In Wahlkampfzeiten wird jeden Tag irgendetwas gefordert, das täglich neue Forderungen wieder vergessen machen, was insofern konsequent ist, weil Forderungen zum Fordern da sind und nicht zum ernsthaften Bemühen um Verwirklichung der Forderungen führt. Das momentane Geräusch in den Medien verbunden mit einem Politikernamen ist der Zweck der Übung. Weiß doch jeder Kundige, wessen Name oft genug in den Medien erscheint, wird beachtet. Warum spielt keine Rolle. Präsenz ist Trumpf. Die neueste und besonders harmlose Forderung ist die aus der FDP zur Abschaffung des Entwicklungshilfe-Ministeriums, für das seit Jahrzehnten das Kürzel BMZ steht. Dass diese Forderung aus der FDP kommt, hat einen besonderen Charme, weil dieses Ministerium ohne FDP vielleicht nie entstanden wäre oder sehr viel später.
Das sofortige Echo auf Forderungen gehört zum Wettbewerb um die Präsenzquote in den Medien. Dass alle die Forderung aus der FDP zurückwiesen, wussten die Fordernden nicht nur, sondern auf dieses schallverstärkenden Echo, das den Forderern mehr Präsenz verschafft als den Ablehnenden, setzen die Forderer ja.
Wolfgang Herles hat hier auf TE begründet, warum der Wegfall des BMZ wie auch der anderer Ministerien eine nützliche Sache hin zu weniger Staat wäre.
Im besonderen Fordererfall BMZ muss jemand, der viel zu lange und daher viel zu viele FDP-Politiker näher erlebt hat, daran erinnern, dass der erste BMZ-Minister Walter Scheel war. Dass dieses Ministerium erfunden wurde, um damit bei den Koalitionsverhandlungen mit Adenauer 1961 die FDP abzufinden für ihr starkes Abschneiden bei der Bundestagswahl mit 12.8 Prozent. Gegenüber 1957 hatte die FDP 5,1 Prozentpunkte gewonnen mit dem Slogan: Mit der CDU, aber ohne Adenauer. Kanzler wurde 1961 doch wieder Adenauer, der erst 1963 Ludwig Erhard Platz machte. Das Wort von der Umfaller-Partei war geboren, die FDP wurde es nie mehr los.
Aber Walter Scheel, der ins Bundeskabinett einzog gegen den Willen des FDP-Vorsitzenden Erich Mende, weil Scheel schon damals wirkungsvoll Strippen zog, war seinem eigentlichen Ziel Außenminister einen Schritt näher gekommen.
Ins Jahr 1961 der Errichtung des „Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit“ datiert Historikerin Bettina Fettich-Biernath von der Universität Erlangen-Nürnberg in ihrer Arbeit zur Geschichte der zivilen und militärischen Entwicklungshilfe der Bundesrepublik in Afrika von 1956 bis 1974 einen Satz von Rolf Lahr, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, in einem privaten Brief, der Neue (Scheel) lasse es „nicht an Findigkeit fehlen, wie auch immer in die Außenpolitik einzudringen“.
Was er denn 1969 vollendete, wie ich aus der Nähe erleben konnte, und was ich in einem Nachruf auf Walter Scheel festhielt.
Hätte Helmut Kohl 1969 in der Union Walter Scheel als Außenminister durchgesetzt, wäre er damals Bundeskanzler geworden in einer Koalition der Union mit der FDP und zur „sozialliberalen“ Koalition wäre es wahrscheinlich nie gekommen. Aber das ist heute nur noch eine Reminiszenz.