Tichys Einblick
Migration, Staatsversagen, Bürgerangst

Attentäter von Solingen sollte 2023 abgeschoben werden – NRW-CDU: Warum geschah das nicht?

Nach dem Solinger Attentat verzweigt sich die deutsche Politik stärker als zuvor. Während Ampel und CDU in den Sog der Messerverbote hineingezogen werden, sehen die Nicht-Etablierten die regierenden Parteien als Teil des Problems an. Das verschwiegene Problem sei die unkontrollierte Migration.

Der mutmassliche Täter des Messerangriffs von Solingen wird von einem Hubschrauber zu einer Wagenkolonne geführt. Diese bringt ihn zum Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshof (BGH), der über einen Haftbefehl entscheiden wird.

picture alliance/dpa | Uli Deck

„Heute steche ich alle ab“, soll der spätere Täter im Gespräch mit einem 15-jährigen Kirgisen gesagt haben. Diese Aussage hörten zwei Zeuginnen am Abend der vielfachen Mordtat und meldeten sie später der Polizei. Die Aussage führte zunächst zur Festnahme des jugendlichen Kirgisen am Samstagnachmittag. Gegen 20.40 Uhr stürmte die Polizei zusammen mit einem Sondereinsatzkommando (SEK) die Solinger Flüchtlingsunterkunft und nahm dort einen Syrer (36) fest. Beide Festgenommenen sollen Kontakte zu dem möglichen Attentäter gehabt haben, könnten also durchaus Komplizen oder Gesinnungsgenossen sein.

Am späten Samstagabend hat sich schließlich der mutmaßliche Täter nach 24-stündiger Flucht gestellt, angeblich mit den Worten: „Ich bin der, den ihr sucht.“ Die Polizei hatte zuvor die Tatwaffe, ein noch blutverschmiertes Messer, unweit des Tatorts in einem Mülleimer gefunden, gehüllt in einen Rucksack oder eine Jacke, was dann wiederum den Suchhunden Material gab.

Beim dringend Tatverdächtigen – er trug noch das blutbeschmierte T-Shirt der Anschlagsnacht – handelt sich um den 26-jährigen Syrer Issa al Hassan, geboren 1998 im ostsyrischen Deir az-Zor, der 2022 nach Deutschland gekommen war und damals einen Asylantrag stellte. Er erhielt subsidiären Schutz, also einen Gnadentitel, weil in Syrien damals angeblich noch ein Bürgerkrieg anging. Er sollte Anfang 2023 nach Bulgarien abgeschoben werden. Al Hassan entzog sich und tauchte für Monate unter. Die Abschiebung sei damit „hinfällig“ geworden. Danach wurde der Syrer nach Solingen „umverteilt“. Er wohnte dort in einem Flüchtlingsheim in der Innenstadt, das er nach der Tat aber bewusst nicht aufsuchte.

Der Vizechef der CDU-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag, Gregor Golland, fragte nun allen Ernstes, „warum der Mann nach seinem Wiederauftauchen nicht umgehend in Abschiebehaft genommen und nach Bulgarien zurückgebracht wurde?“ Doch diese Frage fällt auf die CDU zurück, denn sie ist ja im Land für Abschiebungen zuständig. Die städtischen Behörden im SPD-regierten und notorisch migrationsfreundlichen Solingen könnten allenfalls mitgewirkt haben. All das ist ein weiterer Beleg für die Strafwürdigkeit des Versagens von Bund, Ländern und weiteren Behörden bei der Abschiebung von unberechtigten, teils kriminellen Asylbewerbern. Noch bei Beginn des Stadtfestes „der Vielfalt“ forderte Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) ausdrücklich: „Wir brauchen nicht mehr Grenzen, und schon gar keine Obergrenze.“

Auch in Südfrankreich: Ein Algerier ohne Aufenthaltsstatus

Eine klare Parallele findet das Solinger Geschehen auch in diesem Punkt und ganz aktuell im südfranzösischen Badeort La Grande-Motte. Am Samstag wurden vor der dortigen Synagoge Beth-Yacoov zwei Autos entzündet. In einem der Autos explodierte ein Gasbehälter, wodurch ein Polizist verletzt wurde. Auf einer Kamera-Aufnahme trug ein Täter eine palästinensische Flagge um die Hüften, während er die Fahrzeuge in Brand setzte.

