Tichys Einblick
Staatssekretärin gibt Kaltstell-Versuch zu

Baerbock-Affäre: Es gab mehr als einen Visa-Drücker im AA

Staatssekretäre, die kritische Beamte abziehen wollen; Referenten, die immer mehr Visa fordern und dabei vielleicht auch die Wünsche der Anwältin-Ehegattin erhören. In Sachen von Baerbocks „Afghanen-Luftbrücke“ ist das Auswärtige Amt zum Korruptions- und Intrigen-Stadl degeneriert.

picture alliance/dpa | Fabian Strauch

Ein Fall von Vetternwirtschaft hat der Visa-Affäre um Annalena Baerbock und ihr Auswärtiges Amt zuletzt neue Würze gegeben. Und wie die anderen Teile der Affäre ist auch dieses Segment dazu verurteilt, weiter zu köcheln, bis seine Aromen für alle ruchbar geworden sind. Der Affärenreigen rund um Annalena Baerbock und „ihr“ Auswärtiges Amt nimmt wirklich kein Ende. Mehr als ein Jahr hängt der Ministerin nun an, dass ranghohe Beamte und Referenten unter ihrer Ägide für die Einreise von zwielichtigen Afghanen (und Schein-Afghanen) sorgen wollten.

Da war der Fall Mohammad Ali G., mit dem der Berichtsreigen begann, dann der Fall der angeblichen „Familie N.“, von der ein Teil schon in Deutschland sei, während Vater und ältester Sohn in Pakistan blieben. Insider aus den Stammeskulturen des Nahen und Mittleren Ostens wissen, dass „Familie“ dort ein dehnbarer Begriff ist, der je nach Interesse eingeführt und wieder abgezogen wird. Für diese tribalen Spielchen müssten deutsche Referenten einen Sinn haben, was sie nicht immer bewiesen.

So machte sich „Vater N.“ verdächtig, als er zuviele pakistanische Papiere in perfekter Qualität anschleppte. Er sah nun nicht mehr einfach wie ein Dokumentenfälscher aus, sondern wie ein Geheimagent, den die pakistanische Regierung nach Deutschland einschleusen wollte. Schon zuvor hatte Deutschland einige Afghanen aufgenommen, die zwar tatsächlich einmal in den Diensten der Bundeswehr gestanden hatten, aus diesem Dienst aber entlassen wurden, weil sich Sicherheitsbedenken ergeben hatten: Es ging um mehrere Taliban-Agenten, und einen für Russland. Zuvor schon hatten sich scharia-gelehrte Juristen auf die Außenamts-NGO-Listen „verirrt“.

Nicht gut sahen also jene ranghohen Beamten aus, die Botschaftsmitarbeiter – etwa solche in den Visastellen – malträtierten und ihnen Visa abverlangten, wo die gar nicht statthaft waren, so vor allem in afghanischen Proxy- also Ersatzpässen, die jeder Verwandte, Freund und Schleuser für den Einzuschleusenden beantragen und abholen kann. Diese Dokumente stehen damit schon rein formal im Widerspruch zu einem deutschen Schengen-Visum, das nur in einen echten Pass eingeklebt werden darf. Proxy-Pässe sind „nicht visierfähig“, so der Fachausdruck. Die einzige Rechtfertigung, das ein Sprecher des AA hier konstruieren konnte, war: „Sie sehen aus wie reguläre Reisepässe, und sie fühlen sich an wie reguläre Reisepässe.“ Doch Experten können beide natürlich unterscheiden, zumal auch bei der Bundespolizei. Das geschah in mehreren Fällen nach der Einreise nach Deutschland via Charterflug.

Skandal-Phase II: Lügen und Notkonstrukte

Inzwischen ist die Affäre schon lange in der Skandal-Phase II angekommen: Lügen und Notkonstrukte, die irgendwann in sich zusammenfallen werden. So behauptete ein Sprecher des Auswärtigen Amtes, es gehe derzeit um weniger als zwei dutzend Fälle. Tatsächlich untersuchen die polizeilichen Ermittler tausende Fälle und sprechen schon jetzt von „hunderten nicht-berechtigten Einreisen“.

Und wenn die Mitarbeiter in Pakistan einmal nicht spurten, dann versuchte man im Berliner Amt sogar, sie zu versetzen oder sonstwie zu suspendieren. Im Juli wurde ruchbar, dass Staatssekretärin Susanne Baumann sich aktiv dafür eingesetzt hat, die Leiterin des Rechts- und Konsularreferats in Islamabad von allen Aufgaben abzuziehen, und das offenbar nur aus einem Grund: Sie hatte sich Anweisungen aus Berlin widersetzt und auf gründlichen und kritischen Identitäts- und Berechtigungsprüfungen bestanden, wo das AA schon in Weisungen vom März 2022 deutlich gemacht hatte, dass „der formelhafte Griff zu den bewährten Instrumenten wie der Urkundenüberprüfung … nicht durchgehend zweckmäßig“ sein soll und „durchdacht und ergänzt werden“ müsse. Daneben sei die Mitarbeiterin „zu kooperativ“ gegenüber der beratenden Bundespolizei gewesen, was im Berliner Amt ebenfalls missfiel.

Nun haben sich die Vorwürfe gegen Staatssekretärin Susanne Baumann laut Business Insider erhärtet, nämlich durch die schriftliche Frage eines Bundestagsabgeordneten, Detlef Seif (CDU). In ihrer Antwort räumte Baumann die geplante „Personaländerung“, also Kaltstellung, einer Kollegin aus der Visastelle in Islamabad ein.

