Tichys Einblick
"Stärkung der Medienkompetenz"

15 Millionen Euro von der Kulturstaatsministerin, damit Deutschland eine „gute Presse“ hat

Trennung von Staat und Kirche? Die Trennung von Staat und Medien wäre zielführender. Eine AfD-Anfrage zeigt neuerlich die Verquickungen auf – diesmal zwischen Kulturstaatsministerin und privaten Medien. Die Bundesregierung bekräftigt weiterhin, dass das alles in Ordnung sei.

picture alliance / SvenSimon | Frank Hoermann/SVEN SIMON

Früher drehte sich alles um die Trennung von Kirche und Staat. Dabei ist mittlerweile die Trennung von Medien und Staat viel wichtiger geworden. Ob Mitfinanzierungen von dubiosen Internetplattformen, die Gehaltszahlungen an Journalisten oder der zweifelhafte Einfluss auf den ÖRR: Deutschland will das Thema nicht loslassen. Während im Rest Europas etwa eine Abnabelung des staatlichen Gebührenfernsehens oder wenigstens die Senkung von Gebührenbeträgen ein Thema sind, will man hierzulande nicht einmal das Problem sehen. Aber bei der Kirchensteuer gibt es in Deutschland bekanntlich ebenso einen Sonderweg.

Längst hat aber der Staat nicht nur bei öffentlichen, sondern auch privaten Medien mit dem Lockmittel von „Projektförderungen“ und anderen Ködern einen erheblichen Fuß in der Türe. Alexander Wendt hat in seiner lesenswerten Reportage über die Verstrickungen von Bundesregierung und Correctiv erst zum Wochenanfang die Gretchenfrage der Gegenwart neu gestellt.

In diesen Kontext fällt eine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion. Sie hatte mehr über die „staatliche Mitfinanzierung von CORRECTIV und anderen privaten Medienbetrieben“ wissen wollen.

Hervorzuheben ist bereits die Vorbemerkung der Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Oppositionspartei. Denn die AfD sieht etwa in der Förderung von Correctiv-Projekten eine Mitfinanzierung aus Staatshand. Eine solche „Unterstellung“ lässt sich die Bundesregierung nicht gefallen. Zitat:

„Anders als die Fragestellerinen und Fragsteller insinuieren, sind die Medien in Deutschland schon von Verfassungswegen frei und unabhängig. Die Bundesregierung finanziert aus Gründen der Staatsferne und des allgemeinen Neutralitätsgebots, das Ausdruck der in Artikel 5 Grundgesetz verbürgten Pressefreiheit ist, weder journalistische Inhalte noch den Betrieb oder die Redaktionen von privaten Medien. Eine staatliche Förderung ‚von Medien‘ findet nicht statt. Die Unabhängigkeit und Staatsfreiheit der Presse ist ein Gut von Verfassungsrang.“

Ergo: Man gibt Geld an Medienhäuser und nennt es anders. Warum, das sagt die Bundesregierung selbst: Hieße es Mitfinanzierung, verstieße es gegen das Grundgesetz. Also braucht das Kind einen anderen Namen. Man muss dabei nicht einmal den unfreiwillig-freiwilligen Gebührenbetrag hervorholen, bei dem der Staat sehr wohl seine Unterstützung spielen lässt, sonst wäre dessen Eintreibung auf diese Art gar nicht möglich.

Denn: Was für ein hohes Gut die Pressefreiheit in Deutschland darstellt, hat man zuletzt bei der Auflösung von „Compact“ gesehen. Da haben wir gesehen, wie viel „Unabhängigkeit und Staatsfreiheit“ der Presse bedeutet. Pressefreiheit heißt dann: frei von Presse sein, die dem Staat nicht gefällt.

Trotz der beachtlichen Windungen, welche die Bundesregierung – hier explizit: das Büro von Kulturstaatsministerin Claudia Roth – an den Tag legt, sind die Auskünfte dennoch aussagekräftig. In Frage 4 erkundigt sich die AfD explizit nach den Mitteln, die in den Bereichen „Stärkung der Medienkompetenz sowie Schutz und strukturelle Förderung der journalistischen Arbeit“ geflossen sind. Die AfD möchte die Zahlen von 2023 und vorhergehender Jahre wissen. Die Bundesregierung verweist darauf, dass es diese zwei Bereiche erst seit 2020 gibt. Es handelt sich zudem um zwei unterschiedliche Bereiche, wobei die „Prävention“ mehrere Unterkategorien zusammenfasst.

Insgesamt sind seit 2020 rund 15 Millionen Euro in diese Förderung des Journalismus geflossen, die keine Mitfinanzierung von Journalismus ist.