Präsident Macron ordnete die Tat umgehend als „Terrorakt“ ein. Der Verdächtige, ein 33-jähriger Algerier ohne Aufenthaltsstatus, wurde noch am Samstagabend im 50 Kilometer entfernten Nîmes mithilfe der Elite-Einheit RAID festgenommen, wobei er einige (nicht lebensgefährliche) Schüsse erlitt. Noch drei weitere Personen wurden festgenommen.

Der Staat funktioniert – doch erst im Nachhinein

Mit der Festnahme hat sich für Reul erwiesen, dass der Staat funktioniert. Er zeigte sich „ein Stück weit erleichtert“ – ein Innenpolitiker lebt seinen Film und blickt kaum noch darüber hinaus. Denn in Solingen und anderswo im Land dürften die wenigsten erleichtert sein, nur weil sich ein gemeiner Mörder, ein hoffnungsloser Fall und gescheitertes Individuum gestellt hat.

Zeugen der Solinger Bluttat haben ausgesagt, dass sie den Täter früher in zwei Moscheen gesehen hätten. Ein weiterer Zeuge sagte aus, der Täter habe bei seiner Mordtat „Allahu akbar“ gerufen. Auch wenn den Behörden nichts bekannt war, kam der Angriff dennoch nicht „aus dem Nichts“, wie NRW-Innenminister Reul (CDU) direkt nach der Tat sagte. Al Hassan war bisher nicht offiziell als Extremist bekannt.

Selbst im ZDF ließ Rechtsexpertin Sarah Tacke durchblicken, dass „nach meinen Informationen“ vieles darauf hinwies, dass „hier ein junger Mann im Namen des IS gemordet haben könnte“. Darauf deutete schon die gesamte Vorgehensweise hin, wie auch die Staatsanwaltschaft in der Pressekonferenz vom Samstagnachmittag mehr oder minder sagte.

Die Düsseldorfer Polizei erhielt keine 24 Stunden nach der Tat ein Bekennerschreiben des Islamischen Staats. Auch auf dem Telegram-Kanal der IS-Agentur Amaq hieß es, ein „Soldat“ des IS habe einen Angriff auf eine „Versammlung von Christen in der Stadt Solingen“ verübt. Die Tat sei aus „Rache für Muslime in Palästina und anderswo“ verübt worden. Am Sonntagmorgen übernahm die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen, wie es bei Terrortaten üblich ist.

Allerdings hat Deutschland laut der ARD und einem dort geladenen Kriminologen in puncto Messerangriffen kein Problem mit bestimmten Staatsangehörigkeiten, sondern mit „jungen Männern“, die mit Messern „ihre Männlichkeit unterstreichen“ – offenbar vor allem auch, indem sie „Allahu akbar“ rufend „Christen“ auf deutschen Volksfesten dahinmetzeln. Es wären also laut Tagesschau nicht bestimmte „Milieus“, die solche extremen Gewalttaten hervorbringen, sondern das „Geschlecht“, wie der Kriminologe Dirk Baier erläutern darf.

Faesers Herde droht stiften zu gehen

Nancy Faeser erschien am Samstag in schwarzer Trauerkleidung in Solingen und richtete einen „dringenden Appell“ an alle, die „jetzt Hass säen wollen“: „Lassen Sie sich nicht davon beeindrucken. Diese Gesellschaft muss jetzt gerade in solch schweren Stunden zusammenstehen.“ Was auffällt? Das war gar kein Appell an die „Hass-Säer“, sondern einer zu ihnen. Es ging Faeser nicht um das Vereinen, sondern um das Spalten. Die sogenannten „Hass-Säer“ sollten nicht zu dem Kollektiv gehören, das Faeser „unsere Gesellschaft“ nennt und das laut ihr „zusammenstehen“ soll. Es war die typische, sprachlich nicht einmal besonders gelungene Redeweise einer Parteikaderin, die ihre Schäfchen – Mitglieder, Vorfeld, die vermeintlich gepachtete Wählerschaft – beisammenzuhalten versucht. Im Falle der SPD sind das freilich bald teils schon mikroskopische Werte.

Nun geht eine bekannte Debatte weiter. Justizminister Buschmann (FDP) will in der Bundesregierung den „Kampf gegen diese Art der Messerkriminalität weiter voranbringen“. Das klingt, als sei hier schon bisher viel geschehen. Aber außer einigen Waffenverbotszonen gab es nichts, und die blieben auch meist ohne größere Konsequenzen. Die Polizei ist nicht mal einig, ob sie in solchen Zonen überhaupt ohne weiteren Anlass kontrollieren darf.

