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Hintergründe

Porsche steigt bei Flixbus ein – warum?

Was macht ein Unternehmen der preiswerten Massenmobilität mit durchgehend Verbrenner-Omnibussen für den nach Ferrari weltbekanntesten Sportwagenhersteller, dessen Image vor allem auf leistungsstarken, qualitativ ebenso hochwertigen wie vor allem hochpreisigen Automobilen beruht, so interessant?

picture alliance / Snowfield Photography | D. Kerlekin/Snowfield Photography

Vor wenigen Tagen erschien eine Meldung in den Medien, die zweierlei Reaktionen hervorrief: Der Laie war verwirrt und (mancher) Automobil-Fachmann wunderte sich. Die Meldung vom 13. August bei Automobilwoche.de lautete: „Die Porsche SE investiert einen zweistelligen Millionenbetrag in Flix, bekannt für seine grünen Fernbusse. Das Investment ist Teil einer größeren Strategie.“ Danach beteiligt sich die Porsche SE, Dachgesellschaft der Porsche AG und Hauptaktionär von Volkswagen, sich am Mobilitätsdienstleister Flix, der vor allem für seine grünen Fernbusse bekannt ist. Nach eigenen Angaben investiert die Porsche Holding dabei einen „niedrigen zweistelligen Millionenbetrag“.

Das Engagement erfolgt gemeinsam mit der Beteiligungsgesellschaft EQT. Diese erwirbt im Rahmen der Transaktion mit der Porsche SE, der Kühne Holding und weiteren Co-Investoren einen Anteil von rund 35 Prozent an Flix. Ziel sei es, das Unternehmen auf seinem weiteren Wachstumskurs maßgeblich zu unterstützen. Das dürfte jedoch nur die halbe Wahrheit sein.

Die Frage ist: Was macht ein Unternehmen der preiswerten Massenmobilität mit durchgehend Verbrenner-Omnibussen für den nach Ferrari weltbekanntesten Sportwagenhersteller, dessen Image vor allem auf leistungsstarken, qualitativ ebenso hochwertigen wie vor allem hochpreisigen Automobilen beruht, so interessant?

Zunächst zu Flix. Das Unternehmen Flix ist inzwischen Treiber in einem stetig wachsenden Fernbus- und Zugmarkt. Die grünen Flix-Fernbusse gehören in Europa inzwischen fest zum Straßenbild, ganz Europa lässt sich inzwischen mit schmalem Geldbeutel mühelos mit Flixbussen oder mit FlixTrain bereisen. Nach eigenen Angaben hat das Unternehmen seit dem Start mehr als 400 Millionen Reisende befördert.

Flix ist also eine beeindruckende Wachtums- und Erfolgsstory und gehört in Deutschland zweifellos in die Kategorie der Hidden Champions. – Ein Wunder, dass die Porsche SE nicht früher auf diese Perle aufmerksam wurde, allerdings, Busfahren und dann noch mit Verbrennerantrieb ist low-tech.

Flix ist eine Erfolgsstory, diesmal jedoch nicht aus dem Silicon Valley sondern eher aus dem Isar-Valley! Gegründet wurde Flix 2013 in München und konnte sich mit seinem Geschäftsmodell und seiner innovativen Buchungs-Technologieplattform im harten Wettbewerb um den Markt der Fernbusse durchsetzen. Inzwischen bietet Flix Bus- und Zugverbindungen in über vierzig Ländern auf vier Kontinenten an und hat bekannte Marken wie Greyhound (USA) oder Kâmil Koç (Türkei) übernommen.

Der Umsatz von Flix lag 2023 bei zwei Milliarden Euro und damit 30 Prozent höher als im Vorjahr. Am Rande vermerkt: Ähnlich hohe Zuwachsraten können 2023 nur noch Unternehmen der Rüstungsindustrie bieten.

Mit seinem Geschäftsmodell und seiner innovativen Technologieplattform ist Flix inzwischen in Europa, Nordamerika sowie in der Türkei Marktführer geworden, weitere Expansionsziele sind Südamerika und Asien. Ebenfalls wichtig: Vor dem Hintergrund des globalen Umwelt-Hypes hat sich Flix zum Ziel gesetzt, bis 2040 in Europa und bis 2050 klimaneutral zu werden. Außerdem hat sich das Unternehmen einem globalen Dekarbonisierungsrahmen verpflichtet und sich offiziell der Science-based Targets Initiative (SBTi) angeschlossen.

Im Gegensatz zu Flix hat das sportliche Zugpferd Porsche für die Mutter Porsche SE vorerst den Höhepunkt seines Höhenflugs überschritten. Porsche hatte zuletzt in Übernahme der gescheiterten VW-Elektro-Strategie größere Probleme beim Absatz seiner reinen Elektroautos, die 2030 mit 80 vH den Absatz im Portfolio der Zuffenhausener Autobauer dominieren sollten. VW/Porsche-CEO Oliver Blume mutierte dabei vom Verbrenner-Saulus zum Elektro-Paulus. Folge: Die Ergebnis- und Renditeziele für 2024 musste Doppel-CEO Oliver Blume nach Vorlage der Geschäftszahlen für das erste Halbjahr 2024 nach unten revidieren.

