Die Bundesrepublik Deutschland soll einen neuen Staatskonzern bekommen: die Meyer Werft in Papenburg. Für eine gewisse Zeit jedenfalls, so schränkte Bundeskanzler Olaf Scholz ein, als er am Donnerstagmittag während einer Betriebsversammlung in Halle 4 der Meyer Werft verkündete, mit dem Unternehmen gehe es weiter. Es sei nie eine Frage gewesen, ob der Bund helfe, sondern nur wie.
Es solle kein Engagement auf Dauer werden, sondern die Werft soll dann wieder unter privater Regie weiterlaufen, sagte zumindest Scholz jetzt (»Wir sind keine Schiffbauer«). Er erinnerte an Lufthansa und TUI, wo die zeitweiligen Staatseingriffe erfolgreich gewesen seien.
In Papenburg werde beste deutsche Arbeit geleistet, deshalb würden Bund und Land einsteigen, so der Kanzler. An Schleimereien fehlte es nicht, als sich Politik und Gewerkschaften ein Stelldichein auf der Bühne gaben und die Rettung verkündeten. Scholz war mit dem Hubschrauber aus Berlin angeflogen, um den Werftmitarbeitern anzukündigen: »Wir stehen an eurer Seite!« Und: »Ihr seid der Stolz einer ganzen Region!«
Wohl fehlte es aber an konkreten Aussagen. Denn wie jetzt genau die Rettung aussieht, verriet er auf der Versammlung ebenso wenig wie auf der kurzen Pressekonferenz, auf der keine Nachfragen zugelassen waren. Viele Details müssten noch geklärt werden, dazu seien noch eine ganze Reihe von Gesprächen notwendig mit Banken, auch die EU wolle gefragt werden. Ansonsten bestätigte der Kanzler seinen Ruf als Nebelwerfer.
Die Grundzüge, so wiederholten Scholz und der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil, würden jedoch stehen. Es sollen, wie in den vergangenen Tagen zu erfahren war, Bund und Land 90 Prozent der Meyer Werft übernehmen. Die restlichen 10 Prozent verbleiben bei den bisherigen Eigentümern, der Familie Meyer.
Nebelgranaten auch bei den Reden des CEO der Meyer Werft, Bernd Eikens, und Sanierer Ralf Schmitz. Sie betonten beide vor versammelter Mannschaft, dass heute ein Grundstein für den Weiterbestand der Werft gelegt worden sei. Schmitz verkündete, bis zum 5. September müssten noch eine Reihe von Verträgen geschlossen werden. Er sehe aber nichts, was noch dazwischen kommen könne. Der Sanierer nennt sich offiziell »Meyer Werft Chief Restructuring Officer«, verriet aber nichts über den Rettungsplan.
Firmenchef Meyer tauchte nicht auf dem Rednerpult auf. Stattdessen gaben Politik, Betriebsrat und großvolumige Gewerkschaftsfunktionäre auf der Bühne den Ton an. Fast wie eine Drohung klang die Ankündigung Weils, dass die Mitarbeiter es in Zukunft mehr mit Vertretern des Staates zu tun hätten.
Immerhin bedankte sich Schmitz bei Familie Meyer ebenso wie Niedersachsens Ministerpräsident Weil, der auch ein persönliches Wort an die Familie Meyer richtete. Er wisse, wie schwer die Zeiten für sie seien: »Sie blicken auf ein Lebenswerk zurück, das herausragend ist und deswegen wollen wir, dass Sie an Bord bleiben.« Ob es Rückkaufoptionen für die Familie gibt, bleibt offen.
Neubauaufträge über 11 Milliarden Euro stehen in den Auftragsbüchern. Weil hat, wie er berichtete, in den vergangenen Wochen viel mit Reedern gesprochen, die allesamt betonten, die Meyer Werft baue einfach die besten Schiffe. »Wir brauchen Schiffe, die im Budget bleiben und die die höchste Qualität haben«, so Weil. »Lasst uns gemeinsam weitermachen, jeder auf seiner Baustelle.«
Fraglich ist, wie realistisch solche Verlautbarungen sind, sollten Land und Bund ihre Klimastrategie fortführen. So will Norwegen ab 2026 nur noch elektrisch angetriebene Kreuzfahrtschiffe in ihre Fjorde lassen. Woher dort die Energie kommen soll, ist noch offen. Dabei bleibt Schiffsdiesel die günstigste Antriebsform, zumal es mit Marinediesel eine saubere Variante gibt, die in Hafengebieten verfeuert werden darf. Ähnlich wie der Versuchs-LNG-Antrieb verteuert die Ideologie die Kreuzfahrtschiffe enorm. Fraglich, ob die Meyer Werft bei Reedereien deutlich höhere Preise durchsetzen kann.