Schon wird Finanzminister Lindner (auch FDP) in die Pflicht genommen, die nötigen Mittel für mehr Polizisten auf deutschen Straßen bereitzustellen. Doch das könnte offenbar nur Bundespolizei sein. Lindner forderte in einem Tweet die „kühle Konsequenz von Polizei und Rechtsstaat“, um „Gefühle von Ohnmacht und Wut“ zu vermeiden. Auch ein technokratischer Politikansatz also, der vorerst keine grundlegenden Konsequenzen ziehen will, etwa für die Art, wie in Deutschland „Schutz“ an ungeprüfte Personen vergeben wird, die durchaus alle anderen gefährden können.

Habeck: Leben nicht mehr im Mittelalter

Im rot-grünen Lager sind derweil jene Forderungen nach mehr „Härte“ ausgebrochen, die Franz Josef Strauß schon vor 40 Jahren mit diesem Lager verband. Für den SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil hat Deutschland „ein Problem mit Messer-Gewalt“. Gegenüber Bild sagte er: „Wir brauchen schnelle und konsequente Maßnahmen. Dazu gehört, endlich Messerverbote erheblich auszuweiten. Für mich gibt es keinen Grund, warum Menschen Stichwaffen im Alltag mit sich führen. Es müssen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, damit Messer von Deutschlands Straßen und Plätzen verschwinden.“

Darüber rückt die Verantwortung der Messertäter in den Hintergrund. Auch der für Innenpolitik zuständige SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese fordert die FDP auf, sich bei einem allgemeinen Messerverbot zu bewegen. Wiese weiß aber auch, dass es hier vor allem um „radikalisierte Einzeltäter“ geht, die besonders gefährlich sind. Dafür fordert der SPD-Politiker eine Ausweitung der digitalen Überwachung, etwa die IP-Adressenspeicherung. Auch mehr Video-Überwachung auf öffentlichen Plätzen kann sich Wiese nun vorstellen.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte laut Zeit online: „Hieb- und Stichwaffen braucht niemand in Deutschland in der Öffentlichkeit. Wir leben nicht mehr im Mittelalter.“ Vielleicht ja bald wieder, wenn die Grünen, Roten, Schwarzen und Gelben mit den Menschen-Importen aus aller Welt so weiter machen.

Höcke: Ihr seid nicht in der Lage etwas zu verteidigen

Die AfD Solingen schreibt in einer Pressemitteilung vom Samstag: „Jeder kennt das Problem, doch die wenigsten nennen es beim Namen: Migration.“ Das geschehene Verbrechen sei keine „gottgegebene Tragödie“ oder „Naturkatastrophe“, sondern „das Ergebnis verfehlter Politik“, die schädlich, ja tödlich sei. „Man kann sich immer seltener noch frei bewegen, ohne dass man Angst haben muss.“ Diese Angst habe sich in Solingen nun zum „Terror“ verdichtet. Die Antwort müsse in einer Umkehr bei der Migrationspolitik, vor allem in verstärkten Abschiebungen, bestehen.

Björn Höcke, Vorsitzender und Spitzenkandidat der AfD in Thüringen, bestritt auf X, dass NRW-Landeschef Hendrik Wüst (CDU) in der Lage sei „etwas zu verteidigen“, etwa „unsere Art zu leben“, wie Wüst in Solingen am Samstag gesagt hatte. Dazu Höcke: „Ihr denkt nur an Eure Karriereoption, weicht zurück und lebt aus der Substanz, die ein Volk über Jahrhunderte aufgebaut hat, mit dem ihr im besten Fall nichts anfangen könnt“.

Die Abschiebung von Migranten ohne rechtmäßigen Aufenthalt fordert auch Hans-Georg Maaßen für die Werteunion. In einer Pressemitteilung geht Maaßen den NRW-Innenminister Reul mit deutlichen Worten an: „Hinter jedem Messerstecher steht ein schwacher Politiker. Ein Politiker, der weder Mut noch Willen hat, für Sicherheit und Ordnung zu sorgen.“ Der „schwache Innenminister Reul“ habe „eine furchtbare Bilanz in der Polizeilichen Kriminalstatistik“ vorzuweisen und sei „leider immer noch im Amt“.

Das bestehende Sicherheitsproblem könne „mit diesen Politikern nicht gelöst werden“. Diese seien vielmehr „Teil des Problems und müssen weggewählt werden“. Sicherheit sei „die vornehmste Aufgabe des Staates und nicht das Verteilen von Bürgergeld, wohlfeilen Sprüchen und Kondolenzschreiben“.

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