Tichys Einblick
Brüsseler Anmaßung

Die EU wird immer übergriffiger

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union wollen bei einem Treffen der Außen- und Verteidigungsminister in der kommenden Woche in Brüssel erstmals seit Beginn des Krieges über die Entsendung von EU-Soldaten in die Ukraine beraten.

IMAGO / Panthermedia

Die aktuelle „Welt am Sonntag“ (Wams) vermeldet unter Berufung auf Brüsseler Diplomatenkreise: „Brüssel erwägt Entsendung von EU-Soldaten zur Ausbildung in Ukraine“. Lassen wir Sinn und Zweck solcher Überlegungen außen vor. Klar ist: Es gibt keine „EU-Soldaten“, weil es keine EU-Armee und keine „Europa“-Armee gibt. Es gibt nur Soldaten und Armeen von souveränen EU-Mitgliedsstaaten. Und es gibt Soldaten und Armeen von 29 europäischen NATO-Mitgliedsstaaten (also ohne die USA, Kanada und die Türkei), von denen 23 zugleich EU-Mitglieder sind, während vier EU-Mitglieder (Österreich, Zypern, Irland, Malta) keine NATO-Mitglieder sind. Die Parallelstrukturen sind nun mal so.

Der aktuelle Hintergrund der WamS-Meldung ist folgender: Die EU-Mitgliedstaaten wollen am 28./29. August bei einem informellen Treffen der Außen- und Verteidigungsminister in Budapest (nicht in Brüssel, wie die WamS schreibt) erstmals seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine über die Entsendung von EU-Soldaten (sic!) in die Ukraine beraten. Eine Vorlage dazu hat der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) vorgelegt. Der EAD steht unter der Dienstaufsicht des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik der EU-Kommission (HR/VP), also des Spaniers und EU-Kommissionsvizepräsidenten Josep Borrell.

Aufgabe des EAD ist die Unterstützung Borrells bei der Erfüllung seines Mandats zur Durchführung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP). Der EAD selbst besteht aus Bediensteten der EU und der EU-Länder. Siehe Europäischer Auswärtiger Dienst (EAD) und hier. Die GASP wurde ursprünglich 1993 mit dem Vertrag von Maastricht geschaffen. Sie wurde schrittweise durch nachfolgende Verträge verstärkt, insbesondere durch den Vertrag von Lissabon (Titel V des Vertrags über die Europäische Union).

Was haben der EAD bzw. Borrell vor?

Ukraines Verteidigungsminister Rustem Umerov hatte mit Schreiben vom 31. Mai 2024 an Josep Borrell gefordert, ukrainische Soldaten im Rahmen der seit November 2022 bestehenden EU-Ausbildungsmission Ukraine (EUMAM UKR) künftig auch vor Ort, also in der Ukraine, auszubilden. Bislang findet diese Ausbildung in EU-Ländern, vor allem Deutschland und Polen, statt.

Nun also gibt es ein vertrauliches Papier des EAD mit dem Titel „Strategische Überarbeitung der EU-Ausbildungsmission Ukraine“. Darin finden sich folgende Informationen bzw. Kernaussagen:

Alles in allem: Die EAD spricht sich zwar nicht explizit für die Ausbildung von ukrainischen Soldaten vor Ort aus, eiert herum und befürwortet dann ausdrücklich eine Verlängerung der Ausbildungsmission (EUMAM UA) bis 2026. Außerdem soll die EU im Rahmen ihrer Ausbildungsmission Kiew bei der Reform des Sicherheitssektors und bei der Reform des Beschaffungswesens beraten. Und: Im Rahmen der Ausbildungsmission soll in Kiew eine Koordinierungszelle (EUMAM Forward Coordination and Liaison Cell -FCLC) errichtet werden, wo alle Informationen über die Ausbildungsaktivitäten zwischen EU und Ukraine zusammenlaufen. Wie die WamS berichtet, macht sich vor allem die Regierung in Paris für eine Ausweitung der EU-Ausbildungsmission auf ukrainischen Boden stark. Dagegen hat sich die deutsche Bundesregierung bisher skeptisch gezeigt.

Die EU ist kein Staat mit eigener Armee

Noch einmal: Es geht hier zunächst nicht um die Frage, wie sinnvoll und/oder wie brisant oder gar gefährlich eskalierend eine Vor-Ort-Ausbildung ukrainischer Soldaten durch Soldaten aus EU-Mitgliedsländern ist. Sondern es geht hier um die Frage: Geriert sich die EU jetzt als souveräner Bundesstaat, der über Soldaten verfügen kann? Geriert sich hier ein Josef Borrell als EU-Verteidigungsminister? Oder polemisch gefragt: Handelt Borrell im Sinne Ursula von der Leyens, die ja als deutsche Verteidigungsministerin von 2013 bis 2019 so manch schräge „Erfolge“ auszuweisen hatte.

Nein, das kann nicht sein. Es gibt keine „Europaarmee“, es gibt keine EU-Armee (zumal ohne Briten!), es gibt keinen EU-Verteidigungsminister. Auch wenn „europäische“ Träume immer wieder auch militärisch herbeigeträumt wurden: von Angela Merkel etwa 2019 mit der Schnapsidee eines „europäischen“ Flugzeugträgers. Ukraine hin, Ukraine her: Der von Russland inszenierte Krieg dort kann nicht Anlass sein, dass die EU immer neue Souveränitätsrechte reklamiert. Die EU ist kein souveräner, demokratisch legitimierter Staat. Der frühere Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz (SPD), hatte schon Recht, als er am 1. Juli 2013 im Tagesgespräch „Phoenix vor Ort“ sagte: „Wäre die EU ein Staat und würde sie einen Antrag zum Beitritt zur EU stellen, so würde dieser wegen sichtlicher demokratischer Defizite abgelehnt.“

Anzeige
Die mobile Version verlassen