Tichys Einblick
Agenturen und Berater

Die Schönmacher: Wie Agenturen an ideologischer Unterwerfung verdienen

Immer häufiger gehen Kampagnen wie „Made by Vielfalt“ nach hinten los. Das tangiert die Agenturen und Beraterfirmen, die dafür verantwortlich sind, aber nur peripher, denn sie vermitteln den hübschen Anstrich für den ideologischen Kotau, der Zugang zu Märkten, Investoren und Krediten sichern soll.

Adobe, Screenprint - Collage: TE

Ob Budweiser, Penny oder nun auch der Verband der Familienunternehmer – sie alle haben in den letzten Jahren mit Kampagnen Erfahrung gemacht, die zwar auf Ablehnung bei ihren Kunden stießen, die aber, wie TE bereits im Vorjahr anlässlich der „Wahre Preise“-Kampagne von Penny berichtete, als notwendig erachtet wurden, um auf den Finanzmärkten der grünen Wirtschaft konkurrenzfähig zu bleiben. Das Spiel kennt aber neben den Unternehmen, die kurzfristige Verluste in Folge der Kampagne mit langfristigen Aussichten durch höhere grüne Ratings abwägen müssen, und den bürokratischen Vergabeinstanzen, denen es gelang, sich im Zuge eines jahrzehntelangen Marsches durch die Institutionen als Einflüsterer von Konzernen und Staaten zu etablieren, auch noch eine dritte Interessengruppe, die ein direktes monetäres Interesse an diesem Spiel hat: die Schönmacher von Werbeagenturen und Beratungsfirmen, die die Unterwerfungsgesten von Staaten und Unternehmen in ein hübsches Gewand kleiden, damit es nicht gar zu offensichtlich wird, welche Prozesse im Hintergrund ablaufen und sich diese Scharade auch noch fürstlich entlohnen lassen.

„Faktenchecker“ müssen ran
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Eine solche Agentur ist auch verantwortlich für den Bärendienst an der deutschen Wirtschaft in Form der Kampagne „Made by Vielfalt“. Die „Navos – Public Dialogue Consultants GmbH“ wurde 2011 von Anja Schlicht und Markus Hilse gegründet. Ein Detail am Rande, das nur in einem Nebensatz auf der Webseite von Navos auftaucht: Mitgesellschafter ist die Hamburger Agentur Jung von Matt (seit 2023 Arbeitgeber von Claas Relotius), die zu 40 Prozent an der Navos beteiligt ist. Entsprechende Kontakte in die Branche lagen der frisch gegründeten Navos somit vor.

Bereits die Startseite von Navos macht deutlich, was Programm ist: „Wir kommunizieren Zukunft“, so der Slogan der Berater vor dem Hintergrund eines Windrads. Der Vorspann grüßt mit: „Europa muss sich verändern. Um klimaneutral zu werden. Und um wettbewerbsfähig zu bleiben.“ Drei kurze Sätze zur Einführung mit starken Aussagen, die mit ihrer Selbstgewissheit den Mangel an argumentativem Unterbau geschickt kaschieren. Man merkt, da sind ganz offensichtlich Profis am Werk. „Die industrielle Transformation, der Umbau unserer Energieversorgung, neue Arbeitswelten – die Zukunft hat längst begonnen. Dieser Wandel braucht Kommunikation. Dieser Wandel braucht Dialog. Und er braucht dich.“ Nochmal drei kurze Sätze zum Abschluss, die mit Verve vorgetragen, auch als Daseinsberechtigung für die Beratungsbranche an sich gelten könnten, das ist schon die hohe Kunst des salbungsvollen Beratens.

