Tichys Einblick
Landtagswahlen Sachsen und Thüringen:

Gewinnen und Verlieren in Ostdeutschland

Am Wahlabend sieht man in Sachsen und Thüringen viele Verlierer und wenige Gewinner. Und nicht immer sind die Einen von den Anderen auf Anhieb zu unterscheiden. Die traditionelle „Elefantenrunde“ liefert dann einen Vorgeschmack darauf, was wir Wähler demnächst wohl ertragen müssen.

Screenshot

Screenprint: ZDF/Berliner Runde

Allmählich wird es denn doch recht unübersichtlich bei der Landtagswahl-Nachlese im ZDF-Studio. Acht (in Zahlen: 8) Parteivertreter und eine Moderatorin teilen sich die Sendezeit. Da kommt naturgemäß jeder nur wenig zu Wort. Allein dieses absurde Gesprächsformat verhindert von vornherein, dass ein vernünftiger Gedanke angemessen fomuliert (geschweige denn diskutiert) werden kann.

Dabei hätten weniger Gäste völlig gereicht, denn von den acht Politikern haben sieben dieselbe Position (die auch von der Moderatorin geteilt wird): No AfD. Das erinnert nicht zufällig etwas an die „No-Covid“-Ideologie aus Corona-Zeiten. Die ist seinerzeit bekanntlich krachend gescheitert, was ihre Anhänger allerdings bis zuletzt nicht wahrhaben wollten.

Es spricht vieles dafür, dass mit „No AfD“ dasselbe passieren wird.

Das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) ist zweifellos der Gewinner des Abends.
Die neue Partei hat die mit Abstand größten Zugewinne. Aus dem Stand ist die Abspaltung der „Linken“ nicht nur in beiden Landtagen vertreten, sondern auch jeweils so stark, dass es weder in Dresden noch in Erfurt einen CDU-Ministerpräsidenten ohne Koalition mit dem BSW geben dürfte.

Wie sich Michael Kretschmer in Sachsen und Mario Voigt in Thüringen mit Sahra Wagenknecht und ihren jeweiligen Statthaltern dabei vor allem in der Frage der Ukraine-Unterstützung und der Stationierung von neuen US-Raketen in Deutschland verständigen wollen, ist derzeit etwas unklar. Auch Wagenknechts Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali bringt da keinerlei Licht ins Dunkel.

Vielleicht entdecken alle Beteiligten ja irgendwann im Laufe ihrer Verhandlungen, dass diese Frage in Berlin entschieden wird und sie eigentlich gar nichts angeht.

Die AfD kommt in beiden ostdeutschen Bundesländern über die 30-Prozent-Marke.
In Thüringen wird sie sogar insgesamt stärkste Kraft. Aber nirgendwo will irgendwer mit ihr zusammenarbeiten. Das macht die Blauen zu einem Gewinner und gleichzeitig zu einem Verlierer. Es sieht im Moment nicht so aus, als würden die Wahlerfolge sich für die AfD auch in einer Regierungsbeteiligung abbilden.

Das spiegelt sich auch in der Körperhaltung von Bernd Baumann wider, dem Parlamentarischen Geschäftsführer der AfD, den die ja eigentlich sehr erfolgreiche Partei an diesem Abend als ihren Vertreter in die Runde entsandt hat. Ihm gelingt es kein bisschen, auch nur ansatzweise so etwas wie Siegesfreude oder Gewinner-Souveränität zu verbreiten.

Es ist seltsam defensiv, wie Baumann in der Sendung auftritt. Vermutlich ahnt er, dass ihm und seinen Parteifreunden all die schönen Wählerstimmen mindestens kurzfristig nur wenig nutzen werden.

Die CDU ist auf den ersten Blick ein Gewinner. Auf den zweiten Blick nicht mehr. Denn sowohl in Dresden wie in Erfurt werden die Christdemokraten mit dezidiert linken Partnern zusammengehen müssen, um den Regierungschef stellen zu können. Die AfD kommt ja als Partner nicht infrage, weil Friedrich Merz das nicht will.

