Keine Angst. Das wird kein Text darüber, wie wenig wert das Wort von Markus Söder ist. Der Fastnachtfan hat in seinem Schrank das Kostüm zum Ausstieg aus der Atomkraft ebenso hängen wie das zur Laufzeitverlängerung. Wie alles in seinem Leben zieht er immer genau dann das an, was gerade gefragt wird. Aktuell gibt er den Grünen-Gegner, der jedem, der es nicht hören will, erzählt, dass es mit ihm als CSU-Chef keine Koalition mit den Grünen geben werde.
Dass sein Wort weniger lange hält als eine Handvoll Zucker in einer 90-Grad-Wäsche? Geschenkt. Dass die Union vor den Wahlen in Sachsen und Thüringen eine Zusammenarbeit mit den Grünen ausschließt, um aus dem Zorn gegen die Grünen Stimmen zu machen? Dass die gleiche Union aber nach den Wahlen mit eben diesen Grünen koalieren wird, wenn die es denn in die Parlamente schaffen? Darauf bietet TE keine Wahlwette an – es würde niemand dagegen halten wollen.
Merz hat eine Zusammenarbeit mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht ausgeschlossen. Zuerst. Mittlerweile ist er – wieder mal – zurückgerudert, mit genau den erwartbaren Ausreden: Die Verbände vor Ort müssten entscheiden, es ginge um die Themen und so weiter. Was ist in der Zwischenzeit passiert? Hat sich Wagenknecht den Positionen der Union genähert? Im Gegenteil. Die ehemalige Vorsitzende der Kommunistischen Plattform in der PDS hat gesagt, dass ihr Bündnis nur mit Parteien koalieren werde, die sich gegen die Unterstützung der Ukraine aussprechen. Auch auf Landesebene. Trotzdem hat Merz seine Position geändert und segnet Koalitionen mit dem Bündnis ab. Das zeigt, wie wenig es dem CDU-Chef um Inhalte und wie sehr um den Machterwerb des Machterwerbs wegen geht.
In dem Moment, in dem Söder und Merz die Brandmauern gegen Grüne beziehungsweise Bündnis Sahra Wagenknecht hochgezogen haben, war jedem politisch denkenden Menschen klar: Das ist nur Geschwätz. Das überlebt den Tag nicht, an dem es ausgesprochen wurde. Inhaltlich macht das sogar Sinn. Denn irgendwann ist es auch mal gut mit Brandmauern. Das zeigt ein Blick auf die EU-Wahl und auf die aktuellen Umfragen auf Bundesebene. Vor allem, wenn man die AfD einbezieht, gegen die es bereits eine Brandmauer gibt, die hält.
Bei der EU-Wahl haben Grüne, AfD und Bündnis zusammen mehr als ein Drittel der Stimmen geholt. In den bundesweiten Umfragen liegen sie zusammen bei knapp 40 Prozent. Würde die Union die Brandmauern ernst nehmen, die Merz und Söder beschwören, bliebe der Partei als letzte Machtoption eine Zusammenarbeit mit der SPD. Zumal der FDP im September 2025 der Abschied aus der Geschichte droht.
Die Älteren werden sich an die Tage erinnern, in denen eine Koalition aus SPD und Union „große Koalition“ genannt wurde. Den Umfragen zufolge hätte sie im Bundestag nur noch eine Mehrheit, wenn FDP und Linke nicht mehr im Parlament vertreten sind und es auch sonst keine Partei aus dem Block der „Sonstigen“ über die 5-Prozent-Hürde schafft.
Schon jetzt sind im Bundestag acht Parteien vertreten: als Fraktionen, Gruppen oder Landesgruppen. Die Aufsplitterung der Parteienlandschaft wird eher fortschreiten, als sich zurückfahren lassen: Mit Volt, Freien Wählern, Werteunion und Tierschutzpartei stehen mehrere Parteien nicht mehr nur noch im Startblock für den Einzug in Parlamente – sie sind zum Teil schon losgelaufen.
Diese Zersplitterung macht Brandmauern unsinnig. Die zusätzlichen ebenso wie die bestehende. Derzeit legen die Parteien von Grüne bis Union einen Spagat hin, der sie zu zerreißen droht: In der Woche vor der Wahl beschwören sie, welche unverzeihliche Tat es wäre, mit der AfD zu koalieren. Doch in der gleichen Woche versprechen sie auch, die Konzepte der AfD gegen die illegale Einwanderung umzusetzen. Ausgerechnet in dem Themenfeld, dessentwegen sie die AfD einbunkern wollen, nähern sich die Brandmaurer dieser AfD an. Offensichtlicher ist selten zuvor eine Lebenslüge geplatzt.
Koalitionen mit nur zwei Parteien werden künftig die Ausnahme sein. Selbst die „große Koalition“ wäre wegen der CSU ja eine Koalition aus drei Parteien. Die Koalitionen der Zukunft werden drei, vier oder vielleicht sogar fünf Parteien unter ein Dach bringen müssen. Das wird nicht mehr gehen, indem ein 200-seitiger Koalitionsvertrag abgearbeitet wird. Stattdessen wird es um Bündnisse gehen, die solide die Aktualität abarbeiten und sich auf einige wenige, machbare Projekte konzentrieren. Derzeit versprechen SPD, Grüne, FDP und Union in der Einwanderungs-Frage nichts, was die AfD nicht auch mittragen könnte. Die Brandmaurer haben nicht vor, diese Versprechen einzuhalten. Aber davon soll dieser Text nicht handeln. Versprochen.
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