Tichys Einblick
Erfolg für Österreichs jungen Geheimdienst

Feindschaftsanfrage aus dem Netz: Terrorverdächtige fallen häufig unter das Jugendstrafrecht

Die drei Tatverdächtigen (15, 17 und 19 Jahre), die wegen eines geplanten Anschlags auf das Taylor-Swift-Konzert in Wien festgenommen oder polizeilich befragt wurden, radikalisierten sich in den sozialen Netzwerken und der örtlichen Moschee. Verbindend ist ihr Hass, der die Schwachstellen bei der Integration muslimischer Jugendlicher aufzeigt. Von Munawar Khan

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Erst vor zweieinhalb Jahren wurde in Österreich die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) gegründet. Dank der intensiven Zusammenarbeit mit der Polizei und ausländischen Geheimdiensten konnte sie rechtzeitig einen Anschlag auf die Taylor-Swift-Konzerte in Wien verhindern. Zunächst festgenommen wurde der 19-jährige Beran A., ein gebürtiger Österreicher, dessen Eltern der albanischen Volksgruppe in Nordmazedonien angehören.

Sein Äußeres entspricht jedem Klischee: die Barttracht, die hochgekrempelten Hosen, das mit Anabolika gestützte Krafttraining. „Sie wollen kräftig ausschauen, imposant wirken“, beschreibt es Moussa Al-Hassan Diaw, der Gründer des Deradikalisierungsvereins DERAD. Am 7. Juli hatte Beran A. in martialischer Messerpose ein Video mit seinem Treueeid auf den Islamischen Staat auf Telegram hochgeladen. Nicht unbemerkt von einem amerikanischen Geheimdienst, der die Verschlüsselung des Kanals gehackt hatte.

In dem bereits vollumfänglichen Geständnis teilt der Tatverdächtige mit, er wollte mit seinem Fahrzeug auf das Veranstaltungsgelände fahren, anschließend um sich stechen und sich und viele andere unbeteiligte Konzertbesucher zuletzt mit Sprengstoff ins Jenseits befördern. Den österreichischen Behörden galt er nicht als Gefährder, seine Radikalisierung wurde erst spät offensichtlich. Als er vor wenigen Wochen seine Arbeit mit den Worten kündigte, er habe Großes vor, hielt man ihn schlicht für einen Spinner.

Radikale Prediger: offline und online

Seinen 17-jährigen Freund Luka K. hingegen hatte die DSN bereits im Blick. Im März dieses Jahres erhielt er eine Bewährungsstrafe, weil er einem anderen Muslim vor Zeugen ins Gesicht geschlagen hatte, um ihn zum ‚wahren Islam‘ zu bekehren. Luka K. besuchte die Al Tewhid-Moschee, in der sich Kujtim Fejzulai, der Attentäter des Wiener Terroranschlags von 2020, bereits radikalisiert hatte. Bei diesem Amoklauf kamen vier Menschen ums Leben und weitere 22 wurden verletzt. Die als Salafistenzentrum bekannte Moschee wurde daraufhin vorübergehend geschlossen. Im Dezember 2023 wurde sie durch die Islamische Glaubensgemeinschaft Österreich (IGGÖ) sogar offiziell aufgelöst. Doch das ideologische Gedankengut lebt in vielen Köpfen weiter.

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Der damalige Iman der Al Tewhid-Moschee, Muhammed P., sollte nach dem Terroranschlag bereits ausgetauscht worden sein. Er unterhielt Kontakte zu radikalen Muslimen in Bosnien und einem bosnischen Ausbildungslager für Mudschaheddin.

Allerdings gab er in der Moschee nachweislich bis 2024 noch Arabisch-Unterricht. Die intensiven Verbindungen nach Bosnien und Albanien, bzw. in den albanischen Teil Nordmazedoniens sind Teil einer weit verbreiteten Unterwanderung der österreichischen Moscheen.

