In Berlin mit seinen 3,8 Millionen Einwohnern fehlen geschätzt rund 200.000 Wohnungen, also Wohnungen für mindestens 400.000 bis 800.000 Menschen. Nun schlägt der Berliner CDU-Politiker Christian Gräff vor, die Mieten kommunaler Wohnungsgesellschaften an das Einkommen der Bewohner zu koppeln. Gräff ist Sprecher für Bauen und Stadtentwicklung der (zusammen mit der SPD regierenden) CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Gräff konkret: Die landeseigenen Gesellschaften müssten die Möglichkeit haben, die Mieten bei denjenigen Bewohnern anzupassen, die sich das wirtschaftlich leisten könnten. Dies sei nach seiner Einschätzung gerechter und könne dazu beitragen, die wirtschaftliche Situation der Wohnungsgesellschaften etwa für Neubauten zu verbessern. Das von der amtierenden Schwarz-Rot-Koalition vom rot-grün-roten Vorgängersenat übernommene Bauziel von 20.000 neuen Wohnungen pro Jahr sei sonst gefährdet.
Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) erwartet bei seinen Mitgliedsunternehmen im laufenden Jahr jedenfalls nur den Baubeginn von 3.951 Wohnungen. Für 2024 sollen es laut BBU 4.486 fertiggestellte Wohnungen sein. Das ist ein Drittel weniger als 2023 und der niedrigste Stand seit 2018. Denn die Investitionen sanken im vergangenen Jahr real um 18 Prozent (minus 252 Millionen Euro). Mit der Summe, die man 2019 für den Bau von 100 Wohnungen benötigte, kann man derzeit nur noch 71 Wohnungen hochziehen.
Naja, Planwirtschaft war noch nie erfolgreich, und marktwidrige sozialistische Gerechtigkeitsvorstellungen waren es noch weniger. Aber die Berliner CDU ist ja in manchen Bereichen eine Partei, die offenbar Erich Honeckers Spruch vom 14. August 1989, also wenige Wochen vor dem Ende der DDR, beweisen möchte: „Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf.“
Berlins falsche Prioritäten
Bleiben wir bei den Finanzen: Berlin hatte am 31. März 2024 insgesamt 67,153 Milliarden Euro „öffentliche“ Schulden. Ende 2023 waren es „noch“ 62,591 Milliarden. Das ist binnen eines Quartals ein Schuldenzuwachs von 6,8 Prozent. Mit Stand 31. März 2024 betrug die Berliner-Pro-Kopf-Verschuldung 17.809 Euro. Das ist ein bundesweiter Spitzenwert, der nur von Bremen (33.516), dort aber massiv, übertroffen wird.
Dabei muss man berücksichtigen, dass Berlin der größte Empfänger beim Länderfinanzausgleich ist. Hier sind jährlich gut 18 Milliarden im Umlauf. Berlin schöpft hier mit 3,8 Mrd. den größten Brocken ab; Bayern zahlt 9,1 Mrd. ein.
Berlin muss sich jedenfalls fragen, ob es in Sachen Wohnungen nicht falsche Prioritäten hat. Beispiele:
- Berlin unterhält 117 Standorte mit Unterkünften des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten Berlin (LAF). (Stand Januar 2024).
- Insgesamt werden 2024 rund 2.300 Plätze in fünf MUF-Neubauten und Wohnungen bezugsfertig (MUF = Modulare Unterkünfte für Flüchtlinge): MUF Quedlinburger Straße in Charlottenburg-Wilmersdorf) mit 570 Plätzen, Bezug ab April. MUF Askanierring in Spandau mit 566 Plätzen, Bezug ab Juli. MUF Kirchstraße in Pankow mit 320 Plätzen, Bezug ab Juli. MUF Rudower Straße in Neukölln mit 320 Plätzen, Bezug ab September. 1. Bauabschnitt Buckower Felder in Neukölln, 105 Plätze in Wohnungen ab September. MUF Bohnsdorfer Weg in Treptow-Köpenick mit 300 Plätzen, Bezug ab Jahresende.
- Sieben Wohnhäuser mit 61 Ein- bis Fünf-Zimmerwohnungen für Flüchtlinge entstehen in der Kirchstraße (Pankow). Mit weiteren 400 Plätzen soll noch dieses Jahr in der Kavalierstraße begonnen werden.
- Ende September 2024 schließt das „City Hotel Berlin East“ an der Landsberger Allee. Es war im Juni 2024 vom Senat angemietet worden, um in Kürze dort 1.200 Geflüchtete in 473 Zimmern unterzubringen. Die Kosten für die kommenden zehn Jahre werden auf 143 Mio. Euro taxiert.
Und dann noch ein Berliner Spezialprojekt der besonders „woken“ Qualität: Seit Mai 2023 entstehen in der Nähe des Berliner Alexanderplatzes 72 Mietwohnungen samt Kulturzentrum und Kiez-Café für lesbische Frauen.
Wie sagte einst ein „Regierender Bürgermeister“ namens Klaus Wowereit (SPD)? Er war „Regierender“ von 2001 bis 2014. Vor gut zwanzig Jahren, im November 2003, ist er in den Kalauerschatz mit dem Spruch eingegangen: „Berlin ist arm, aber sexy.“ 15 Jahre später, im Mai 2018, wollte er diesen Spruch noch einmal verewigen bzw. beweisen, dass unter seiner Ägide alles besser geworden sei. Der Titel des Buches: „Sexy, aber nicht mehr so arm: mein Berlin.“
Nun, sexy ist Berlin vielleicht für eine bestimmte Klientel junger Leute, für die Berlin einfach „hip“ und „woke“ ist. Arm ist Berlin aber nach wie vor, und – wenn man sich die Ergebnisse der Schüler in Berlin bei Leistungstests anschaut – auch noch ziemlich doof. Das scheint aber nicht nur für den Bildungssektor zu gelten. Will CDU-Mann Gräff davon ablenken?