Für den Bereich „Schutz und strukturelle Förderung journalistischer Arbeit“ gab die Bundesregierung dabei rund 8,3 Millionen Euro aus. Die übrigen rund 6,8 Millionen Euro flossen in den Bereich „Stärkung der Medienkompetenz“, der sich in folgende Sub-Bereiche aufteilt: Stärkung der Medienkompetenz – FragFinn (750.000 Euro), Stärkung der Medienkompetenz – Nationales Präventionsprogramm gegen islamistischen Extremismus (1,6 Millionen Euro), Stärkung der Medienkompetenz – Umsetzung des vom Kabinettausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus beschlossenen Maßnahmenkatalogs (4,5 Millionen Euro).

Im ersten Bereich (Schutz) tritt mit Correctiv der bekannteste Vertreter auf. Das Portal erhielt rund 200.000 Euro für das Projekt „Lokaljournalismus qualifizieren, Demokratie stärken“. Die dpa erhielt 321.000 Euro für die Projektförderung „Democracy Newsroom“ und 240.000 Euro für „Wegweiser KI“. Der Deutsche Presserat erhielt 192.000 Euro für den „Schutz der freien Berichterstattung“.

Das sind nur einige Schlaglichter. Den Löwenanteil der Förderung macht der JX Fund mit rund 4,3 Millionen Euro aus. Er soll vor allem Journalisten im Exil helfen. Dass der JX Fund aber aufgrund seiner Größe selbst ein Geldgeber ist, sollte nicht verwundern. So spendete er 2023 rund 65.000 Euro an die Plattform Correctiv. Hinter dem Fund stehen Reporter ohne Grenzen, die Schöpflin Stiftung und die Rudolf Augstein Stiftung.

Die Förderung im zweiten Bereich (Medienkompetenz) konzentriert sich auf wenige Projektträger, die dafür umso größere Summe erhalten. Das Projekt FragFinn erhielt 750.000 Euro. Es handelt sich für eine Suchmaschine für Kinder, um diese vor nicht-kindgerechten Inhalten im Internet zu schützen. Dabei stand FragFinn vor zwei Jahren selbst in der Kritik. Der Datenschutz-Experte Mike Kuketz wies darauf hin, dass die vermeintlich sichere Suchmaschine ein Trackingtool von Google integriert. Der obligatorischen Frage nach Cookie-Berechtigungen könnten aber Kinder gar nicht zustimmen – das könnten eigentlich nur die Eltern.

Auffällig ist der Betrag von 1,5 Millionen Euro, der an die Deutsche Filmakademie für das Projekt „Spots“ geht, das seit 2021 läuft. Es wurde bereits von Roths Vorgängerin Monika Grütters ins Leben gerufen. „Mit spots. entsteht ein kreatives Vermittlungsprojekt der Filmkunst, das nicht nur jungen Menschen Spielräume für neue Sicht- und Lebensweisen eröffnet. Jugendliche vor Ort erleben dabei wichtige Perspektivwechsel und können zugleich ihre Medienkompetenz erweitern“, sagte Grütters damals. Sie haben nie von diesem faszinierenden wie wichtigen Projekt gehört? Egal, die 1,5 Millionen sind eh futsch.

Und wie sieht es mit den drei Millionen Euro aus, dem größten Batzen in diesem Bereich, den „Vision Kino“ erhält – ebenfalls ein Grütters-Kind? Nun, schauen wir, was „Vision Kino“ über sich selbst schreibt:

„Bei VISION KINO befinden wir uns aktuell in einem diskriminierungskritischen Prozess, der Rassismus, Antisemitismus und andere Diskriminierungsformen innerhalb unserer Institution zunächst aufzeigen soll, um sie im Anschluss zu minimieren. Angestoßen wurde die Bestrebung durch Fehler auf struktureller, inhaltlicher und personeller Ebene, die wir sehr bedauern und aufarbeiten. Wir arbeiten, u. a. durch Impulse von Bi_PoC Mitarbeitenden und begleitet durch Expert*innen, an einer nachhaltigen, ganzheitlichen, machtkritischen Organisationsentwicklung. Dies spiegelt sich auch in der inhaltlichen Ausrichtung und Ausführung der Projekte von VISION KINO wider. Als Team lernen wir in diesem Prozess, verantwortungsbewusst (accountable) sowie diskriminierungskritisch zu handeln. Unser Ziel ist die Schaffung eines vertrauensvollen und sicheren Arbeitsumfeldes, insbesondere für Menschen mit Rassismus- und Antisemitismuserfahrung sowie mit anderen Marginalisierungserfahrungen.“

Wenn Sie es bis hierher durchgehalten haben sollten, trösten Sie sich damit, dass ein paar „Bi_PoC-Mitarbeitenden“ nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik auftauchen. Ach, Sie sind nicht Kulturstaatsministerin? Schade. Dann könnten Sie wenigstens das als Erfolg verbuchen.

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