Tichys Einblick
Ende des Sommerurlaubs

Willkommen zurück, Olaf Scholz – die Krisen sind Ihnen treu geblieben

Kanzler Olaf Scholz hat seinen Sommerurlaub beendet. Die diversen Krisen haben ihn währenddessen nicht verlassen. Der Haushalt ist davon die aktuellste – am Ende aber nicht einmal die größte.

IMAGO / Nordphoto

Ein Wochenende wie seine Kanzlerschaft: Einmal regiert Olaf Scholz gnadenlos durch, da kann er sich dessen noch nicht einmal rühmen. Immer deutlicher war es für die Öffentlichkeit geworden, dass die Spur zu den Saboteuren der Pipeline Nordstream zu den Verbündeten in der Ukraine führt. Am Freitag hat TE den selbst ernannten Jäger Marco Buschmann (Justizminister) aufgefordert, in Sachen Nord Stream Politik zu machen. Am Wochenende hat sein FDP-Parteifreund, Finanzminister Christian Lindner, gehandelt und über die FAZ gespielt, dass die deutschen Gelder an die Ukraine gedeckelt werden sollen. Zu dem, was schon beschlossen ist, soll kein zusätzliches Geld mehr nach Kiew fließen. Eine angemessene Reaktion gegenüber einem Verbündeten, der einem die Infrastruktur zersprengt.

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Noch ist unklar, ob Olaf Scholz diesen Vorstoß abgesegnet hat oder weiterhin unterstützt. Vielleicht pfeift er ihn auch noch zurück. Jedenfalls kann der Kanzler diesen richtigen Schritt nicht nutzen, um selbstbewusst vor die Mikrofone zu treten und zu verkünden: Wir lassen uns nicht auf der Nase rumtanzen. Wenn jemand unsere Infrastruktur angreift – und sei er ein Verbündeter im Verteidigungskrieg –, dann bekommt er das zu spüren. Zu viele diplomatische Rücksichten muss Scholz nehmen, um diesen Erfolg für sich und seine Regierung auch als solchen verbuchen zu können.

Die deutschen Medien haben auf die Lindner-FAZ-Ankündigung so tralala reagiert, wie es für sie üblich ist: Mit der Sprengung der Pipeline hat sie kaum ein Journalist in Verbindung gebracht. Stattdessen sehen die Hauptstadtjournalisten darin lediglich einen Schritt, die diversen Lücken aufzufüllen, die der Entwurf für den Haushalt noch aufweist, den Lindner am Freitag offiziell ins Parlament eingebracht hat.

Um Minimum zwölf Milliarden Euro müssen Scholz und Lindner das Zahlenwerk verbessern. Eher um noch mehr. Das jetzige Zahlenwerk beruht auf einem vermuteten Wachstum und auf dem ebenso vermuteten Rückkgang der Empfänger von Bürgergeld. Wo beides herkommen soll, ist noch unklar. Angesichts zu hoher Steuern, Abgaben, Kosten für Energie sowie einer ins Absurde ausufernden Bürokratie wandern immer mehr Unternehmen ab, streichen Stellen, kündigen der Belegschaft. Geht das so weiter, ist ein Haushalt, der nicht aufgeht, noch das geringere Problem des Kanzlers.

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Ähnliches gilt für die Migration. Während ihre Zahl steigt, steigt auch die Zahl schwerer körperlicher Verbrechen – ebenso wie die Zahl erwerbsfähiger Empfänger von Bürgergeld. Die Ampel begründet die verstärkte Einwanderung mit dem vermeintlichen Bedarf an Arbeitskräften. Doch die Arbeitslosigkeit beträgt schon 2,8 Millionen Betroffene. Dazu kommen über vier Millionen erwerbsfähige Empfänger von Bürgergeld. Beide Zahlen sind zuletzt gestiegen. Jeder weitere Anstieg führt die Argumentation ins Absurde, Deutschland brauche Einwanderung, um einen Arbeitskräftemangel zu beheben.

