Der sehr erfahrene Wissenschaftsjournalist Axel Bojanowski (wir sind aus einem Jahrgangssegment) hat ein weiteres Klima-Buch auf den Markt geworfen, das ich dem geneigten Leser, trotz des eher abschreckenden Titels, gerne empfehle: „Was Sie schon immer übers Klima wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten“ verspricht der besagte Buchtitel ziemlich vollmundig und variiert damit den berühmten Woody-Allen-Filmtitel, bei dem es aber um ein wirklich saftiges Thema ging, das sowohl in der Vergangenheit als auch sicherlich im Iran tabuisiert wurde, bzw. wird.
Aber CO2-Klimamodellierungen? Warum sollte man (oder frau) hier die agierenden Wissenschaftler nicht fragen dürfen, wie lange CO2 tatsächlich in der Atmosphäre verbleibt? Oder welcher CO2-Wert jetzt für die Jahre 2050, 2075 und 2100 belastbar vorhergesagt wird? Und mit welcher Sicherheit dies dann gemäß welchem Modell zu genau welchem Temperaturanstieg führen wird? Und inwiefern dies tatsächlich zu einem Anstieg des Meeresspiegels, sei es in der Südsee oder der Nordsee führt?
Alle diese Fragen sind rein technischer Natur und wurden einem gelernten Physiker, wie mir, noch nie auf Partys gestellt, da sie weder anrüchig, noch sexy sind. Axel Bojanowski präzisiert aber im Untertitel „Der Klimawandel zwischen Lobbygruppen und Wissenschaft“ und gibt damit schon eher einen Hinweis darauf, worum es in seinem Buch tatsächlich geht (auch wenn ich mich über die Reihenfolge wundere).
Denn Bojanowski beschreibt sehr plastisch, wie die Weltuntergangsmodellierer zunächst eine kleine, eher obskure Gruppe in der Wissenschaft waren, um dann im Zuge des Wechsels von Eiszeit- auf Heißzeit-Angst zusammen mit dem Club-of-Rome und der anschließenden allgemeinen Fin-de-Siècle-Stimmung in der zweiten Hälfte der 80er Jahre eine Welle aufzubauen, die sogar den Untergang des Kommunismus überlebt hat, um sich in Form einer Dauerschleife aus internationalen Konferenzen und transnationalen Selbstverpflichtungen nun schon seit über 30 Jahren bis in die Gegenwart zu perpetuieren.
Und ich muss sagen, dass beim durchaus informativen Lesen der diversen Klima-Untergangs-Twists and Turns, die übrigens immer und ausschließlich aus „der Wissenschaft“ kamen, sich alle meine Fragen auf genau eine Frage reduziert haben: Könnte es sein, dass sich der ganze Zinnober als fauler Zauber herausstellt?
Es ist jedenfalls auffällig, dass der von Bojanowski dankenswerterweise als Urheber der CO2-Weltgefahrthese identifizierte Guy Callendar auch 50 Jahre nach dem Club-of-Rome, 25 Jahre nach Rio, noch nicht ganz 20 Jahre nach Kyoto und bald 10 Jahre nach Paris fast völlig unbekannt ist. Callendar war übrigens ein Ingenieur, eine Klarstellung, die vermutlich nur ein in Deutschland ausgebildeter Physiker in seiner vollen Tragweite verstehen kann. „Aber der Sohn eines renommierten Physikers“, würden meine Professoren vielleicht ergänzen, die uns immer sagten: „Ihr seid Physiker, keine Ingenieure, euch interessiert das große Ganze, nicht des Bauingenieurdetail.“
Dem informierten Laienpublikum ist der Name Callendar (übrigens in meiner Wahrnehmung ganz ähnlich wie der von Professor Klaus Hasselmann, dem deutschen Physiker, der für „Klima“ einen Nobelpreis erhielt) völlig unbekannt. Genau wie der Name Stephen Schneider (auch ein gelernter Ingenieur) und latent wie der Name von James Hansen, der wiederum interessanterweise Physiker ist, wenn er auch wie Professor Lesch (der Fernsehphysiker) ursprünglich in Astrophysik beheimatet war.
Hansen ist immerhin ein Household Name bei den Lobbyisten aller Couleur in Washington D.C., denn sein voll durchgeplanter Auftritt bei einer Anhörung über die möglichen Gefahren einer menschgemachten globalen Erwärmung an einem superheißen Sommertag in einem schlecht klimatisierten Raum auf dem Capitol Hill wird gemeinhin als Klassiker betrachtet. Als Klassiker der Narrativmanipulation möchte man ergänzen: „Global Warming has begun“ titelte die New York Times dann auch am Folgetag im Juni 1988. Bojanowski nennt es in seiner Kapitelunterschrift „Der Sündenfall“ (überhaupt fand ich die Kapiteltitel und Unterzeilen ganz charmant, schöne Denkanregungen für den jeweiligen Abschnitt).