Fehlende Prävention und der coole Dschihad

Unterstützt wird dies durch die vielen unkontrollierten Hassbotschaften in den verschiedenen Messenger-Diensten. Nicht erst seitdem das Phänomen „Cool Jihad“ benannt wurde, sprechen die Rap Videos, die Bekleidungsideen und das teilweise brutale und menschenverachtende Gedankengut Kinder und Jugendliche an, die Probleme haben, ihren eigenen Platz in der Gesellschaft zu finden. In diesen Strudel geriet wahrscheinlich auch der erst 15-jährige Mitwisser von Beran A.s Tatplanung, dessen Eltern aus der Türkei stammen. Der Frust der fehlenden gesellschaftlichen Integration schlägt dabei in eine Bereitschaft zum Extremismus um, der zwar von der Politik benannt, aber leider nicht ausreichend angegangen wird.

Verena Fabris, die bei dem bundesweiten Netzwerk für offene Jugendarbeit in Österreich (bOJA), die Beratungsstelle für Extremismus leitet, kritisiert, es gäbe zwar einen Aktionsplan zur Extremismusprävention, aber es fehle an konkreten Maßnahmen. Sie stellt fest: „Es gibt viele kleine Projekte, aber keine nachhaltige Strategie.“ Statt auf freiwilliger Basis sollte die Extremismusprävention bereits Teil der Ausbildung an den Pädagogischen Hochschulen und Universitäten sein, um frühzeitig in Entwicklungen eingreifen zu können.

Falsche Vorbilder und Freunde

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Denn die Suche nach Orientierung beginnt in der Pubertät. Der 16-jährige IS-Fan, der im September 2023 mit einem Kampfmesser einen Anschlag auf den Wiener Hauptbahnhof verüben wollte, lernte mit 13 Jahren zufällig den späteren Amokläufer Kujtim F. kennen, als dieser gerade aus einer Gefängnishaft entlassen worden war. Er nahm ihn sich zum Vorbild. Mit 14 hatte er sich dem islamistischen Gedankengut verschrieben, besuchte regelmäßig die besagte Al Tewhid-Moschee und wurde in einem Chat durch einen deutschen Islamisten weiter bestärkt.

In einer Telegram-Gruppe kündigte er mit einem Foto seinen Anschlag an, musste ihn jedoch nochmals verschieben, weil ihm die Tatwaffe noch fehlte. Bei der Ausführung verließ ihn glücklicherweise der Mut. Bei der Festnahme sagte er: „Durch dieses Töten komme ich ins Paradies, dort ist es sehr schön und ich entgehe der Streiterei mit meinem Vater.“ Jener Vater, der zwar etwas bemerkt hatte, aber keinen geeigneten Weg fand, die Radikalisierung seines Sohns aufzuhalten.

Gemeinsam gegen den Terror

Die Drahtzieher hinter all den Anschlagsversuchen wissen, dass diese Jugendlichen leicht zu manipulieren sind und wenig zu fürchten haben. Die geltenden Strafmaße gelten als lasch, von ihnen geht keine Abschreckung aus. Umso wichtiger sind Integrations- und Aussteigerprogramme sowie die Sensibilisierung der Gesellschaft für die Anzeichen einer Radikalisierung. Den Taten selbst gehen zumeist Abschiedsrituale voraus, wie die demonstrative Kündigung von Job und Freundschaften, die Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes, Namensänderungen oder -ergänzungen sowie Botschaften und Ankündigungen in sozialen Medien. Die Polizei kann nur dann eingreifen, wenn Hinweise vorliegen.

In Österreich gilt zudem seit 2020 ein verschärftes Strafrecht für junge Erwachsene zwischen 18 und 21 Jahren, wenn sie sich einer Terrorvereinigung anschließen. Sie können wie Erwachsene verurteilt werden. Doch auch innerhalb der Gefängnisse geht die Radikalisierung mangels geeigneter psychologischer Betreuung oftmals weiter. Eine konsequente Abschiebung von Gefährdern, noch bevor sie Taten begehen oder zu Vorbildern für die nächste Tätergeneration werden, wäre sinnvoller. Und die Anzeige von Inhalten, die in Moscheen verbreitet und sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten, sollte selbstverständlich werden.

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