Tichys Einblick
MDR Wahlarena

TV-Runde vor der Landtagswahl spiegelt die sächsische Realität

Am Ende stand Sachsen eher als demokratischer Musterstaat mit vorbildlicher Diskussionskultur dar. Die schärfste Auseinandersetzung lieferten sich an diesem Abend noch die Spitzenkandidatinnen der Linken und des BSW, die ihren Trennungsschmerz offenbar noch nicht ganz verarbeitet hatten.

picture alliance/dpa | Sebastian Kahnert

Folgt man der medialen Berichterstattung über Ostdeutschland, bekommt man oft den Eindruck, es mit einer Failed-State-Region zu tun zu haben: Die hohen Umfragewerte und Wahlergebnisse für die AfD werden dann als Absage an Demokratie umgedeutet, von Rechtsextremismus und Reichsbürgern geredet.

Ein anderes Bild bot sich am Montagabend den Zuschauern der Wahlarena, die der MDR vor den Landtagswahl in Sachsen ausstrahlte. Geladen waren die Spitzenkandidaten von CDU, AfD, Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), Grünen, SPD, Linken und der FDP. Sie debattierten 90 Minuten miteinander, ganz ohne Schreiduelle und ohne sich plump anzupampen.

Am Ende stand Sachsen eher als demokratischer Musterstaat mit vorbildlicher Diskussionskultur dar. Die schärfste Auseinandersetzung lieferten sich an diesem Abend noch die Spitzenkandidatinnen der Linken und des BSW, die ihren Trennungsschmerz offenbar noch nicht ganz verarbeitet hatten.

AfD-Spitzenkandidat Jörg Urban, der einst Geschäftsführer der Grünen Liga war, seit 2014 im Landtag sitzt und derzeit in Umfragen bei um die 30 Prozent rangiert, machte den Eindruck eines völlig normalen und akzeptierten Mitdiskutanten. Das hatte zwei Gründe. Erstens Urban selbst: Er trat staatsmännisch auf. Anders als sein Kollege Björn Höcke in der thüringischen TV-Runde einige Tage zuvor, verfiel er nicht in langatmige Monologe, die nicht auf die Frage eingingen, sondern irgendwo über der Thematik schwebten.

Urban redete sachlich, äußerte sich etwa auch positiv über Fachkräfte aus Tschechien und Polen. Als eine Frau die Runde fragte, was sie gegen die Abschiebung gut integrierter Fachkräfte tun wollten, erklärte Urban, es sei „absurd“, dass in Arbeit integrierte Menschen abgeschoben würden: „Menschen, die hier arbeiten wollen, und die auch schon einen Betrieb haben, wo sie arbeiten wollen, auf die können wir uns konzentrieren, dass wir sagen: Denen bieten wir eine Perspektive in unserem Land.“

Urbans Stellung in der Runde dürfte zum zweiten aber auch mit der sächsischen Realität zu tun haben: In den aktuellen Umfragen geben über 60 Prozent der Wahlentschlossenen an, für CDU oder AfD stimmen zu wollen. Es ist eine starke konservative Mehrheit, angesichts derer es wenig nutzt, die AfD unsachlich anzugehen.

Die sächsische Realität zeigte sich auch in der öffentlich-rechtlichen TV-Runde: Gleich der erste Fragesteller aus dem Kreis Sächsische Schweiz/Osterzgebirge entpuppte sich als AfD-Mitglied. In einer westdeutschen TV-Runde wäre es wohl eher ein Grünen-Mitglied gewesen. Der zweite Fragesteller wiederum ließ die Runde wissen, dass die eingeführte Bezahlkarte für Flüchtlinge „noch nicht scharf genug“ sei. Später trat eine junge Frau auf, die fragte, was man tun könne, „damit Jugendliche weiterhin heimattreu bleiben“.