Baumann selbst hat sich noch am 12. Juli schützend vor ihre Ministerin gestellt. Als der Abgeordnete Norbert Kleinwächter (AfD) sie nach der Zahl der trotz gefälschter Papiere vom AA vergebenen Visa fragte, verweigerte Baumann praktisch die Antwort. „Statistiken über die in einem Visumverfahren vorgelegten Dokumente“ würden „nicht geführt“. Anscheinend wird in diesen Fällen auch nichts dokumentiert, so dass das Amt die Daten nicht nachliefern könnte. Baumann weiter: „Nach jetzigem Kenntnisstand – vorbehaltlich der weiteren staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen – lagen in dem der Frage zugrundeliegenden Sachverhalt und bei den in Rede stehenden Personen, die eingereist sind, nach durchgeführtem Visumverfahren und Sicherheitsüberprüfungen die Voraussetzungen für eine Visumserteilung grundsätzlich vor.“ Das Amt überlässt es offenbar den Straf- und Justizbehörden, mögliches Fehlverhalten in den eigenen Reihen aufzuklären. Man kann sich streiten, ob das eines Bundesministeriums würdig ist. Es macht ganz sicher den Anschein der Vertuschung.

Wenn der AA-Beamte mit der Einreise-Anwältin frühstückt

An allen Ecken und Enden des Auswärtigen Amtes quellen nun Hinweise, Belege und Beweise hervor, dass etwas nicht stimmt bei den Verfahren rund um die Visavergabe an vermeintliche Afghanen an der deutschen Botschaft in Islamabad. So war es nun auch mit dem Bericht von Business Insider, gemäß dem es einen Fall von Vetternwirtschaft gab, bei dem sich schon auf den ersten Blick Verflechtungen zur Visa-Affäre ergaben.

Es geht um das Ehepaar Frederik Hanke und Farzana Soleimankehl-Hanke. Hanke war mindestens bis Mitte 2022 stellvertretender Leiter des Referats 508 („Ausländer- und Visumrecht, langfristige Aufenthalte, migrationspolitische Grundsatzfragen“). Seine Frau Soleimankehl-Hanke, in Afghanistan geboren, in Deutschland aufgewachsen, vertritt derweil als Rechtsanwältin auch afghanische Mandanten, die sich an der Botschaft in Pakistan um Einreisevisa bemühen. Ein klarer Interessenkonflikt, denn der Ehemann erfährt am Frühstückstisch von den Bedürfnissen seiner Frau in diesem oder jenem Visumsverfahren.

Seit Ende 2021 wurde dieser Fall intern „geprüft“, nur eine Interessenkollision wollte das AA dann doch nicht ausmachen können. Auch danach gab das AA Gutachten bei Soleimankehl-Hanke in Auftrag. Noch im April 2024 fungierte sie als Referentin bei mehreren Online-Schulungen für Botschaftsmitarbeiter – all das ohne Ausschreibung, die wegen der „unbestrittenen Expertise“ der Frau „entbehrlich“ gewesen sei. Dabei hatte die AfD-Fraktion den Fall schon im August 2023 in einer Kleinen Anfrage halb öffentlich gemacht. Es fehlten nur die Namen des Paars. In den Antworten erfuhren die Abgeordneten unter anderem, dass „Dienstleistungsaufträge … angesichts der Struktur des AA dezentral vergeben“ werden.

Auch Hanke machte Druck für mehr Visavergaben

Nun dementierte das AA laut Augsburger Allgemeinen, der betroffene Beamte (gemeint ist offenbar Hanke) sei „nie Referatsleiter gewesen“ und habe sich „um Grundsatzfragen gekümmert und nicht um Visaverfahren“. Die Frage ist aber: Warum dementiert das Amt etwas, das gar nicht im Bericht von Business Insider stand? Dort war Hanke, wie gesagt, als stellvertretender Referatsleiter beschrieben worden. Will man sagen, dass er keinen Einfluss im Amt hatte? Aber das scheint auch anders zu sein.

Laut neuen Enthüllungen von Business Insider beweisen „interne Dokumente“ das Gegenteil der AA-Aussagen. Demnach wird Hanke auch aktuell noch „im Arbeitsstab Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan“ beschäftigt und hat „Visa-Prüfern in der Botschaft Islamabad 2021 die Anweisung gegeben, Afghanen im Rahmen des humanitären Aufnahmeprogramms Visa zu erteilen, obwohl die Botschaftsmitarbeiter Bedenken hatten“. In einem Fall hätten die Mitarbeiter kritisiert: „Die Aufnahmezusage wurde definitiv nicht mit rechten Mitteln erteilt.“ In einem weiteren Fall schrieben sie: „Unter welchen Kriterien hier eine Ausreise aus humanitären Gründen gewährt wurde ist nicht ersichtlich und sollte geprüft werden.“ Das Auswärtige Amt ist damit selbst dementiert.

Die E-Mail des „Referenten für Verwaltungsstreitfragen in Visumsachen“ Henning G., die TE vorliegt und in der es hieß „falscher Pass hin oder her“, man soll Mohammad G. visieren, lieferte den Anlass für verschiedene Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaften Berlin und Cottbus, das immer noch läuft und auch vom AA . Die neuen Enthüllungen um Frederik Hanke müssten für ein weiteres Verfahren sorgen.

Anzeige
Die mobile Version verlassen