nicht feststellen, so Hähnig. Dabei haben Bodo Ramelow und Michael Kretschmer durchaus passable Umfragewerte. Die Bürger vermuten aber hinter ihren Parteien keine Kompetenz. Stattdessen wird aus der Protestpartei AfD eine Kompetenz-Partei. In den wichtigen Feldern der Politik hat tatsächlich die AfD die höchsten vermuteten Kompetenzen aller Parteien. Die Partei ist da, um zu bleiben. Noch wird sie von der Brandmauer abgehalten, um auch gestalten zu können.

Was wird aus der Ampel?

Die Ampel in Berlin ist schon ziemlich unbeliebt. Da ist jede neue Bestätigung der eigenen Unbeliebtheit durch die Stimme des Wahlvolkes eine Demütigung. Doch diese Wahlen dürften nichts weniger als die ultimative Demütigung für die Ampel-Parteien sein. Die FDP schafft es in keinem Land über 2 %, die Grünen fliegen aus dem Erfurter Landtag und die SPD ist den 4 % näher als den 10 %. Der Wähler hat genug von der Chaos-Koalition, die in einer Melange aus ideologischer Verbohrtheit und kindlicher Naivität das Land ruiniert.

Doch auch nach diesem Tiefschlag wird keine Einsicht über die Berliner Blase kommen. „Die SPD ist geradezu erleichtert, dass sie in den Landtag eingezogen ist”, berichtet Anne Hähnig. Wenn eine Kanzlerpartei über einstellige Ergebnisse erleichtert ist, dann ist es um die Genossen schlecht bestellt. Aus der Sicht von CDU-Mann de Maizière ist der Kanzler das Hauptproblem. Dieser habe keinerlei Gewicht innerhalb der Koalition, meint er.

Robin Alexander geht sogar noch weiter. „Der Kanzler war nie gewollt“, erklärt der Welt-Journalist. Er sei nur durch Zufälle Bundeskanzler geworden und seine SPD habe ihm nie viel Sympathie entgegen bringen können, erläutert Alexander. Es dürfte in Folge der Wahlen zu den letzten Zuckungen der Ampel kommen. Nach der nächsten Bundestagswahl ist Schluss für Scholz und seine Truppe. Die Realität ist die stärkste Kontrollinstanz der Demokratie. In der Lösung von realen Problemen versagt die Regierung auf ganzer Linie. „Die Ampel hat sich fünf Mal auf die Bezahlkarte verständigt“, kritisiert Robin Alexander. Immer wieder sei es zu einem Aufweichen der Einigung innerhalb der Koalition gekommen, woran vor allem die Grünen Schuld seien, meint Alexander. Der Umgang mit der irregulären Massenmigration insgesamt ist eine Katastrophe. Die Ampel weigert sich all die Jahre, Straftäter nach Afghanistan und Syrien abzuschieben, nur um dann in einer PR-Aktion doch eine Handvoll afghanische Straftäter kurz vor der Landtagswahl medienwirksam abzuschieben. So leicht lässt sich der Bürger aber nicht täuschen. Es ist schade, dass die Moderatorin nicht auf die PR-Aktion von Innenministerin Nancy Faeser zu sprechen kommt.

Fällt die Brandmauer?

Die CDU möchte nach den Wahlen sowohl in Thüringen als auch in Sachsen den Ministerpräsidenten stellen. Dafür braucht die Partei aber Partner und eine Koalition. Ohne BSW und AfD geht für die CDU nichts. In Thüringen braucht die CDU sogar die Unterstützung der SED-Nachfolgepartei Die Linke, wenn man sich mit dem BSW einigt. Für die CDU keine leichten Voraussetzungen. Schließlich hat man als Partei sowohl Bündnisse mit der Linken als auch mit der AfD ausgeschlossen. Thomas de Maizière glaubt an ein Gelingen mit dem BSW. „Wenn sich Sahra Wagenknecht heraushält, kann es gelingen“, wünscht sich der ehemalige Innenminister.

Dieser Wunsch ist ziemlich verwegen und macht das gesamte Dilemma der CDU deutlich. Weil man sich die Option mit der AfD zu kooperieren nimmt, ist die CDU Sahra Wagenknecht völlig ausgeliefert. Ob Sahra Wagenknecht Interesse an einer Regierungsbeteiligung hat, lässt sich nicht sagen. Laut Anne Hähnig könnte Wagenknecht nun den Preis in die Höhe treiben. „Man muss das BSW beteiligen“, meint Robin Alexander. In der Tat geht wegen der Brandmauer zur AfD kein Weg am BSW vorbei. Die CDU muss in Thüringen sogar die Brandmauer zur Linkspartei einreißen, um an Höcke vorbei zu regieren.

Diese Entscheidung scheint aber wohl ziemlich wahrscheinlich. Lapidar verweist de Maizière auf die Zuständigkeit der Funktionäre vor Ort. Es fällt wahrscheinlich die Brandmauer nach links. Diese Entscheidung könnte die CDU nachhaltig verändern. Eine linke Mehrheit in einem Bündnis gegen sich zu haben, wird die AfD sicherlich nicht schwächen, wohl aber die CDU. Vielleicht sollte die CDU in beiden Ländern noch einmal in sich gehen und das Ergebnis genau analysieren. Einen Linksrutsch wollen die Wähler nicht. Stattdessen wäre es an der Zeit, der AfD eine Chance für eine Regierungsübernahme zu gewähren. Sei es, indem sie die CDU nur toleriert. Wackelige Koalitionen mit unsicheren Partnern werden die Wähler weit mehr ärgern, als die Beteiligung einer 30 %-Partei.


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