Der Ampel zu gefallen

Navos spezialisiert sich, laut eigener Aussage, auf das Führen von Dialogen, Storytelling und andere altbekannte Grundsätze aus dem Unternehmensberatungsjargon. Konkreter wird es bei der Auflistung der Leistungen. Besonders relevant dürfte hier vor allem die „politische Kommunikation“ sein, die Navos wie folgt umschreibt:

„Sozialer, ökologischer und ökonomischer Wandel wird entscheidend durch die politischen Rahmenbedingungen bestimmt. Diese entstehen oft in intensiven Aushandlungsprozessen – wir beobachten die Diskussionen, identifizieren Argumente, checken die Fakten und positionieren unsere Kund*innen mit ihren Themen. Dabei sitzen wir nicht in der Lobby. Sondern kommen ins Gespräch – indem wir unterschiedliche Akteur*innen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft miteinander vernetzen. Immer transparent, immer vertrauensvoll.“

Mit anderen Worten: Die Agentur sorgt dafür, dass Kunden richtig positioniert werden, um den woken Benimmregeln zu genügen. Ein prominentes Beispiel für die Arbeit der Agentur ist OGE (Open Grid Europe), wobei vor allem die Kommunikation rund um den Bau des LNG-Terminals Wilhelmshaven anschaulich präsentiert wird:

„Der Krieg Russlands gegen die Ukraine stellt die Energieversorgung in Europa auf den Kopf. Neue Infrastruktur muss gebaut und in Betrieb genommen werden. Und zwar schnell. Sehr schnell. So wie die 26 Kilometer lange Wilhelmshaven-Anbindungsleitung (WAL), die das LNG-Terminal Wilhelmshaven mit dem deutschen Erdgasnetz verbindet.“

Seien wir ehrlich: Wer so gebrieft wird, fühlt sich doch gleich als Hauptdarsteller in einen Politthriller versetzt. Vor dem geistigen Ohr hört man ja schon fast die schnelle – sehr schnelle – und drängende Musik. Jetzt zählt jede Sekunde. In der Tonart geht es weiter:

„Die Kommunikation startet von 0 auf 100. Herausforderung: trotz Tempo keine Qualitätsverluste in der Kommunikation zulassen. Konzeptions- und Strategiephase? Keine Zeit! Wir gehen in die Vollen. Mit persönlichen Gesprächen vor Ort und transparenten Informationen. Das Projekt als gemeinsamen Kraftakt aller Stakeholder*innen. Politik auf Bundes- und Lokalebene, Behörden, Industrie und Anwohner*innen ziehen an einem Strang. Wir zeigen: die WAL, das ist ‚Deutschlandtempo‘! Die WAL ist fertig. In 9 Monaten statt üblicherweise 8 Jahren. Ein Riesenerfolg. Zur Eröffnung kommen Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner. Weltweit berichten Medien online und in Print über das Projekt. Tenor: Wenn der Wille da ist, kann Unmögliches möglich gemacht werden.“

„Keine Zeit! Wir gehen in die Vollen.“ Pures Marketinggold. Und dann auch noch das „Deutschlandtempo“ eingeflochten, da schwillt dem Bundeskanzler doch gleich der Kamm. Oder ist gar Navos verantwortlich für diese Stilblüte von Olaf Scholz? Auszuschließen wäre es nicht, denn Deutschlandtempo und Doppelwumms wirken im adoleszenten Marketingsprech der Berater weitaus weniger deplatziert, als in der Rede eines Bundeskanzlers.

Aber unabhängig davon, ob tatsächlich die Beraterriege von Navos für einige der befremdlichsten Ampelsager verantwortlich ist, eines scheint sicher: Jeder Ampelpolitiker, der solche Hohelieder auf seine „Riesenerfolge“ liest, die „Unmögliches möglich“ gemacht haben, kann nicht anders, als die für die Massen verbreitete Botschaft auch selbst zu glauben. Denn wie so oft in dieser Branche ist es wichtiger, dass der Kunde der Beraterfirma begeistert ist denn die Kunden des Kunden.