So wurde innerhalb der 90 Minuten sehr deutlich, wie sehr dieser Landtagswahlkampf, wie sehr seine Themen auf die AfD zulaufen: Als Schwerpunkte, die die Bürger interessieren, hatten die Moderatoren gleich zu Beginn Migration, Bildung sowie das Stadt-Land-Verhältnis benannt.

Auch Amtsinhaber Michael Kretschmer machte eine gute Figur. Selbst in Görlitz geboren, gelingt es ihm seit Jahren immer wieder, sich als Versteher der sächsischen Seele zu präsentieren. Nur so ist zu erklären, dass die Christdemokraten am Ende doch die AfD hinter sich lassen könnten.

Im TV-Duell wirkte Kretschmer angemessen engagiert, nicht aber cholerisch wie sein Thüringer Amtskollege Bodo Ramelow. Er prangerte zum Beispiel den „unhaltbaren Zustand“ an, „dass Menschen, die hier Schutz suchen, zurück in diese Heimatländer fahren und dann Urlaub machen: Ich meine, wo kommen wir denn hier hin?“ Oder er wetterte gegen „diese Koalition da in Berlin“.

Auf den Hinweis, dass die Bezahlkarte in einzelnen Fällen von Gerichten für rechtswidrig erklärt wurde, reagierte er mit der Forderung, dann müsse man sich eben die Rechtsgrundlage schaffen. Ganz ähnlich hatte es zuvor auch AfD-Mann Jörg Urban formuliert. Es ist einer der Momente, in denen man sich fragt, warum die beiden es eigentlich nicht einmal miteinander versuchen.

In der Schlussrunde präsentierte sich Kretschmer dann ganz als Landesvater: Anders als die Mitdiskutanten schaute er direkt in die Kamera und appellierte an die Bürger mit Verweis auf den „sächsischen Weg“: „Wir Sachsen können so viel erreichen, wenn wir zusammenhalten und uns gegenseitig vertrauen!“

Kretschmers größtes Problem hatte indes zuvor Urban geschickt angesprochen: „Unser Land hat sich in den letzten Jahren in vielen Bereichen zum Schlechteren entwickelt. In diesen Jahren waren Parteien in Regierungsverantwortung, die dafür verantwortlich sind. Und deshalb möchte ich an alle sächsischen Bürger appellieren: Wenn Sie eine Veränderung haben wollen, dann müssen Sie auch eine neue Partei wählen!“ Die Unzufriedenheit vor allem über die Bundes-CDU der vergangenen Jahre ist das stärkste Pfund der AfD.

Wie Statisten, über die die Zeit hinweggegangen ist, wirkten in der Runde derweil die Spitzenkandidaten der anderen Parteien: Bei der FDP stellte sich schon die Frage, warum sie überhaupt eingeladen wurde. Die Liberalen sind nicht im aktuellen Landtag vertreten und werden es ganz sicher auch nicht in den nächsten schaffen.

SPD-Frau Petra Köpping, aktuell Sozialministerin, präsentierte sich wiederum als erfolgreiche und sympathisch sächselnde Regierungspartnerin Kretschmers; ihr hängt aber die eigene Partei wie ein Klotz am Bein. Die grüne Kandidatin Katja Meier, derzeit Justizministerin, versuchte es noch einmal mit einem hilflosen Appell an den „Kampf gegen rechts“. Und Susanne Schaper, Vertreterin der Linken, bemühte sich, dem abgespaltenen Bündnis Sahra Wagenknecht die Glaubwürdigkeit in der Friedenspolitik zu nehmen.

Das BSW selbst lieferte in Form seiner Spitzenkandidatin Sabine Zimmermann, einer langjährigen Bundestagsabgeordneten, ebenfalls ein schwaches Bild ab. Zimmermann verirrte sich mehrmals rhetorisch, verhaute auch ihr Schlussstatement. Am guten Wahlergebnis für das BSW wird das allerdings wohl wenig ändern.


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