Dass Merz das wirklich nicht will, also wirklich ganz sicher nicht, das stellt sein Generalsekretär Carsten Linnemann nochmal unmissverständlich klar. Dabei entpuppt er sich als irritierend breitbeiniger und erstaunlich unsympathischer Besserwisser und Oberlehrer. Er greift den AfD-Vertreter an, als habe der seine Schwester entführt.

Zur eigentlich spannenden Frage sagt er allerdings nichts: Wie genau will die im Selbstverständnis konservative Christlich-Demokratische Union mit der erklärten Kommunistin Wagenknecht politisch auf einen grünen Zweig kommen? Man darf gespannt sein.

Das ist sichtbar auch CSU-Generalsekretär Martin Huber.
Er betrachtet erkennbar belustigt, wie sich Linnemann um die nahe liegenden Fragen herumzuschwurbeln versucht. Huber kann derweil entspannt Wahlkampfparolen ins Mikrofon rufen. Seine Partei darf in der Elefantenrunde mitmachen, obwohl sie ja weder in Thüringen noch in Sachsen überhaupt auf den Wahlzetteln stand. An seiner Stelle wäre deshalb vermutlich jeder tiefenentspannt.

Die SPD gehört fraglos zu den schlimmsten Verlierern der Wahlen.
Generalsekretär Kevin Kühnert entblödet sich nicht, als Begründung anzubieten, seine Partei habe ihre im Kern richtige Politik nicht genügend erklärt. Für ihn ist der Absturz also kein politisches, sondern eher ein pädagogisches Problem.

Dann spricht er von Maß und Mitte und verlangt ernsthaft, die Debatten um Arbeitsmigration und Asyl zu trennen – also genau das zu tun, was seine Partei und maßgeblich auch er selbst seit Jahren verhindern. In diesem Moment beschleicht einen das durchaus ungute Gefühl, dass mit solchem Personal die älteste Partei Deutschlands eine nur noch begrenzte weitere Lebenserwartung haben könnte.

Die Grünen sind auch ein klarer Verlierer.
Und sie haben mit ihrer „Politischen Geschäftsführerin“ Emily Büning die inhaltlich schwächste Teilnehmerin geschickt. Sie plappert Kühnerts alberne Selbstrechtfertigungen nicht nur nach, sondern sieht sich auch immer wieder hilfesuchend zu ihm um.

Grenzen zu schließen, sei nicht rechtsstaatlich. Alles, was man tun könne, tue die Ampel sowieso schon. Fazit: Wir machen doch gar nichts falsch. Überhaupt sei nur wichtig, dass man ein weiteres Erstarken der AfD verhindere. Hare, hare, rama, rama.

Zwischendurch fragt man sich, was wohl die aufrechten Bürgerrechtler vom Bündnis’90 empfinden, wenn sie heute dabei zusehen müssen, wie ihre Bewegung nicht nur damals von den Grünen geschluckt, sondern mittlerweile auch komplett verraten wurde.

Ein echtes Highlight bietet die Linke:
Deren Bundesgeschäftsführerin Katina Schubert redet sich um Kopf und Kragen: Im stakkato-artigen Sprachstil einer Dozentin an der SED-Parteikaderschule verteidigt sie die Massenmigration, vergleicht Kritik an der Zuwanderung mit dem Eintreten für die Todesstrafe und beharrt ansonsten darauf, dass sie und ihre Partei alles richtig machen.

Insgesamt demonstriert sie eindrücklich die Gründe, weshalb der Linken die Wähler in Scharen davonlaufen. Das ist zwar nicht schön, aber zumindest unterhaltsam.

Falls Sie den FDP-Vertreter vermissen:
Generalsekretär Bijan Djir-Sarai ist – den Wahlergebnissen seiner Partei an diesem Abend entsprechend – angemessen unauffällig.

Insgesamt formt sich vor dem TV-Zuschauer ziemlich plastisch das Bild von Deutschlands politischer Landschaft in der nächsten Zeit:

Das alles könnte ein Riesenspaß werden, wenn es nicht um Deutschland ginge.

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