Folgt man der Porsche-Analyse der Experten der Automobilwoche, so dürfte das wohl kaum das Ende der Problem-Fahnenstange gewesen sein: Einbrüche im China-Absatz, Fehleinschätzungen der Elektromobilität im reinen Sportwagenbau, Überbelastungen im Spitzenmanagement durch Doppelfunktionen, Software-Desaster (Porsche-Analyse: Das sind die fünf drängendsten Probleme | Automobilwoche.de).

Zum einen ist es das Wachstumspotenzial, das Flix als Beteiligungsobjekt für die von den Familien Porsche und Piëch kontrollierte Porsche SE so interessant macht. Zum anderen ist die Beteiligung jedoch auch Ergebnis einer sehr zukunftsträchtigen Diversifizierungsstrategie von Unternehmensrisiken. Seit einigen Jahren versucht die Porsche SE die Strategie, das Portfolio breiter aufzustellen und das Risiko zu streuen. Nicht immer sehr erfolgreich!

Abhilfe tut not. Die Beteiligungen der Porsche SE an sogenannten Hightech-Unternehmen waren laut Automobilwoche in der Vergangenheit nicht immer von Erfolg gekrönt. So musste das Unternehmen zum Teil Geld abschreiben, weil die Bewertungen der Unternehmen gefallen waren. Im Jahr 2017 schnappte sich die Porsche SE mit der PTV Group erstmals ein komplettes Unternehmen für mehr als 300 Millionen Euro. Die PTV Software-Plattform für Karten und Verkehrsflüsse konnte die Erwartungen aber nicht erfüllen, weshalb die Mehrheit des Unternehmens im Jahr 2022 an einen britischen Investor verkauft wurde.

Zu den weiteren Engagements der Porsche SE gehören etwa das E-Mobilitätsgeschäft von ABB, die kanadische Firma Inrix, die Echtzeitdaten des Verkehrs zu Verfügung stellt, oder Quantum Motion Technologies für die Entwicklung eines Quantencomputers (Darum steigt die Porsche SE bei Flix ein | Automobilwoche.de). Alles Engagements, die für externe Beobachter auf mittlere Sicht absehbar hohe Risiken, aber keine hohen Gewinne versprechen. Letztes Beispiel: Die Porsche Holding hat sich im zweiten Quartal 2024 an dem kanadischen Unternehmen Waabi beteiligt.

Waabi ist ein Start-up-Unternehmen für selbstfahrende Lkw, gegründet von Raquel Urtasun, Expertin für künstliche Intelligenz (KI) an der University of Toronto. In der zweiten Finanzierungsrunde hat die KI-Expertin mit ganz natürlicher Intelligenz 200 Millionen US-Dollar aufgebracht, um die Einführung vollautonomer, KI-betriebener Lkw im Jahr 2025 zum Laufen zu bringen – für Automobil-Experten eine Sci-fi-Vorstellung. Waabi entwickelt eine AI-basierte Lösung für autonom fahrende Lkw. Die Beteiligung der Porsche SE erfolgte im Rahmen dieser Finanzierungsrunde.

Insofern war die jetzige Beteiligung der Porsche SE an Flix dringend notwendig, um die hohen Risiken von Waabi et al. etwas mildern zu können. Ein Glücksgriff! Das dürfte bei Mobilitätsdienstleister Flix mit einem Low-Tech-Portfolio und High-Gewinnen voll gelungen sein.

Die Porsche SE selber hat im ersten Halbjahr 2024 ein Ergebnis nach Steuern von 2,1 Milliarden Euro erzielt, im Vorjahreszeitraum waren es 2,3 Milliarden Euro. Das Ergebnis ist maßgeblich durch die Anteile an der Volkswagen AG in Höhe von 2,0 Milliarden Euro und der Porsche AG in Höhe von 0,3 Milliarden Euro beeinflusst. Wenn also VW und Porsche keine Gewinne mehr machen, hat die Porsche SE auch keine Ergebnisse. Und kann nichts mehr an die Familien-Stämme ausschütten.

Die Nettoverschuldung der Porsche SE ist hoch, hat sich jedoch im Vergleich zum Anfang des Jahres von 5,7 Milliarden Euro auf 5,0 Milliarden Euro verringert. Die Verbesserung erfolgt insbesondere aus den zugeflossenen Dividenden aus den Beteiligungen an der Volkswagen AG und der Porsche AG. Gegenläufig wirkte die durch die Porsche SE ausgeschüttete Dividende an ihre Familien-Aktionäre in Höhe von 783 Millionen Euro.

Für das Geschäftsjahr 2024 geht die Porsche SE von einem Konzernergebnis nach Steuern zwischen 3,5 Milliarden Euro und 5,5 Milliarden Euro aus. Zum 31. Dezember 2024 wird zudem eine Nettoverschuldung erwartet, die sich voraussichtlich zwischen 5,0 Milliarden Euro und 5,5 Milliarden Euro bewegen wird.

Alles in allem kann der Schlussfolgerung der Automobilwoche nur zugestimmt werden: „Die Porsche SE mit einem Anteil von 53,3 Prozent an den Stammaktien und 31,9 Prozent am gezeichneten Kapital der Volkswagen AG (ist) weiter finanziell voll vom Wohlergehen des Wolfsburger Konzerns abhängig (Darum steigt die Porsche SE bei Flix ein | Automobilwoche.de)

Die Suche nach externen Gewinnquellen ist also ein kein Vorstands-Hobby, sondern sine qua non der künftigen Entwicklung.

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