Netzwerkpartner als De-facto-Kartelle

So wie die Bürokratenkaste der NGOs und Ratingagenturen, so bauen auch die Berater der Werbewelt auf ein nahezu lückenloses, möglichst globales Netzwerk, damit erst gar nicht der Verdacht einer freien Wahl bei der Richtungsentscheidung entsteht. Im Falle der Agenturen mit Schwerpunkt auf politische Meinungsbildung heißt dieses Netzwerk „Global Communications Alliance“ (GCA). Gegründet wurde die GCA 2015. Navos war eines von 10 Gründungsmitgliedern, mittlerweile ist die GCA auf 17 Mitglieder angewachsen. Hauptinitiator und zugleich erster Vorsitzender war die britische PLMR Group des Iren Kevin Craig, der bereits ab den 90er Jahren die Verquickung von Politik, Lobbyarbeit und Werbung ins Zentrum seiner Karriere stellte. PLMR landete 2023 im Ranking der Top 250 Werbeagenturen weltweit auf Platz 183. Die Webseite trieft von Begriffen wie „sustainable impact“ (nachhaltiger Effekt) und „better future“ (bessere Zukunft), der Fokus der Agentur liegt auf Beratung im Feld der „Public Affairs“, also der „öffentlichen Angelegenheiten“. Mit anderen Worten: Der Politik.

Wahlkampf im Endstadium
Alle gegen die AfD
Die mit Preisen überhäufte Agentur war dabei unter anderem verantwortlich für die Einführung standardisierter Zigarettenverpackungen mit Schreckensbildern, einer Kampagne um Zuspruch für eine neue Solarfarm zu gewinnen und half einer Online-Tauschseite bei der Erstellung ihres ersten ESG-Berichts.

Ein weiteres Schwergewicht der GCA ist „Agenda Global“ aus den USA. Da kommen schon bei der Namensgebung keine Zweifel auf, woher der Wind weht. „Force for Change“ – Kraft für den Wandel, so präsentiert sich Agenda Global als Agentur, die „demokratische Institutionen unterstützt“, „gegen Gewalt und Extremismus“ auftritt und sogar eine eigene Beratungssparte zum Thema „Desinformation“ anbietet, in der vor russischer Wahlbeeinflussung gewarnt wird, als schreibe man noch immer das Jahr 2016. Wichtigster Kunde der Agenda Global ist zweifelsohne die Nato, deren Beratung im Fall der Agenda Global Chefsache ist.

Deutschlands führende Agentur für Energiewende-Propaganda

Selbstverständlich haben Regierungen und Konzerne auch ein Anrecht auf professionelle Werbung und Beratung. Die Frage ist aber, ab welchem Zeitpunkt das Ausmaß dieser Beratung die Grenze zur Lobbyarbeit überschreitet. Denn während es eine Sache ist, interne Prozesse oder eine Außendarstellung zu hinterfragen und zu optimieren, so ist es doch eine ganz andere Qualität, wenn eine Beratungsagentur sich dezidiert darauf spezialisiert, Regierungen und Unternehmen dabei zu helfen, den Übergang in eine von NGOs beschlossene neue Weltordnung voranzutreiben.

Navos mag, im Gegensatz zum großen Bruder Jung von Matt, kein Haushaltsname sein, hat sich aber in den letzten 10 Jahren beachtlich etabliert. Unter den weltgrößten Agenturen rangierte sie 2023 auf Platz 202, Tendenz steigend. In Deutschland zählt sie zu den 25 größten Agenturen, vor allem aber wurde sie vom Pfeffer PR Ranking als führender Kommunikator im Energiesektor geführt. Man ist stolz, Deutschlands führender „Energie-Erklärer“ zu sein und das erklärte Ziel von Anja Schlicht ist, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen.

All das macht Navos zu einem wichtigen Verbündeten der Energiewende und ihrer Akteure. Es ist wohl eine von vielen Ironien des Schicksals, dass viele der Familienunternehmen, die in Folge der Energiepolitik erwägen, Deutschland zu verlassen, mit der „Made by Vielfalt“-Kampagne ausgerechnet jene Beratungsagentur beauftragten, die andernorts dafür verantwortlich ist, den Deutschen eben jene desaströse Energiepolitik schmackhaft zu machen. Vielleicht wäre es an der Zeit, das Stockholm-Syndrom umzubenennen in Deutschland-Syndrom.

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