Deutschland hat ein Messerproblem. Und das nicht erst seit dem islamistischen Angriff von Solingen oder dem Anschlag in Mannheim. Schon vor einigen Wochen hatte das Innenministerium von Nordrhein-Westfalen eine Pressekonferenz angekündigt, um ein „Lagebild zu Messergewalt“ vorzustellen. Das Land an Rhein und Ruhr erfasst seit 2019 Taten mit der Tatwaffe Messer gesondert in der Kriminalstatistik. Dabei geht es weniger um gezielte Anschläge wie den von Solingen, sondern eher um allgemeine Messerkriminalität.
Der nun vorliegende Überblick zeigt ein verheerendes Bild: Laut den Zahlen des Landeskriminalamts ist die Messergewalt im seit 2017 CDU-regierten NRW zuletzt regelrecht explodiert. Demnach wurden im Berichtsjahr 2023 insgesamt 3.536 Fällen mit dem Tatmittel Messer im öffentlichen Raum registriert. Das entspricht einem Anstieg um satte 42,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Nimmt man alle Taten mit sämtlichen Hieb- und Stichwaffen zusammen, sind es 4.233 Vorfälle. Auffällig: 2019 waren es sogar 4.509, also noch mehr als im vergangenen Jahr.
Von den Messertaten fielen 26 in die Deliktgruppe Mord, womit sich diese Zahl mehr als verdreifacht hat. In 1.233 Fällen (34,9 Prozent) ging es um Bedrohung, in 1.224 Fällen (34,6 Prozent) um gefährliche Körperverletzung und in 920 Fällen um schweren Raub oder räuberische Erpressung. In 63,4 Prozent der Fälle wurde das Opfer nicht verletzt.
Hoher Ausländeranteil
Überdeutlich ist: Die Tatwaffe Messer ist zu einem erheblichen Anteil ein importiertes Phänomen. Denn laut dem Lagebericht waren 2023 45 Prozent der zu den Messerangriffen erfassten Täter nicht deutsch, also Personen ohne deutschen Pass. Von diesen 45 Prozent wiederum hatten 39,3 Prozent einen Zuwanderungshintergrund, waren zum Tatzeitpunkt also ohne Aufenthaltserlaubnis, Asylbewerber beziehungsweise anderweitig geschützt oder geduldet.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hielt am Mittwoch in einer Pressekonferenz fest, Menschen ohne deutschen Pass seien „fast dreimal so stark vertreten wie deren Anteil an der Bevölkerung“. Insgesamt ist der Ausländeranteil bei den Messerdelikten in den vergangenen Jahren fast permanent gestiegen. 2019 hatte er noch bei 39,5 Prozent gelegen.
Auch mit Blick auf die Herkunftsländer der einzelnen Täter zeichnet sich ein konsequentes Muster ab: In allen Jahren seit 2019 machten Syrer die größte ausländische Tätergruppe aus, gefolgt von Türken, Irakern und Rumänen. Im Jahr 2023 gingen 10,4 Prozent aller Messerdelikte auf Syrer zurück. Bezogen auf die Delikte mit ausländischen Tätern betrug der Anteil 23,2 Prozent. Das ist der höchste Wert überhaupt, seit das LKA Messerdelikte gesondert erfasst.
Zahl junger Täter und Opfer steigt stark
Zugleich stellen Syrer, Türken und Iraker aber auch die größten ausländischen Opfergruppen von Messerdelikten. Unter dem Strich ist der Ausländeranteil unter den Messeropfern allerdings niedriger als ihr Anteil an den Tätern. So waren im Berichtsjahr 2023 65,6 Prozent aller Messeropfer deutsch und 34,4 Prozent nicht deutsch.
Bei allem zu beachten ist: Die Statistik erfasst auch solche Menschen als deutsch, die erst kürzlich eingebürgert wurden. Zudem gehen Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft nur als Deutsche in die Statistik ein. Nordrhein-Westfalen hat allein seit 2015 gut 285.000 Menschen eingebürgert. Im vergangenen Jahr erreichte die Zahl der Einbürgerungen den höchsten Stand seit 2001. Auf den ersten drei Plätzen der Einbürgerungen lagen dabei just die Herkunftsländer, aus denen viele Messerangreifer kommen: Syrien, Irak und die Türkei.
Was in der Messerstatistik noch auffällt: Die Messergewalt im öffentlichen Personenverkehr hat extrem zugenommen. 2023 registrierte das LKA 314 solcher Fälle im Vergleich zu 173 im Vorjahr. Das entspricht einer Steigerung um 81,5 Prozent. Was die Tätergruppen anbelangt, so sticht noch ins Auge, dass vor allem die Zahl der jugendlichen und heranwachsenden Tatverdächtigen in die Höhe schnellt (+57,1 bzw. +54 Prozent). Gleichzeitig sind Kinder und Jugendliche auch verstärkt Opfer von Messertaten (+54,3 bzw. +68,2 Prozent).
Reul kann nachvollziehen, wenn bestimme Migranten Messer mit sich tragen
Überraschend sind die Zahlen unter dem Strich nicht. Sie decken sich mit den Erkenntnissen aus anderen Bundesländern, in denen Messerangriffe ebenfalls zuletzt zugenommen haben, wenn auch nicht so exorbitant wie in NRW. Stets lässt sich ein überproportionaler Ausländeranteil feststellen. In Baden-Württemberg etwa gingen sogar gut 55 Prozent der 2023 erfassten Messerangriff auf nicht-deutsche Täter zurück. Stärkste ausländische Tätergruppen auch hier: Syrer und Türken sowie (abweichend) Tunesier.
Auf der Suche nach Gründen für die Messereskalation zeigte sich Reul am Mittwoch einigermaßen hilflos. Er nannte unter anderem das Bedürfnis nach Selbstverteidigung und Erfahrungen von Migranten mit Gewalt im Heimatland oder auf der Flucht. Der Christdemokrat verstieg sich sogar zu der Aussage, er könne nachvollziehen, dass ein Mensch, der aus einem gefährlichen Land kommt, ein Messer in der Tasche habe und glaube, das bräuchte er: „Wer erklärt denen eigentlich, dass man das hier gar nicht braucht?“
Ganz in diesem Sinne verlangt Reul im Rahmen eines „10-Punkte-Plans zur Bekämpfung der Messergewalt“ nun unter anderem „eine speziell auf diese Bevölkerungsgruppe zugeschnittene Präventionskampagne“: Polizisten sollen ab sofort in Flüchtlingsunterkünfte gehen und dort erklären, „dass es keinen vernünftigen Grund gibt, im öffentlichen Raum ein Messer mitzuführen“. Dazu soll es ein Plakat geben: „Besser ohne Messer“.
Weitere Punkte des Aktionsplans sind unter anderem die Ausweitung groß angelegter Kontrollaktionen, etwa auf Feiermeilen; der verstärkte Einsatz mobiler Videobeobachtung; und auch der Führerscheinentzug bei Wiederholungstätern. Im Zweifel sollen polizeiliche Kräfte von anderen Aufgaben abgezogen werden. Genervt wirkte Reul am Mittwoch von Bürgern, die die „blöde Regierung“ für die Messergewalt verantwortlich machten. Es werde nun einmal nicht bereits morgen „hier so eine friedliche Paradies-Stimmung geben“.