Der Steuer-, Gebühren- und Bußgeldzahler ist – wie immer, pardon! – der Depp. Wehe, er kommt seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nach. Dann hagelt es Abmahnungen, Mahngebühren, Besuche von Gerichtsvollziehern, Zwangsvollstreckungen, Pfändungen, womöglich Haft. Weil Leute sich weigerten, etwa die Zwangsgebühren für die Öffentlich-Rechtlichen (in Orwell‘scher Diktion „Demokratieabgabe“ genannt) zu zahlen, landeten sie im Gefängnis. Georg Thiel ist so einer, er verbrachte wegen seiner Zahlungsverweigerung 181 Tage im Gefängnis.
Wenn es um Banken, Bänker und Milliarden geht, ist es etwas anderes. Dann mahlen die Mühlen ganz langsam, oder sie haben den Betrieb eingestellt. Die kriminellen Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäfte sind himmelschreiendes Beispiel dafür. Mindestens 30 kriminell abgezockte Milliarden Euro könnte, ja müsste sich der deutsche Fiskus von diversen Banken und Bänkern im Zuge der Ermittlungen um die Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäfte zurückholen.
Aber: Es passiert fast nichts. Ganz offenbar hat die Finanzlobby hier „beste Arbeit“ geleistet, wie die ehemalige Kölner Chefermittlerin, Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker, kritisiert. TE hat laufend über den Skandal, der einer Bananenrepublik zur Ehre gereichte, berichtet:
Bundesländer geben kaum Auskunft
Der RBB hat für tagesschau.de alle Finanzministerien der Länder zum aktuellen Stand der Aufarbeitung befragt. In Bremen, Brandenburg und dem Saarland sind den Behörden bisher keine Cum-Cum-Fälle dieser Art bekannt. Zehn weitere Bundesländer gaben keine konkrete Auskunft. Nur Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Hessen haben detailliert geantwortet:
- In Hessen konnten seit 2021 gerade einmal zwei Fälle steuerrechtlich rechtskräftig abgeschlossen werden. Bisher soll das Bundesland damit knapp 13,7 Millionen Euro zurückgeholt haben. Allerdings geht man in Hessen, mit dem Bankenstandort Frankfurt am Main, von einem sehr viel höheren Steuerschaden aus. 95 Verdachtsfälle werden derzeit noch geprüft. Die Gesamtsumme der zu Unrecht erstatteten Kapitalertragsteuer soll laut hessischem Finanzministerium hier bei knapp vier Milliarden Euro liegen.
- In Rheinland-Pfalz hingegen wurden innerhalb der vergangenen drei Jahre acht Fälle abgeschlossen, knapp 11,7 Millionen Euro rechtskräftig zurückgeholt. Drei Fälle waren Ende 2023 noch offen. Dabei geht es um rund 20,6 Millionen Euro.
- Baden-Württemberg hat bis Ende 2023 in 67 Cum-Cum-Fällen circa 480 Millionen Euro zurückgeholt.
All diese Beträge sind in Anbetracht der geschätzten 30 Betrugs-Milliarden Euro „Peanuts“. 30 Milliarden: Damit könnte die „Ampel“ übrigens so manches Haushaltsloch stopfen.
Apropos „Ampel“: Im Jahr 2021 hatte die „Ampel“ im Koalitionsvertrag beteuert, man werde „alles dafür tun, missbräuchliche Dividendenarbitragegeschäfte zu unterbinden“. Und weiter „dafür sorgen, dass erlittene Steuerschäden konsequent zurückgefordert und eingezogen werden“. Nun soll zwar eine neue Bundesoberbehörde entstehen, die Finanzkriminalität effektiv bekämpfen soll, doch Fälle von Cum-Cum oder Cum-Ex sollen von dem neuen Bundesamt gar nicht angefasst werden. Auch Finanzminister Lindner (FDP) scheint sich nicht ins Zeug legen zu wollen. Er schiebt die Verantwortung vor allem auf die Länder. Auf Nachfrage betont der FDP-Politiker, es sei die Aufgabe der Steuerverwaltung und der Steuerfahndung der einzelnen Landesbehörden, Cum-Cum-Fälle aufzuklären und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen.
Nebulöses – Und drei brisante Fragen
1) Die intensivste Arbeit zur Aufklärung des Cum-Ex- und des Cum-Cum-Skandals wird seit 2013 von der Staatsanwaltschaft Köln geleistet. Wiewohl Banken der Hansestadt Hamburg mitten in diesem Sumpf stecken. Frage: Warum sind die Staatsanwaltschaften, die Gerichte der Hansestadt und Hamburgs Erster Bürgermeister, der vormalige Finanzsenator Tschentscher, hier so hanseatisch vornehm zurückhaltend? Jedenfalls ist offensichtlich, dass sich die Hamburger Staatsanwaltschaft zierte, dezidiert zu ermitteln. Weisungsberechtigt für die Hamburger Staatsanwaltschaft war von 2011 bis 2015 übrigens Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD), von 2015 bis 2018 Justizsenator Till Steffen („Grüne“). Beide waren Justizsenatoren in den Kabinetten I und II des von 2011 bis 2018 regierenden Hamburger Bürgermeisters Olaf Scholz (SPD).
2) Im Oktober 2023 verschwanden für zwei Wochen zwei Laptops mit 700.000 E-Mails aus dem Tresor des offiziell bestellten „Chefaufklärers“ Steffen Jänicke. SPD-Mann Jänicke war im Sommer 2022 zum Arbeitsstabsleiter des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) mit dem Titel „Cum-Ex-Steuergeldaffäre“ bestellt worden. Was in diesen zwei Wochen warum und zu welchem Zweck mit den beiden Laptops möglicherweise geschah, ist unaufgeklärt. Finden sich unter den E-Mails auch welche mit dem Namen des vormaligen Hamburger Ersten Bürgermeisters Olaf Scholz? Wurden E-Mails gelöscht? Der PUA arbeitet übrigens seit 2020, am 12. Juli 2024 hielt er seine 61. Sitzung ab.
3) Die vormalige Steuerfachangestellte und SPD-Kommunalpolitikern Aynur Colpan (*1990) wurde im Februar 2023 Büroleiterin des niedersächsischen Ministerpräsidenten Stefan Weil (SPD). Sie bekam bei MP Weil aus dem Stand die Besoldungsgruppe B2, was gegenüber den üblichen amtlichen Karrierewegen einem Gehaltssprung von monatlich 1.900 Euro entspricht. Man beachte: Aynur Colpan hatte eine Zeitlang im Cum-Ex-Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft gearbeitet. Die Frage, ob es sich bei dem B2-Gehalt um Schweigegeld handelt, wäre aber wohl zu suggestiv.