Tichys Einblick
„Krieg in Nahost, Hass und Proteste bei uns"

Israel-Debatte bei Hart aber Fair: Kontrollverlust einer Influencerin

"Wie weit geht die Solidarität mit Israel?“Für vier der sechs Gäste geht sie nicht über ein „aber“ hinaus. Kaddor, Gerlach, El-Khatib und Amani schafften es nicht, die Hamas zu verurteilen, ohne von der vermeintlich rechtsextremen Regierung Israels anzufangen, als wären beide vergleichbar.

Screenprint: ARD / Hart aber Fair

Wenn Sie die Posttraumatische Belastungsstörung, die ich mir an diesem Montagabend zugezogen habe, triggern wollen, müssen Sie nur einen Satz sagen: „Lassen Sie mich bitte ausreden!“ Ja, Sie lachen (hoffentlich), aber ich weiß nicht, wie ich das in Worte fassen soll, was da gestern live in der ARD übertragen wurde.

Wenn ich sage, dass meine Ohren davon wehgetan haben, dann meine ich das wirklich nicht metaphorisch. Dann meine ich damit, dass ich alle zehn Minuten den Livestream pausieren musste, um einfach in Stille wieder zu mir zu finden. Stille. Das hat für mich gerade den gleichen Klang, wie der Gedanke an einen Gletscher bei 40 Grad im Schatten.

Im Studio sind der Chefredakteur der Jüdischen Allgemeinen Philipp Peyman Engel, die CDU-Bundestagsabgeordnete Julia Klöckner, die Grünen-Bundestagsabgeordnete und Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor, der „Nahost-Experte“ Daniel Gerlach, der Aktivist und Soziologe Jules El-Khatib und die Künstlerin und Aktivistin Enissa Amani. Das Thema der Sendung war: „Krieg in Nahost, Hass und Proteste bei uns: Wie weit geht die Solidarität mit Israel?“

Für vier der sechs Gäste geht diese Unterstützung nicht über ein „aber“ hinaus. Kaddor, Gerlach, El-Khatib und Amani schafften es alle nicht, die Hamas zu verurteilen, ohne von der vermeintlich rechtsextremen Regierung Israels anzufangen, als wären beide vergleichbar.

Man tut zwar Kaddor etwas Unrecht, sie mit den anderen drei in einen Topf zu werfen, weil sie in der Lage war, eine respektvolle Debatte zu führen. Doch ausgewogen war die Lagerverteilung definitiv nicht. Klöckner und Engel mussten sich in alle Richtungen verteidigen. Julia Klöckner gab ihr bestes, wirkte aber kaum authentisch. Engel stand zeitlich alleine und ohne Rückendeckung da.

Das Unglück für meine armen Ohren begann, als Engel Amani zu Beginn der Sendung ins Wort fiel. Ihr Vergeltungsschlag sollte erbarmungslos sein, auf Kollateralschaden nahm sie keine Rücksicht. Engel wurde in der Debatte von ihr quasi für vogelfrei erklärt – sie fiel ihm nur noch ins Wort, jedes Mal mit der Rechtfertigung, dass er am Anfang ja das gleiche mit ihr gemacht habe.

Diese Enissa war schon kaum zu ertragen. Doch dann wies Engel sie freundlich darauf hin, dass ihre Rhetorik ihn an die seiner Kinder erinnere, nur dass die noch ein bisschen jünger sind als sie. Danach lernte man eine neue Enissa kennen und mit ihr völlig neue Oktaven der Empörung. Sexismus warf sie Engels natürlich an den Kopf. Was auch sonst.

Danach sollte nichts mehr sein, wie es war. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal jemanden gesehen habe, der so gänzlich die Kontrolle über sich selbst verloren hat. Das war kein einzelner Ausraster. Nein, für den Rest der Sendung blieb „Ich bewerbe mich hiermit für einen Aggressionsbewältigungskurs in der Töpferwerkstatt“ ihr Dauerzustand. Am schlimmsten war der Hass in ihrer Stimme, während sie israelische Minister als Terroristen bezeichnete und etwas von der zionistischen Verschwörung des Springer-Verlags faselte.

Wenn sie ein Mann wäre, hätte man ihr einfach das Mikrofon ausgestellt und ansonsten toleriert, dass sie sich so gehen lässt. Ich glaube, wenn ein Mann bei Klamroth mal so ausrasten würde, würde man ihm drohen, ihn aus der Sendung zu schmeißen. Zu Recht, denn ich hätte in ihrer Anwesenheit Angst bekommen. Sie sollte dem Patriarchat eine Dankeskarte schreiben, dafür dass es sie wirklich nicht genauso behandelt wie einen Mann.

Dass nicht nur Frauen kindisch sein können, bewies der Herr mit dem Dackelblick neben ihr. Im Kontrast zu ihr war seine Schiene zunächst noch fast sympathisch, weil er merklich aufgeregt mit seinen Worten ringen musste, ganz leise, ja schon fast verängstigt sprach und mit weit aufgerissenen Augen in die Kamera schaute, wie ein Kind das aus dem Småland abgeholt werden will. Seine Dackelblick-Ikea-Family-Card-Masche verspielte er sich durch seinem Hamas-Kram aber genauso wie seine Mitstreiterin.

Nach gefühlten Stunden der Trommelfell-Folter hinterließ die Sendung bei allen Spuren. Klamroth rief Amani verzweifelt zur Vernunft auf. Selbst er, der ja eine Schwäche für Aktivistinnen hat, konnte mit diesem Level an Fanatismus nichts anfangen. Seine Redaktion griff irgendwann darauf zurück, ihr Mikrofon leiser und zeitweise abzuschalten. Einmal sieht man Lamya Kaddor im Hintergrund, wie sie ihre Hände zusammenfaltet und flehend zur Decke schaut. Ich betete mit ihr – zu Allah, Gott, Buddha, der heilige Mutter Maria, Satan – wer auch immer meine Gebete erhört und macht, dass es aufhört.

Die Vorstellung der Folgen, die eine Radikalisierung auf Instagram haben kann, endet plötzlich sehr abrupt. Von den „Zwängen des linearen Fernsehens“ erlöst, schickt Klamroth seine Zuschauer zu den Tagesthemen – und meldet erstmal wieder eine Woche Pause an. Ich gönne es ihm – und vor allem mir. Und nun entschuldigen Sie mich, ich setzte mich ins Badezimmer unter das Waschbecken, wie mein Hund zu Silvester und gedenke, heute nichts mehr zu hören, außer das Rauschen in meinen Ohren.

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