Bojanowski zeichnet recht interessant die verschiedenen Phasen und Windungen dieser vermeintlichen Großthematik nach: Vor lauter in letzter Minute umgeschriebener Berichte, Verzerrungen, Titelgraphiken, Angstspins, ellenlanger Konferenzen und Bergen von offenbar sehr geduldigem Papier weiß der geneigte Leser aber immer weniger, welche Fragen er eigentlich hatte.
Dafür bekommt man vielen Antworten auf nicht-physikalische Aspekte: Die größten Manipulatoren setzen sich zunächst durch, triggern eine riesige mediale Welle, während die seriöse Wissenschaft halbwegs versucht, sich durchzulavieren. Und die Deutschen immer ganz vorne mit dabei (wobei auch Amerikaner, Australier und Engländer sich hervortun).
Ich bin mir aber nicht sicher, ob Axel Bojanowski einen kompletten Bogen in dem Buch spannt, denn zumindest meine Fragen sind am Ende eigentlich die gleichen, wie am Anfang:
- Wie lange verbleibt das CO2 in der Atmosphäre? Wie genau wirken CO2-Senken Ozean und Vegetation wirklich?
- Wie hoch ist der Anteil der fossilen Verbrennung am beobachteten Anstieg seit Beginn der Messungen (um 1960) tatsächlich?
- Daraus folgend: Wie hoch wird der globale CO2-Wert in den Jahren 2050, 2075 und 2100 sein?
- Mit diesem Input: Welchen Temperaturanstieg projizieren die Modelle und wie glaubwürdig sind sie?
Auf diese Fragen, die aus wissenschaftlich-technischer Sicht nicht wirklich weltbewegend schwierig sind, lassen sich auch nach unzähligen Millionen Euro Forschungsgeldern und Zigtausenden von Wissenschaftlerstunden keine wirklich knackigen Antworten finden. Aber belastbare Antworten auf diese Fragen sollten doch Grundlage seriöser CO2-Politik sein!? Wollten Sie diese Antworten schon immer bekommen, haben aber bisher nicht zu fragen gewagt? Dann sollten wir das schnell ändern:
Und um es mal ganz deutlich auszusprechen: Wenn der Anteil der fossilen Verbrennungen an diesen 30% des CO2-Anstiegs weniger als 50% beträgt, wenn wir im Jahre 2100 einen Maximalwert von 650 ppm hätten (da CO2 doch nur 25-40 Jahre Halbwertverweilzeit in der Atmosphäre hat, wie einige Wissenschaftler vehement vertreten), der gemäß realistischer Modelle vielleicht mit einer Erwärmung von 1 – 3 Grad verbunden sein könnte (immerhin wären die 650 ppm ja eine Verdoppelung des Wertes von 1960), wenn also das der Modellkorridor wäre, dann sollten wir umgehend die Millionen und Milliarden, die wir für den „Klimaschutz“ ausgeben nur in sozial und ökologisch sinnvolle Projekte stecken und zwar unabhängig davon, ob sie zu einer Dekarbonisierung vermeintlich oder real beitragen oder nicht. Und zwar sofort!
Wie der geneigte Leser vielleicht merkt: Durch das Lesen von Axel Bojanowskis Buch stellt sich mir eine Frage immer drängender: Sind wir am Ende einer gigantischen Scharlatanerie aufgesessen? Haben wir uns in eine selbst aufgeheizte Autosuggestions-Angst-Denkkapsel eingesperrt? Dafür liefert er Belege.
Ich würde zumindest eines postulieren: Wir müssen nicht mehr bis ins Jahr 2050 warten um diese Frage ehrlich und vor allem abschließend zu beantworten. Um so wertvoller ist Bojanowskis Buch, weil es jenseits der naturwissenschaftlichen Fragestellungen ein wesentliches Problem adressiert: die gnadenlosen Lobbyinteressen jenseits physikalischer Fakten.
Philipp Lengsfeld (MdB 2013 – 2017) ist aktiv im liberal-konservativen Spektrum, den politischen Kräften jenseits der Ampel, der Union und der AfD. Er war 2016/17 einer von zwei Koordinatoren des Berliner Kreises der CDU/CSU-Fraktion und der Hauptautor des Klima- und Energiepapiers des Berliner Kreises, dass 2017 große Wellen geschlagen hat. Er ist Gründer und ehrenamtlicher Geschäftsführer der gemeinnützigen re:look climate gGmbH, die sich wissenschaftlich mit Fragen von Klima-, Umwelt- und Energie beschäftigt.
Axel Bojanowski, Was Sie schon immer übers Klima Wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten. Der Klimawandel zwischen Lobbygruppen und Wissenschaft. Westend Verlag, Klappenbroschur, 288 Seiten, 25,00 €.