Tichys Einblick
Zu erwartende Auswirkungen

Woke oder woker – Die EU-Eliten nach den US-Wahlen

Große Teile der europäischen Rechten – ob russophil oder pro-atlantisch scheint keine große Rolle zu spielen – hoffen auf einen Wahlsieg Trumps: Gingen die USA an die Reps, wären auch auf dem Alten Kontinent die Tage der Woken gezählt. Könnte nicht auch das Gegenteil eintreten und zu einer Radikalisierung führen – zumindest kurzfristig?

picture alliance / SULUPRESS.DE | Marc Vorwerk

In den folgenden Zeilen soll es nicht so sehr darum gehen, dass ein Wahlsieg Donald Trumps de facto wohl nur recht begrenzte Auswirkungen auf die innere Verfasstheit der USA selbst haben wird: Auch vor acht Jahren hat sich gezeigt, dass der Einfluss des „mächtigsten Mannes der Welt“ angesichts der geballten Kraft der Medien, Hollywoods, der Gewaltenteilung, der amerikanischen Staatsraison und nicht zuletzt der inneren Opposition nicht allzu hoch veranschlagt werden sollte.

Freilich, Donald Trump, einmal an der Macht, dürfte sicherlich einen hinhaltenden, gewissermaßen katechontischen Einfluss auf die selbstzerstörerischen Kräfte unserer Zeit ausüben; ein echtes kulturpolitisches „Roll-back“, wie man es ja auch vergeblich in Polen und selbst Ungarn erhofft hat, dürfte aber selbst in den USA kaum zu erwarten sein. Nun sei nicht verschwiegen, dass viele auf beiden Seiten des Atlantiks vom nahenden Bürgerkrieg, vom Staatsstreich, ja gar von der Diktatur raunen – manche mit Furcht, andere, horribile dictu, mit Hoffnung –, und gerade der Autor dieser Zeilen, der oft genug die Krise der Gegenwart mit den letzten Jahren der römischen Republik verglichen hat, wäre der letzte, der eine solche Eventualität als völlig unrealistisch abstempeln würde.

Ob der alternde und letztlich stark in der geistigen Welt der 1980er verankerte Donald Trump trotz aller offenen Rechnungen allerdings das Profil zu einer solchen radikalen Flucht nach vorne hätte, darf trotz der Theorien vom „Project 2025“ zumindest vorläufig doch eher bezweifelt werden, sollte die amerikanische Linke ihn nicht (un)vorsichtigerweise selbst in diese Richtung zwingen.

Doch wie gesagt, soll es hier eigentlich gar nicht so sehr um die USA gehen als vielmehr um die zu erwartenden Reaktionen des EU-Establishments. Und hier scheinen wir eigentlich nur die Wahl zwischen „woke“ und „woker“ zu haben, egal wie die Wahlen ausgehen – jedenfalls in der kurzfristigen Perspektive der nächsten paar Jahre.

Gelangt Kamala Harris, die „Lichtbringerin“ des woken Establishments und besonderer Liebling der öffentlich-rechtlichen Medien der Bundesrepublik, an die Macht, ist von einer exponentiellen Verschärfung des „Kampfs gegen Rechts“ auf beiden Seiten des Atlantiks zu rechnen. Medienzensur, Meinungskontrolle, Schauprozesse, Bargeldabschaffung, Massenmigration, Transhumanismus, LGBTQ- und Gender-Ideologie, Wahlmanipulation, Abtreibung und Euthanasie, Klimahysterie – all das wird dann nicht etwa abschwellen, sondern vielmehr einen neuen Höhepunkt erleben, um die von immer weiteren Kreisen der Bevölkerung infrage gestellte Macht der immer radikaleren Woken zu festigen, und zwar nicht mehr nur durch Propaganda, sondern Repressalien.

Doch sollte Donald Trump gewählt werden, steht zu erwarten, dass wir in Europa ebenfalls genau jenes Programm erleben werden, und zwar nicht nur aufgrund des Selbsterhaltungstriebs der gegenwärtigen Eliten, für die Donald Trump ein „memento mori“ darstellt, da er zeigt, was aus der eigenen „populistischen“ Opposition eines Tages erwachsen könnte, sondern auch der amerikanischen, die sich auf dieser Seite des Atlantiks eine feste Bastion für ihr Comeback errichten werden wollen – frei nach Obama, der damals nach dem Machtantritt Donald Trumps von allen denkbaren absurden Kandidaten gerade Angela Merkel zur neuen „Führerin der freien Welt“ verklärte. Und je extremer die Verhältnisse in den USA mit ihren bekannten „mostly peaceful“ Demonstrationen werden, desto radikaler dürfte die Repression in Europa ausfallen – vorläufig.

Denn ich schrieb einige Zeilen höher ganz bewusst von einer „kurzfristigen“ Perspektive, da es klar ist, dass beide Eventualitäten mittelfristig unvermeidlich eine gewisse ideologische Akzeleration unserer vielfältigen Identitätskrisen befördern werden. Dass die USA ebenso wie die EU sich welt-, wirtschafts-, kultur- und bevölkerungspolitisch im Abstieg befinden und es jeden Tag etwas mehr im Gebälk kracht, kann kaum noch übersehen werden; und wenn man auch die Selbstheilungskräfte des gegenwärtigen „Systems“ und vor allem seine Bereitschaft zu Repression und Gewalt nicht unterschätzen darf, fällt die Weltlage doch kaum zu seinen Gunsten aus.

Sicherlich, der Versuch, die selbst verursachten Strukturkrisen nachträglich den (in der Tat immer offensichtlicher um einen Platz an der Sonne strebenden) Russen oder Chinesen in die Schuhe zu schieben, um ebenso den inneren Burgfrieden wie die Ausgrenzung politischer Querdenker zu befördern, wird fraglos immer größere Verbreitung finden. Solange aber kein unmittelbarer Angriff auf westliche Kerngebiete erfolgt, ist sehr fraglich, ob viele Europäer tatsächlich für die Freiheit der Krim oder Taiwans in den Krieg ziehen wollen, wenn die „westlichen Werte“, die es dabei zu verteidigen gilt, in etwa der genauen Negation all dessen entsprechen, was in den letzten paar Jahrtausenden seit der Antike die Größe unseres Kontinents ausgemacht hat.

Eine woke Diktatur wird also vor allem mit wirtschaftlichem Niedergang, ethnischer Fragmentierung, allgemeiner Unzufriedenheit und weltpolitischer Konkurrenz zu rechnen haben und, lässt man sich auf solche Vergleiche ein, eher der späten als der frühen Sowjetunion ähneln. Man wird daher mittelfristig wohl eher das „französische“ Modell zu erwarten haben: eine Verschärfung der Kontrolle einer unpopulären, sich von Jahr zu Jahr durchwurschtelnden woken Regierung über einige wenige zentrale Sektoren des staatlichen und wirtschaftlichen Überlebens, verbunden mit einem allmählichen Entgleiten der „Peripherie“, die sich zunehmend zum unkontrollierbaren „Failed State“ und langfristig eben auch zum Katalysator des Umbruchs entwickeln könnte – in welche Richtung auch immer dieser erfolgen wird.

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