Gerne schiebt die Ampel Deutschlands Probleme auf die 16 Jahre Kanzlerschaft von Angela Merkel (CDU) zurück. Oft ist das gar nicht einmal so verkehrt. Doch das Bürgergeld ist das ureigene Problem der Ampel. Olaf Scholz hat gehofft, dass es zu seinem Vorzeigeprojekt und er dadurch zum sozialdemokratischen Kanzler wird, der Hartz IV üebrwindet. Nun ist es tatsächlich sein Vorzeigeprojekt geworden. Aber halt nicht zum Guten. Mit dem Bürgergeld hat Scholz Deutschlands Arbeitsmarktpolitik in den Reformstau der späten Kohl-Ära zurückgeführt.

An das Bürgergeld muss Scholz wieder ran. Dessen Idee war, wenn Langzeitarbeitslose nicht mehr zum Arbeiten gezwungen werden, haben sie die nötige Ruhe und den nötigen Stolz, um sich die Arbeit zu suchen, die zu ihnen passt. Keine zwei Jahre später lautet die Erkenntnis: Es gibt halt doch Hunderttausende, die nicht arbeiten wollen, wenn man ihnen fürs Daheimbleiben fast so viel oder sogar mehr zahlt als fürs Arbeiten. Die Ampel wird jetzt argumentieren, dass es richtig war, die Repressalien zu streichen, und sie wiedereinzuführen sei nur eine weitere Optimierung. Politiche PR-Berater halten so etwas für Krisenkommunikation – Wähler lediglich für eine leicht zu durchschauende Ausrede.

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Scholz‘ Krisen kommen nicht zufällig zustande. Er ist eingengt. In der Koalition hat er in den Grünen einen starken Partner, mit dem er gemeinsam auf Wachstum der Wirtschaft angewiesen wäre – doch dessen Ideologie ist der „Degrowth“, das systematische Schrumpfen der Wirtschaft im Sinne eines vermeintlichen Klimaschutzes. Aber auch außenpolitisch stößt Scholz an Grenzen. Durch einen Verbündeten USA, der nicht mehr von Donald Trump regiert wird – der aber dessen Forderung gnadenlos umsetzt: Deutschlands Wirtschaftsstärke zu brechen, um an seiner Stelle wachsen zu können. Und durch einen Verbündeten Ukraine, dem zurecht im Angriffskrieg Russlands geholfen wird. Der sich aber mutmaßlich damit bedankt hat, die Infrastruktur des zweitgrößten Geldgebers zu sprengen.

Olaf Scholz hat bisher wenig gezeigt, das einen großen Kanzler in ihm vermuten lässt. Sein Gedächtnisverlust in der Cum-Ex-Affäre war eines Regierungschefs nicht würdig. Seine „Entlastungspakete“ und sein „Doppelwumms“ haben sinnlos Geld verbrannt, ohne auch nur einen kurzfristigen Effekt auf die deutsche Wirtschaft zu haben. Seine Innenministerin hat wissentlich und öffentlich Recht gebrochen und vor diesem Wochenende erklärt, damit weitermachen zu wollen. Sein Gesundheitsminister bekommt nicht mehr hin, als den Anstieg der Beiträge für Pflege- und Krankenversicherung ansteigen zu lassen. Und seine Bauministerin sollte künftig mehr bauen lassen, doch seit sie in Verantwortung ist, werden es immer weniger.

Das sind nur die Tiefpunkte der Versagensbilanz von Olaf Scholz. Sie ließe sich noch um einiges erweitern oder ausführlicher schildern. Doch einfach hat es der Kanzler nun auch nicht: Er ist auf einen Koalitionspartner angewiesen, der dem Land schadet. Er muss gegen einen Oppositionsführer ankämpfen, der sich nichts sehnlicher wünscht, als selbst mit diesem schädlichen Koalitionspartner regieren zu können. Und im Nato-Bündnis ist Deutschland zu stark, um seine Verantwortung für die Ukraine zu verneinen – und zu schwach, um sich nicht auf der Nase rumtanzen zu lassen. Macht Scholz das klar, kann er es öffentlich nicht mal klipp und klar sagen. Zu beneiden ist er da als Kanzler nun wirklich nicht. Ein paar Wochen Sommerurlaub haben es da nicht besser gemacht.

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