Denn daran könnte doch noch die Zukunft der Meyer Werft hängen. Der Vorwurf, Meyer hätte keine Klauseln in den Verträgen, die zum Beispiel höhere Energie- und Stahlpreise berücksichtigen würden, lässt sich in den Büros der Gewerkschaftsfunktionäre so einfach formulieren. Aber ob man das mit den Reedereien auch so vereinbaren kann, steht in den Sternen. Möglicherweise fürchteten sich die SPD-Politiker Scholz und Weil vor Nachfragen, den Industriestandort Deutschland betreffend.
Denn der Fehler liegt eher nicht bei solchen Unternehmen wie der Meyer Werft, sondern am Standort. Nach Dänemark hat Deutschland die höchsten Energiekosten, die auf alle Bestandteile der Produktion durchschlagen. Inflationsbedingte Lohnerhöhungen, ausufernde Sozialkosten und horrende bürokratische Auflagen machen eine wirtschaftliche Produktion fast unmöglich. Von Unsinn wie dem Lieferkettengesetz zu schweigen.
Dazu kommt noch die von SPD-Minister Olaf Lies mit durchgegrünter Leidenschaft durchgesetzten Kraftwerksstilllegungen in Niedersachsen. Die nehmen energiehungrigen Betrieben wie einer Werft die Grundlage. Doch ausgerechnet Lies wurde in Papenburg überschwänglich als Retter der Werft gefeiert. Verkehrte Welt.
Nichts wurde dazu gesagt, was der Staat tun will, um die hohen Energie- und Stahlpreise und vor allem Arbeitskosten wieder zu senken. Zu Brüssel hieß es: Es würden noch Gespräche geführt. Doch schon häufig haben sich Robert Habeck und Scholz ziemlich vertan, wenn es um verbotene Beihilfen geht.
Jegliche Staatsintervention, die nicht marktkonform ist, ist eine Subvention. Dazu zählen Bargeld, Kapitalerhöhungen, Verzicht auf Steuern, Exportgarantien, Bankbürgschaften. Einsteigen in die Firma darf der Staat schon, aber nur wenn er sich marktkonform verhält. Wenn also der Staat bessere Konditionen bietet als Private, sind das auch wieder Beihilfen.
Solche Beihilfen müssen von Brüssel genehmigt werden. Da gibt es Schmerzgrenzen, dürfen sie doch den inneren EU-Wettbewerb nicht in einer Weise verzerren, die dem Gemeinschaftsinteresse widerspricht. Daher müssen, wenn überhaupt, Steuergeldspritzen beschränkt und an einen Restrukturierungsplan gekoppelt sein, damit die Beihilfe, sofern genehmigungsfähig, überhaupt nachhaltig wirkt.
Nur gibt es bei den vornehmlich durch die Ampel verursachten Kostensteigerungen in Deutschland keine Nachhaltigkeit der Maßnahmen. De facto dient das Geld dann zur Finanzierung der Disney-Schiffe und mutiert zur Betriebsbeihilfe, die wiederum streng verboten ist.
Bei solchen Fällen wie Meyer muss die EU-Kommission ein sogenanntes Beihilfeverfahren eröffnen. Hier dürfen sich auch Mitgliedstaaten und betroffene Konkurrenten äußern. Kreuzfahrtschiffe werden noch durch die italienische Fincantieri und die französische Chantiers de l’Atlantique hergestellt. Jede Hilfe für die Meyer Werft ist nachteilig für Fincantieri und Chantiers de l’Atlantique, entsprechend werden sich Italien und Frankreich äußern. Zumal sich Deutschland zur geplanten Übernahme der Chantiers durch Fincantieri 2019 im Verfahren geäußert hatte – wohl zugunsten der Meyer Werft.
EU-Kenner glauben, dass das von der Ampel geplante Paket in Brüssel so nicht durchzubekommen ist. Zumal Deutschland häufig genug andere EU-Länder vor den Kopf gestoßen hat. So sind die auch von den massiven Hilfen für Chipansiedlungen von Intel und TSMC in Dresden und Magdeburg genervt. Es wird nicht ohne Abstriche gehen, das könnte wiederum die Pleite der Meyer Werft hervorrufen.
Für Scholz & Friends scheint es jetzt nur um eines zu gehen: Paket anbieten, sich über die Landtagswahlen retten und dann Brüssel beschuldigen, das so zu dem Paket nicht ja sagen kann.